Move 2024: Das Imageproblem der Nachhaltigkeitskommunikation
Da macht man sich auf den Heimweg von der Move und stolpert als erstes über jemanden im „Fridays for Hubraum“-Kapuzenpulli. Noch am Vortag hatte Isabel Richter, Head of Sustainability Communication beim hubraumstarken Unternehmen BMW, konstatiert: „Nachhaltigkeit hat ein Imageproblem.“ Der Beweis folgte prompt. Wie dieses Imageproblem gelöst werden kann? Darüber sprachen Nachhaltigkeitsverantwortliche und Kommunikator:innen zwei Tage lang im Quadriga Forum in Berlin.
Rund zwei Drittel von ihnen, das ergab die Blitzumfrage zum Auftakt, arbeiten in Unternehmen, die bereits berichtspflichtig sind oder es in den nächsten Jahren werden. Passend dazu lag der inhaltliche Schwerpunkt der Move 2024 noch mehr als im Vorjahr auf der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung. Daneben war das Thema Greenwashing-Vermeidung sehr präsent. Apropos: Das auffallend junge Publikum diskutierte engagiert und stellte kritische Fragen, etwa beim Vortrag von Christian Rapp über die Nachhaltigkeitskommunikation der TUI. Gegen diese geht die Deutsche Umwelthilfe derzeit gerichtlich vor und beklagt irreführende Aussagen über zukünftige „klimaneutrale“ Kreuzfahrten.
Berichterstattung als transformative Kraft
Die Journalistin Clara Pfeffer (RTL / ntv) gab den anwesenden Kommunikator:innen Tipps, wie sie ihre Themen platzieren können. Vor allem gehe es darum, Relevanz herzustellen, etwa indem das Thema Klima mit aktuellen Auswirkungen auf das Leben der jeweiligen Zielgruppe verknüpft wird. Schließlich müsse sich jedes Thema im Newsroom der Redaktionen durchsetzen, bevor es in einem Massenmedium lande. Auch das Timing spiele eine entscheidende Rolle. Pfeffer wünschte sich eine bessere „Zukunftskommunikation“.
Über die „transformative Kraft der Nachhaltigkeitsberichterstattung“ sprach Astrid Bayer, Nachhaltigkeitsbeauftragte bei der Versicherung Provinzial. „Es ist gut, dass die Nachhaltigkeitsberichte von Wirtschaftsprüfern geprüft werden, denn so bekommt das Thema Aufmerksamkeit im Vorstand", sagte sie. Die Versicherungsbranche ist von Nachhaltigkeitsthemen besonders betroffen: Mit Investitionen, die fünfmal so hoch sind wie der Bundeshaushalt, hat die Branche eine große Wirkung. Gleichzeitig ist das Kerngeschäft der Versicherer stark von den Risiken des Klimawandels betroffen, wie die jüngsten Überschwemmungen gezeigt haben.
NGOs als „zweiter Aufsichtsrat“
In mehreren Programmpunkten ging es um das Verhältnis von Unternehmen und NGOs. So etwa in der Podiumsdiskussion „Kooperation oder Defensive“ – leider ohne Beteiligung der Nichtregierungsseite. Thorsten Pinkepank (BASF) betonte, dass der Austausch mit NGOs wertvolle Einblicke ermögliche und Informationen liefere, die sonst in Beratungen „teuer eingekauft“ werden müssten. Er sagte aber auch: „Dialog ist keine Neutralisierung“, er schütze nicht vor Kampagnen.
Sebastian Ackermann (MVV Energie) ging ebenfalls auf die Rolle der NGOs ein. Sie seien eine Art „zweiter Aufsichtsrat“, würden Unternehmen immer begleiten und hätten den Auftrag und die Rolle, unbequem zu sein. „Und das ist gut so“, so Ackermann.
Ambition, Regulierung und Rückhalt der Politik
Ein inhaltliches Highlight war die Podiumsdiskussion „Nachhaltige Transformation – zwischen Regulierung und nötiger Ambition“. Thomas Voigt, VP Corporate Communications der Otto Group, sagte im Gespräch mit Antje Rosin (WWF), Gabriele Hässig (P&G) und Moderatorin Anita Merzbacher (Uno Ino), er sorge sich um die kreativen Kommunikator:innen, denn Nachhaltigkeit sei immer mehr ein Thema „für Juristen und Number Cruncher“.
Auch Rosin sieht teilweise eine Überforderung durch die Regulierung, jedoch sei diese notwendig. Hässig hingegen bezeichnete die Regulierung als „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Wirtschaftsprüfer, Juristen und Serverbetreiber“. Viel wichtiger sei es zu schauen, welche Maßnahmen die Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen voranbringen – und welche nur Zahlen liefern.
Mit Blick auf die derzeit massenhaft direkt aus China importierten Produkte, die keinerlei europäischen Standards entsprächen („verklappter Sondermüll“), deren Einfuhr aber aufgrund der schieren Menge vom Zoll kaum kontrolliert werden könne, sagte Voigt: „Wenn die Politik nicht anfängt, das umzusetzen, was sie regulatorisch vorgibt, verliert sie den Rückhalt“.
Das Imageproblem der Nachhaltigkeitskommunikation
Zurück zum eingangs erwähnten „Imageproblem“: Laut Richter wird Nachhaltigkeit oft als komplex, abstrakt und negativ wahrgenommen. Sie appellierte daher an die Unternehmenskommunikator:innen, ihre Sichtweise zu ändern. Weg von der Krisenkommunikation und der reinen Erfüllung von Berichtspflichten hin zu dem, was Kommunikation leisten kann: Chancen aufzeigen, Menschen begeistern und etwas bewegen.
Es ist wünschenswert, dass dies gelingt und die Teilnehmenden der Move 2024 nach diesem Kongress nicht nur berichten, sondern auch begeistern. Dazu braucht es neben authentischer Kommunikation vor allem ambitioniertes Handeln. Nur so kann das nachhaltige Imageproblem gelöst werden.
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