Diese grundlegende Entscheidung des BGH klärt zwei in der Praxis häufig vorkommende Streitfragen.
I. Auswärtiger Prozessbevollmächtigter
Die auswärtige Partei bzw. ihr an ihrem Wohn- oder Geschäftsort oder in dessen Nähe kanzleiansässiger Prozessbevollmächtigter muss sich vor dem ersten Verhandlungstermin überlegen, ob der Verhandlungstermin durch den Prozessbevollmächtigten selbst wahrgenommen werden soll oder ob die Partei hierfür einen Terminsvertreter einschaltet.
1. Der Prozessbevollmächtigte reist selbst
Reist der Prozessbevollmächtigte zu den gerichtlichen Terminen selbst an, gehören die hierdurch ausgelösten Reisekosten zu den gesetzlichen Auslagen des Rechtsanwalts und sind ungeachtet der Höhe fiktiver Terminsvertreterkosten gem. § 91 Abs. 1 ZPO kraft Gesetzes erstattungsfähig (BGH BRAGOreport 2003,116 (Hansens) = AGS 2003, 276). Somit ist die Erstattungsfähigkeit der tatsächlichen Terminsreisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten in einem solchen Fall nicht etwa auf den Betrag ersparter Terminsvertreterkosten beschränkt (BGH RVGreport 2005, 476 (Hansens); BGH RVGreport 2010, 156 (Hansens). Allerdings schließt dies nicht aus, die Notwendigkeit einzelner Aufwendungen (Flug statt Bahnfahrt oder Taxi statt öffentlicher Verkehrsmittel oder Übernachtungskosten) im Kostenfestsetzungsverfahren zu überprüfen.
2. Terminswahrnehmung durch Terminsvertreter
Entschließt sich die auswärtige Partei hingegen, den Gerichtstermin durch einen Terminsvertreter wahrnehmen zu lassen, so sind die hierdurch anfallenden Kosten nur insoweit erstattungsfähig, als sie die ersparten Terminsreisekosten des Prozessbevollmächtigten um nicht mehr als 110 % übersteigen. Übersteigen sie die Terminsvertreterkosten um einen noch höheren Prozentsatz, so sind die Terminsvertreterkosten i.H.v. 110 % der ersparten Terminsreisekosten erstattungsfähig, wie der BGH hier mit durchaus überzeugenden Argumenten entschieden hat.
Die Partei muss ihre Entscheidung allerdings zu einem recht frühen Zeitpunkt treffen. Zu diesem steht noch nicht fest, wie viele Verhandlungstermine stattfinden und ob der Rechtsstreit durch einen Vergleich endet. Die Höhe der Terminsvertreterkosten lässt sich im Regelfall, da der maßgebliche Gegenstandswert bekannt ist – wenn keine Änderungen durch Klagerücknahme oder Klageerweiterung oder Widerklage eintreten – recht zuverlässig ermitteln. Wird jedoch der Rechtsstreit durch einen Einigungsvertrag beendet, an dessen Abschluss der Terminsvertreter teilnimmt, ist bei den Terminsvertreterkosten noch eine Einigungsgebühr mit zu berücksichtigen (BGH RVGreport 2014, 234 (Hansens) = zfs 2014, 344 m. Anm. Hansens = AGS 2014, 202).
3. Die zu berücksichtigenden Umstände
Die Ermittlung der fiktiven Terminsreisekosten hängt von einer noch größeren Anzahl von Unwägbarkeiten ab. Dies beginnt mit der Anzahl der voraussichtlich erforderlichen Gerichtstermine, geht über die Terminsdauer (Einfluss auf das Tage- und Abwesenheitsgeld, ggf. Anfall von Übernachtungskosten) weiter und endet noch lange nicht bei dem anzusetzenden Verkehrsmittel. Der BGH hat hier zutreffend darauf verwiesen, dass bei Inlandsflügen grundsätzlich nur die Flugreisekosten in der Economy-Class in einem Tarif zu berücksichtigen sind, der auch eine kurzfristige Umbuchung ermöglicht. Folglich ist der auswärtige Prozessbevollmächtigte weder bei den tatsächlichen noch bei den fiktiven Terminsreisekosten auf einen Spartarif verwiesen, der im Regelfall keine kurzfristige Umbuchung erlaubt oder bei dem dann hohe Umbuchungskosten anfallen.
II. Darlegung im Kostenfestsetzungsverfahren
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass die auswärtige Partei jedenfalls in Verfahren mit höherem Gegenstandswert die – höheren – Flugkosten für ihren Prozessbevollmächtigten erstattet erhält, wenn die Flugreise gegenüber der Bahnfahrt zu einer tatsächlichen Zeitersparnis von etwa 4 Stunden führt. Dies erfordert allerdings einen entsprechenden Sachvortrag der erstattungsberechtigten Partei, der auch die Zeiten für die An- und Abfahrt vom Wohn- oder Kanzleiort des Rechtsanwalts zum Bahnhof einerseits und zum Flughafen andererseits erfasst. Außerdem muss vorgetragen werden, welche Zeit für Sicherheitskontrollen und für das Boarding bei der Flugreise zu berücksichtigen ist. Für innerdeutsche Flüge mit der Lufthansa sind Boardingzeiten in der Größenordnung von 30 bis 40 Minuten zu berücksichtigen. Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass es auf die reine Flugzeit oder die fahrplanmäßig vorgesehene Zeit der Bahnfahrt nicht allein ankommt.
Nicht Gegenstand der Entscheidung des BGH war die Frage, ob die Aufwendungen des auswärtigen Rechtsanwalts für die Anreise mit dem eigenen Pkw (Nr. 7003 VV RVG) zu berücksichtigen sind, wenn sie die Kosten einer Bahnfahrt erster Klasse oder die Flugreisekosten in der Economy-Class übersteigen (vgl. hierzu Hansens, RVGreport 2015, 247 ff.)
Von praktischer Bedeutung ist die Entscheidung des BGH im Übrigen nicht nur für die Berechnung der fiktiven Terminsreisekosten des Proze...