" … 1. Der Rücktritt ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil er nicht innerhalb der zwischen den Parteien vereinbarten und mittlerweile auch gesetzlich geregelten Ausschlussfrist von 5 Jahren erklärt wurde. Nach § 6 Abs. 3 S. 1, 1. Halbsatz der AVB kann der VR im Falle der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht binnen 5 Jahren seit Vertragsschluss vom Vertrag zurücktreten. Eine entsprechende gesetzliche Regelung findet sich seit dem 1.1.2008 aufgrund des Gesetzes zur Reform des VVG vom 23.11.2007 (BGBl I S. 2631) in § 21 Abs. 3 S. 1, 1. Halbsatz VVG. Im vorliegenden Fall ist der Versicherungsvertrag mit der Ausfertigung der Versicherungspolice am 2.5.2005 zu Stande gekommen. Die Bekl. hat ihren Rücktritt mit Schreiben vom 7.6.2011 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist erklärt."
Die Fünfjahresfrist gilt allerdings nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf der Frist eingetreten sind (§ 6 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz der AVB; § 21 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz VVG). Dabei meint Eintritt des Versicherungsfalles das Vorliegen der vertragsmäßigen Bedingungen für die Leistungspflicht des VR. Entscheidend ist der objektive Eintritt des Versicherungsfalles, nicht der Zeitpunkt der Geltendmachung des Leistungsanspruchs (vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 21 Rn 21). Die Privilegierung des VR durch die Ausnahme von der Fünfjahresfrist dient der Verhinderung von Missbräuchen (vgl. BT-Drucks 16/5682, 99 … ). Ein Missbrauch ist indes nur dann zu besorgen, wenn der VR Leistungen für einen Versicherungsfall erbringen müsste, für den er wegen einer Anzeigepflichtverletzung nicht einzutreten hätte (vgl. BT-Drucks 16/5682, 99). Liegen die bedingungsmäßigen Voraussetzungen für die Leistungspflicht nicht vor, ist demnach kein hinreichender Grund vorhanden, den VR zu privilegieren. Dementsprechend kann sich der VR auch dann nicht auf die Privilegierung berufen, wenn der VN – wie im vorliegenden Fall – nach Ablauf der Fünfjahresfrist Leistungen für einen Versicherungsfall beansprucht, der vor Ablauf der Frist eingetreten sein soll, tatsächlich aber wegen fehlender Leistungsvoraussetzungen nicht vorliegt.
Im vorliegenden Fall hat das LG den geltend gemachten Leistungsanspruch für den Zeitraum 18.11.2009 bis 27.7.2011 rechtskräftig wegen Fehlens der bedingungsgemäßen Voraussetzungen abgelehnt. Der Leistungsfall ist demnach nicht innerhalb von fünf Jahren nach Vertragsschluss eingetreten, so dass die Ausschlussfrist greift.
Die Bekl. könnte sich auch nicht auf die verlängerte Frist des § 21 Abs. 3 S. 2 VVG berufen. Danach beläuft sich die Ausschlussfrist auf 10 Jahre, wenn der VN die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt hat. Abgesehen davon, dass die zwischen den Parteien vereinbarten AVB in § 6 eine solche Verlängerung der Ausschlussfrist nicht vorsehen, ist im vorliegenden Fall keine vorsätzliche oder arglistige Anzeigepflichtverletzung gegeben …
2. Der Bekl. steht darüber hinaus auch deshalb kein Rücktrittsrecht zu, weil der Kl. keine Anzeigepflichtverletzung vorzuwerfen ist.
Nach dem insoweit anzuwendenden § 16 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. hat der VN alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem VR anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des VR, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss ausüben. Hat der VR ausdrücklich und schriftlich nach einem Umstand gefragt, so wird nach § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a.F. widerleglich vermutet, dass diese Gefahr erheblich ist.
Für den Umfang der Anzeigepflicht gilt, dass der künftige VN die in einem Versicherungsantragsformular gestellte Frage nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden grds. erschöpfend zu beantworten hat. Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen …
Andererseits ist aber auch anerkannt, dass der VN in seinem Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei der sehr weit gefassten Antragsfrage nach Krankheiten, Störungen und Beschwerden solche Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind und alsbald vergehen, nicht angeben muss (vgl. BGH NHW-RR 2003, 1106).
Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist im Übrigen unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen (vgl. Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2009, Kapitel M Rn 23). Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des VN vermitteln (Voit/Neuhaus, a.a.O., Kapitel M Rn 24).
Die Bekl. hat zwar in dem Versicherungsantrag ausdrücklich nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden u.a. der Psyche innerhalb der letzten 10 Jahre gefragt. Die insoweit darlegungs-und beweisbelastete Bekl. hat aber nicht nachweisen können, dass die Kl. z...