[6] "II. Die Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz der Trunkenheitsfahrt hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; sie ist lückenhaft."
[7] 1. Ob der Täter des § 316 StGB bedingten Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit hat, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Diese verlangen nach der st. Rspr. des BGH, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urt. v. 9.5.1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt daher voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sich damit abfindet (vgl. nur Brandenburgisches OLG, Blutalkohol 50, 138 (2013); OLG Hamm NZV 2005, 161, jeweils m.w.N.; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn 32; LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn 186; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 316 Rn 44). Maßgeblich ist, ob der Fahrzeugführer eine so gravierende Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit zumindest für möglich hält und sich mit ihr abfindet oder billigend in Kauf nimmt, dass er den im Verkehr zu stellenden Anforderungen nicht mehr genügt (MüKo-StGB/Groeschke, 1. Aufl., § 316 Rn 83). Absolute Grenzwerte müssen vom Vorsatz nicht umfasst sein, da es sich bei ihnen nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern um Beweisregeln handelt (Groeschke, a.a.O.; ebenso SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn 32; LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn 188).
[8] 2. Vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes muss sich der Tatrichter – wie vom Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale auch – auf der Grundlage einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände überzeugen (§ 261 StPO). Dabei hat er in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einzubeziehen, die seine Überzeugung vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes in Frage stellen könnten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. v. 22.3.2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, Tz. 33 m.w.N. [zum bedingten Tötungsvorsatz]). Andererseits ist er in diesem Zusammenhang auch durch den Zweifelssatz nicht gehalten, zugunsten des Täters Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.1.2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.) oder auf die sich der Angekl. selbst nicht berufen hat (Senatsurt. v. 12.1.2012 – 4 StR 499/11, Tz. 5 m.w.N.; Urt. v. 11.4.2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243). Unter welchen Voraussetzungen er zu welcher Schlussfolgerung und Überzeugung kommen muss, kann ihm nicht vorgeschrieben werden; an Beweisregeln ist er insofern nicht gebunden (BGH, Urt. v. 9.2.1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 210; Senatsbeschl. v. 19.8.1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 295). Dementsprechend ist auch die revisionsgerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob das Ergebnis des Tatrichters hinsichtlich der Annahme bedingten Vorsatzes auf möglichen Schlüssen beruht (SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 316 Rn 34). Nach Auffassung des Senats ergibt sich daraus Folgendes:
[9] 3. Zwar gibt es keinen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt (Senatsbeschl. v. 25.8.1983 – 4 StR 452/83, VRS 65, 359; KG Berlin VRS 126, 95; Brandenburgisches OLG, Blutalkohol 50, 138 (2013); Blutalkohol 47, 426 (2010); VRS 117, 195 (2009); OLG Hamm, Blutalkohol 49, 164 (2012); VRS 107, 431 (2004); NZV 1999, 92; OLG Düsseldorf, Blutalkohol 47, 428 (2010); OLG Stuttgart NStZ-RR 2011, 187; Blutalkohol 47, 139 (2010); OLG Köln DAR 1999, 88; DAR 1997, 499; in einer nicht tragenden Erwägung abweichend OLG Celle NZV 2014, 283). Bei Prüfung der Frage, ob ein Fahrzeugführer den Tatbestand des § 316 StGB bedingt vorsätzlich verwirklicht hat, ist aber eine solche Blutalkoholkonzentration ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen vorsätzlichen Handelns. Diese in Rspr. und Schrifttum (eingehende Nachweise bei LK-StGB/König, 12. Aufl., § 316 Rn 191 ff.) nahezu einhellig vertretene Auffassung ändert aber nichts an der Geltung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung gem. § 261 StPO, wonach der Tatrichter den Grad der Alkoholisierung mit dem ihm zukommenden Gewicht – für sich genommen oder zusammen mit anderen Indizien – in seine Überzeugungsbildung vom Vorliegen bedingt vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns einzubeziehen hat.
[10] Der Tatrichter ist deshalb durch § 261 StPO nicht gehindert anzunehmen, dass eine Blutalkoholkonzentration umso eher für eine vorsätzliche Tat spricht, je höher sie ist (vgl. BGH, Beschl. v. 25.8.1983 – 4 StR 452/83, VRS 65, 359, 361). Er muss sich jedoch bewusst sein, dass er sich lediglich auf ein (widerlegbares) Indiz stützt, das zwar gewichti...