Die Europäischen Verkehrsrechtstage werden in diesem Jahr zum 18. Mal stattfinden. Nachdem zunächst Trier und dann Luxemburg die feste Heimat der Veranstaltung bildeten, wird der Kongress seit 2015 in wechselnden europäischen Städten organisiert. Nach Budapest und Warschau, geht es in diesem Jahr am 5. und 6. Oktober in die österreichische Hauptstadt Wien.
Das Programm der Europäischen Verkehrsrechtstage weist wieder die Vielfalt an verkehrspolitischen Themen auf, mit denen sich Europa aktuell beschäftigt.
Der erste Schwerpunkt der Tagung befasst sich mit Fragen rund um die Schadensregulierung nach Terroranschlägen. Die Attentate von Nizza, Berlin und London sind allen noch in schlimmer Erinnerung. Die Benutzung von Fahrzeugen wirft dabei ungeahnte Probleme der Halterhaftung auf. Namhafte Referenten werden einen Überblick über die Regulierung in den betroffenen Ländern Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien geben. Hierbei wird auf die Handhabung in einzelnen Ländern eingegangen sowie auf konkrete Fragen, die sich bei der Regulierung von Ansprüchen nach derartigen Anschlägen stellen, so u.a.: Welche Ansprüche bestehen, gegen wen muss ich meine Ansprüche richten und welche rechtlichen Voraussetzungen gibt es?
Das in Europa kontrovers diskutierte Thema Dashcam wird einen weiteren Schwerpunkt bilden. Während die Dashcams in einigen Staaten Osteuropas bereits länger zur "Grundausstattung" eines Fahrzeugs gezählt werden können, schreitet deren Nutzung im übrigen Europa zwar langsam, aber stetig voran. Die Europäischen Verkehrsrechtstage werden zum einen auf die Bedeutung für die Schadenrekonstruktion und zum anderen auf die rechtliche Zulässigkeit im europäischen Vergleich eingehen. Da Dashcams einerseits eine der sichersten Methoden zur Aufklärung eines Unfallhergangs sind, andererseits jedoch insbesondere datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen, werden einheitliche europarechtliche Vorgaben benötigt.
Die Regulierung von Personenschäden ist ein weiteres zentrales Thema der Tagung. Zum einen wird es um die Entwicklung von Mindeststandards für medizinische Sachverständigengutachten bei internationalen Schadenfällen gehen, zum anderen um Personenschadenmanagement als Mittel, die Langzeitschäden von Unfällen abzufedern oder zu verhindern. So unterschiedlich wie die einzelnen Länder in Europa sind, so vielfältig sind auch die Anforderungen an die medizinische Begutachtung. Da die Gutachten jedoch die Grundlage für die rechtliche Bewertung und Bemessung des Schadens sind, erweisen sich diese unterschiedlichen Standards als besonders misslich, wenn ein Geschädigter im Heimatland untersucht werden soll, um die Beurteilungsgrundlage für die Regulierung nach dem ausländischen Recht zu erhalten. Es sollen konkrete Vorgaben für ein medizinisches Sachverständigengutachten in Schadensfällen im europäischen Vergleich diskutiert werden, so dass ein einheitlicher medizinischer Maßstab als Grundlage dienen kann. Dass auch aktives Personenschadenmanagement sowohl für den Verletzten als auch für den Versicherer Vorteile bringen kann, hat sich mittlerweile gerade bei schwerwiegenden Verletzungen herausgestellt. Die Planung, Begleitung und Ausführung geeigneter Reha-Maßnahmen sowie die Voraussetzungen werden hierbei ebenfalls aus dem europäischen Blickwinkel betrachtet.
Der EuGH hat in den letzten Jahren wesentliche Entscheidungen getroffen, die eine grenzüberschreitende Wirkung hatten und die Schadensregulierung beeinflusst haben. So wurde u.a. die Zulässigkeit der Zustellung einer Klage, die im Wohnsitzstaat des Geschädigten erhoben wird, an den Regulierungsbeauftragten des ausländischen Versicherers bejaht, die Passivlegitimation des Regulierungsbeauftragten in einem Prozess klarstellend verneint. Neben Urteilen des EuGH werden auch wichtige Entscheidungen aus einzelnen europäischen Ländern in einer Gesamtschau vorgestellt, die über nationale Grenzen hinaus für die Regulierung von Bedeutung sein können.
Abschließend wird ein Vertreter der Transport-Kommission der UNO in Genf, die auch für den internationalen Verkehr zuständig ist, einen Ausblick geben, welche Pläne dort bestehen, den Standard der europäischen Unfallregulierung auf der UN-Ebene abzubilden. Fast 70 Jahre nach der 1949 verabschiedeten UNO-Empfehlung Nr. 5, die Grundlage des Grüne-Karte-Systems wurde, besteht seitens der UNO Interesse an einer Weiterentwicklung des internationalen Opferschutzes.
Autor: Verena Bouwmann
RAin Verena Bouwmann, FAin für Verkehrsrecht, München
zfs 8/2017, S. 421