Zum Nachweis von Schockschäden vgl. BGH zfs 2012, 376 (kein ersatzfähiger Schockschaden bei Tötung eines Hundes); OLG Frankfurt zfs 2004, 452; OLG Frankfurt zfs 2013, 202 m. Anm. Diehl.
1. Schockschäden sind solche seelischen Erschütterungen, die ein bei einem Unfallereignis selbst nicht körperlich Verletzter durch das Miterleben des Unfalls, den Anblick des Unfallopfers oder durch die Nachricht hiervon erfährt (vgl. Schiemann, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004, § 249 Rn 43). Diese drei Erscheinungsformen der Auslösung eines Schockschadens hatte der BGH in einer von ihm dargestellten Typologie entwickelt (vgl. BGH NJW 1986, 77; BGH NJW 2997, 2764; BGH NJW 1989, 2317), wobei der BGH betont hatte, dass auch nahen Angehörigen bei einem bloßen Miterleben des Unfalls oder "nur" einer Benachrichtigung hiervon ein Schmerzensgeldanspruch zustehen könne. Mit der vorstehenden Entscheidung spricht der BGH aus, dass die unterschiedlichen Erscheinungsformen eines möglicherweise ausgelösten Schockschadens unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt des Schadens haben, wobei der BGH sich als tragende Begründung auf die angebliche medizinische Aussage beruft, dass das Miterleben eines Unfalls in seiner Intensität ungleich gewichtiger sei als der bloße Erhalt einer Nachricht von der Tötung oder Verletzung eines nahen Angehörigen (Rn 11). Ob das zutrifft, ist durch ein traumatologisches Gutachten zu bestimmen, mag die Beurteilung auch der Alltagstheorie entsprechen. In einer älteren Entscheidung hatte es der BGH noch für unerheblich gehalten, ob der Geschädigte den Unfall selbst miterlebt hatte oder der Geschädigte erst durch den Erhalt der Nachricht von der Tötung oder Verletzung des nahen Angehörigen erfahren hat (vgl. BGH NJW 1971, 1883, 1884). Dass der BGH in späteren Entscheidungen (vgl. die Nachweise in Rn 10) die Unterscheidung getroffen hat, es sei von maßgeblicher Bedeutung, ob der Geschädigte den Unfall selbst miterlebt habe oder erst durch die Benachrichtigung hiervon erfahren habe, war lediglich eine Aussage über die Auslösung eines Schockschadens aufgrund eines Wahrscheinlichkeitsurteils. Von Bedeutung ist diese Unterscheidung nicht, da ohnehin noch die haftungsauslösende Gesundheitsverletzung festzustellen ist (vgl. BGH NJW 1984, 1405; BGH NJW 1989, 2317).
2. Dass das BG ohne die Unterscheidung der Auslösungsmodalitäten des Schockschadens eine Gesundheitsverletzung verneint hat, war rechtsfehlerhaft, umso mehr, weil das Verhalten des Kl. nach dem Unfallereignis (Aufgabe von Wohnung und Arbeitsplatz) deutliche, dem Gutachter vorzugebende Anhaltspunkte für eine tiefgreifende seelische Erschütterung infolge des Unfallereignisses bot. Die sehr einschränkende Zuerkennung des Schmerzensgeldes für nahe Angehörige und vor allem das Abstellen darauf, dass bei dem durch das Ereignis Betroffenen festgestellt werden muss, dass durch das Unfallereignis, mag es miterlebt oder mitgeteilt worden sein, psychopathologische Ausfälle hervorgerufen worden sind, die von Art, Schwere und Dauer deutlich dasjenige übersteigen, was gewöhnlich in einer solchen Situation an Reaktionen und Nachteilen ausgelöst wird (vgl. BGH NJW 1971, 1883; BGH NJW 1985, 1390; BGH DAR 2012, 251; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 214), stellen eine hohe Hürde dar, die trotz der vom BGH angenommenen Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten (vgl. NJW 1986, 1541, 1542) prozesstaktische Vorbereitungen durch ärztliche Dokumentationen empfehlenswert und notwendig erscheinen lassen (vgl. Born, OLGR 2003, K4; Jaeger/Luckey, Das Schmerzensgeld, 6. Aufl., Rn 898). Ob ein Geschädigter in seiner von Trauerarbeit bestimmten Lebensphase zu solchen Überlegungen und Maßnahmen in der Lage ist, ist nicht sicher.
Diese Erschwernisse bei der Zuerkennung von Schmerzensgeld für nahe Angehörige haben zu der Entwicklung von Reformvorschlägen geführt (vgl. Staudinger, in: 52. VGT, S. 11 ff.). Immerhin wird diese gesetzliche Reform schon seit dem 45. VGT empfohlen (vgl. Verhandlungen des 45. VGT, Bd. I/1, S. 145 ff.), ohne dass es bisher auch nur den Versuch einer Kodifikation gegeben hat.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 7/2015, S. 382 - 384