VVG § 172; BB-BUZ § 2
Leitsatz
1. Der Eintritt von Berufsunfähigkeit wegen eines vertraglich ausgeschlossenen gesundheitlichen Umstands schließt nicht aus, dass Berufsunfähigkeit wegen eines davon unabhängigen anderen gesundheitlichen Umstands erneut eintreten kann.
2. Sind die Ergebnisse ausführlicher testpsychologischer Validierungsverfahren mit dem sonstigen Verhalten eines VN nicht vereinbar und weisen sie zureichend auf negative Antwortverzerrungen hin, so kann eine psychisch bedingte Berufsunfähigkeit in bedingungsgemäßem Maße nicht festgestellt werden.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.8.2015 – 5 U 53/13
Sachverhalt
Der Kl. der zuletzt – bis Dezember 2004 – als CAD-Konstrukteur tätig war, macht aus einem 2000 abgeschlossenen Vertrag über eine Berufsunfähigkeit Leistungen geltend. Der Vertrag enthält einen Risikoausschluss, nach dem Erkrankungen und Funktionsstörungen der Wirbelsäule eine Leistung nicht bedingen und bei der Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen gesundheitlichen Gründen unberücksichtigt bleiben. Mit seinem Leistungsantrag vom September 2008 behauptete er Berufsunfähigkeit wegen einer schweren psychischen Erkrankung seit 2008 und Dauerschmerzen seit 2003. Die Bekl. lehnte Leistungen ab, weil der aktuelle gesundheitliche Zustand auf ein chronisches Schmerzsyndrom nach Bandscheiben-OPs zurückzuführen sei.
2 Aus den Gründen:
" … 2. Ansprüche auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen des für die Zeit ab August 2008 behaupteten und auf eine psychische Erkrankung gestützten Versicherungsfalls scheitern nicht schon daran, dass der Kl. möglicherweise schon zu einem früheren Zeitpunkt wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden berufsunfähig gewesen ist."
a. In der vom Kl. vorgelegten Bescheinigung des Neurologen/Psychiaters R heißt es, der Kl. stehe seit Mai 2004 wegen eines chronischen Schmerzsyndroms nach zwei Bandscheibenoperationen und eines reaktiven depressiven Syndroms in Behandlung; er sei nur in der Lage maximal eine halbe Stunde zu sitzen; es bestehe zeitweise ein aufgehobenes Leistungsvermögen, die Prognose sei ungünstig. Im Gutachten G ist von einem chronisch regionalen Schmerzsyndrom die Rede, weshalb “zur Zeit nicht daran zu denken’ sei, dem Kl. “eine regelmäßige Erwerbstätigkeit zuzumuten’.
b. Gelegentlich wird vertreten, wenn eine Berufsunfähigkeit wegen eines nach dem Vertrag vom Versicherungsschutz ausgeschlossenen Umstands eingetreten sei, bestehe auch dann, wenn der Versicherte später wegen eines anderen, nicht ausgeschlossenen Umstands berufsunfähig werde, eine Leistungspflicht des VR nicht (vgl. Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 5 BU Rn 3 … ). Für den Streitfall würde das bedeuten, dass bei unterstellter wirbelsäulenbedingter Berufsunfähigkeit vor dem Jahr 2008 eine zeitlich nachfolgende schwere Depression von vornherein keine Leistungsansprüche des Kl. mehr begründen könnte.
Das ist – jedenfalls für die hiesige Konstellation – abzulehnen. Eine Vertragsbeendigung ist selbst bei Annahme einer früher eingetretenen, aber eine Leistungspflicht nicht bedingenden Berufsunfähigkeit richtigerweise nicht zu konstruieren. Soweit Anderes in der Schadensversicherung gelten kann, für die den – unmittelbar eigentlich nur die Prämienzahlungspflicht betreffenden – Regelungen der §§ 68 Abs. 2 VVG a.F., 80 Abs. 2 VVG entnommen wird, dass bei dauerndem Wegfall des versicherten Interesses der Versicherungsvertrag erlischt (siehe nur Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn 8; OLG Hamm VersR 1999, 60). Obwohl sie unmittelbar nur die Prämienzahlungspflicht betrifft, sind diese für die Summenversicherung nicht einschlägig. … Die Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherung ist aber eine solche. …
Das dauerhafte Entfallen des Versicherungsvertrags oder einer Leistungspflicht der Bekl., sobald irgendwann einmal eine Berufsunfähigkeit im Zusammenhang mit einer vom Versicherungsschutz ausgenommenen Erkrankung eingetreten ist, lässt sich nicht überzeugend begründen. Indem der Vertrag festschreibt, es gelte als vereinbart, dass Erkrankungen und Funktionsstörungen der Wirbelsäule “eine Leistung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht bedingen und bei der Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen gesundheitlichen Gründen unberücksichtigt bleiben’, fingiert er von Beginn an gewissermaßen einen Zustand, in dem so getan wird, als gäbe es die kranke Wirbelsäule des Kl. nicht. Das kann vom VR nur so gemeint sein und nach dem Empfängerhorizont des Kl. auch nur so verstanden werden, dass eine Leistungspflicht des VR wegen einer wann auch immer eintretenden, von dem Leistungsausschluss sachlich nicht erfassten anderen Krankheit, sofern sie eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit begründet, unberührt bleibt …
Überträgt man das auf die hiesige Gestaltung, so hängen die Berufsunfähigkeit und die Leistungspflicht der Bekl. davon ab, ob der Kl. bei unterstellter gesunder Wirbelsäule die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllen würde. Nur dieses Ergebnis wird auch dem von den P...