VV RVG Nr. 7004, 7006, 7008; ZPO § 104 Abs. 2 S. 3; BGB § 670 § 675
Leitsatz
Sind bleibende Ausgaben für vorsteuerabzugsberechtigte Prozessbevollmächtigte einer Partei in Form gezahlter Umsatzsteuer wegen der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nicht gegeben, dürfen dem Mandanten als Auftraggeber die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge nicht in Rechnung gestellt und können diese bei der Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt werden.
BGH, Beschl. v. 17.4.2012 – VI ZB 46/11
Sachverhalt
Aufgrund des vor dem LG geschlossenen Vergleichs hatten der Kl. 20 % und der Bekl. 80 % der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen. In seinem Antrag auf Kostenausgleichung machte der Kl. u.a. die Reisekosten seiner vorsteuerabzugsberechtigten Prozessbevollmächtigten, darunter Fahrtkosten nach Nr. 7004 VV RVG und Auslagen für eine Übernachtung nach Nr. 7006 VV RVG einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer geltend und berechnete auf den Gesamtbetrag nach Nr. 7008 VV RVG 19 % Umsatzsteuer. Der Rechtspfleger des LG berücksichtigte bei der Kostenausgleichung nur die jeweiligen Bruttobeträge der Reiseauslagen, also einschließlich der angefallenen Umsatzsteuer. Die Ausgleichung von 19 % Umsatzsteuer auf die berücksichtigten Bruttobeträge der Reiseauslagen lehnte der Rechtspfleger hingegen ab, weil die Umsatzsteuer in den geltend gemachten Reisekosten bereits enthalten sei. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Kl. hat das OLG nur zum geringen Teil abgeholfen. Es hat hierbei die Auslagen für die Benutzung der Verkehrsmittel und die Übernachtung nur in Höhe der hierfür angefallenen Nettobeträge angesetzt und auf diese nach Nr. 7008 VV RVG 19 % Umsatzsteuer aufgeschlagen. Der geringe Mehrbetrag gegenüber der Berechnungsweise des Rechtspflegers kam wohl dadurch zustande, dass der Rechtspfleger in einem Teil der Reiseauslagen Umsatzsteuer nur i.H.v. 7 Prozentpunkten berücksichtigt hatte. Die weitergehende sofortige Beschwerde des Kl. hat das OLG zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Kl. hatte beim BGH keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[2] “ … I. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung des BDisG, MDR 1987, 467= Rpfleger 1987, 218 zur Frage der auf die Reisekosten des Rechtsanwalts zu erstattenden Umsatzsteuer zugelassen. Der Kl. verfolgt mit der Rechtsbeschwerde die Festsetzung der Umsatzsteuer auf die geltend gemachten Bruttobeträge der Reisekosten seiner damaligen Prozessbevollmächtigten weiter.
[3] II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist aber nicht begründet. Mit Recht geht das Beschwerdegericht von den Nettobeträgen der Reisekosten der vorsteuerabzugsberechtigten Prozessbevollmächtigten des Kl. aus und setzt sodann die Umsatzsteuer auf den Endbetrag hinzu.
[4] 1. Bei der Beurteilung der Frage, in welchem Umfang der obsiegenden Partei vom Prozessgegner Kosten zu erstatten sind, ist zwischen dem Innenverhältnis des Auftraggebers zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis zum Prozessgegner zu unterscheiden.
[5] a) Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grds., dass der Auftraggeber im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist. Zur Vergütung eines Rechtsanwalts zählen neben den Gebühren auch die Auslagen (§ 1 Abs. 1 S. 1 RVG). Was zu den Auslagen zählt, ist in Teil 7 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG Nr. 7000 ff.) aufgelistet. Nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber grds. Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB). Hierzu zählen die Kosten für Fahrten mit dem eigenen Pkw, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sonstige Auslagen (wie Übernachtungskosten) und Tage- und Abwesenheitsgelder (Nr. 7003 bis 7006 VV RVG). Nach VV RVG Nr. 7008 hat der Anwalt auch einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der auf seine Vergütung nach dem Umsatzsteuergesetz entfallenden Umsatzsteuer in voller Höhe (vgl. BVerwG zfs 2010, 467; OLG Dresden JurBüro 2008, 372; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Nr. 7008 VV RVG Rn 12; Feller, in: Göttlich/Mümmler, RVG, 4. Aufl., Stichwort: “Reisekosten’, Anm. 8.4 Umsatzsteuer; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 6. Aufl., Nr. 7003-7006 VV RVG Rn 43 ff.; Sterzinger NJW 2008, 1254, 1255). Ist ein Anwalt vorsteuerabzugsberechtigt, hat er gegenüber seinem Auftraggeber für Leistungen, die er erbringt, Umsatzsteuer zu verlangen und diese an das Finanzamt abzuführen (vgl. BFH, Beschl. v. 27.6.1996 – IV B 69/95, juris Rn 2). Andererseits kann er Umsatzsteuer, die er selbst für die Inanspruchnahme von Leistungen zahlen muss, als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG).
[6] Die Zahlung der Umsatzsteuer auf umsatzsteuerpflichtige Auslagen stellt danach für den vorsteuerabzugsberechtigten Rechtsanwalt keine bleibende Ausgabe dar, weil die Umsatzsteuer wirtschaftlich im Wege des Vorsteuerabzugs wieder zurückfließt. Der Rechtsanwalt darf seinem Auftraggeber ...