[5] “ … Die Revision beanstandet zu Recht, dass das BG keine Feststellungen dazu getroffen hat, inwieweit sich der Umstand, dass die Kl. zum Zeitpunkt des Zweitunfalls den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, auf die von ihr erlittenen Verletzungen ausgewirkt hat.
[6] a) Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grds. Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurt. v. 12.7.1988 – VI ZR 283/87, VersR 1988, 1238, 1239; v. 5.3.2002 – VI ZR 398/00, VersR 2002, 613, 615 f. und v. 25.3.2003 – VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785, jeweils m.w.N.; BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217, 219 und v. 14.9.1999 – X ZR 89/97, NJW 2000, 280, 281 f.). In erster Linie ist hierbei nach der st. Rspr. des BGH das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (Senatsurt. v. 20.9.2011 – VI ZR 282/10, VersR 2011, 1540 Rn 14 m.w.N.). Daraus folgt, dass den Insassen eines Pkw, der entgegen § 21a Abs. 1 S. 1 StVO während der Fahrt den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, im Falle einer Verletzung infolge eines Verkehrsunfalls nur dann eine anspruchsmindernde Mithaftung trifft, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre (vgl. Senatsurt. v. 20.3.1979 – VI ZR 152/78, BGHZ 74, 25, 33 und v. 1.4.1980 – VI ZR 40/79, VersR 1980, 824 f.).
[7] b) Die danach gebotene Prüfung der Ursächlichkeit des Zweitunfalls für die von der Kl. erlittenen Verletzungen hat das BG versäumt. Es hat nämlich weder festgestellt, welche Verletzungen die Kl. erst durch den Aufprall des von dem Bekl. zu 1 gelenkten Pkw auf ihren Pkw erlitten hat, noch welche dieser Verletzungen darauf zurückzuführen sind, dass sie nicht angeschnallt war. Es führt dazu lediglich aus, die Kl. habe durch das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts zur Entstehung der weitreichenden körperlichen und darauf basierenden finanziellen Unfallfolgen maßgeblich beigetragen. Eine Begründung dafür findet sich in den Gründen des angefochtenen Urt. nicht. Es heißt dort lediglich, die Kl. sei durch den Aufprall aus dem Sitz gerissen und im Fahrzeug umhergeschleudert worden, was ohne Zweifel zumindest für gewisse weitere Verletzungen der Kl. mitursächlich gewesen sei. Welche Verletzungen tatsächlich hätten verhindert werden können, wenn die Kl. bei dem Zweitunfall angeschnallt gewesen wäre, ist nicht festgestellt.
[8] Das wäre zur Begründung einer darauf gestützten Mithaftung jedoch erforderlich gewesen, zumal vorliegend gerade auch angesichts der hohen Aufprallgeschwindigkeit zweifelhaft sein könnte, inwieweit das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts für die eingetretenen Verletzungen ursächlich war (vgl. Senatsurt. v. 20.3.1979 – VI ZR 152/78, a.a.O.).
[9] 3. Die Revision beanstandet zudem mit Recht, dass das BG der Kl. auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen überhaupt ein Mitverschulden wegen des Nichtanlegens des Sicherheitsgurts angelastet hat.
[10] a) Da die Bekl., wie das BG zutreffend erkennt, für die Folgen des Erstunfalls nicht einzustehen haben, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und ggf. welche der dabei entstandenen Verletzungen durch das Anlegen eines Sicherheitsgurts hätten vermieden werden können. Für die Haftung der Bekl. ist es deshalb unerheblich, ob die Kl. angeschnallt war, als sich der Erstunfall ereignete.
[11] b) Zum Zeitpunkt des Zweitunfalls bestand für die Kl., wie die Revision mit Recht geltend macht, keine Anschnallpflicht mehr, denn der Aufprall des von dem Bekl. zu 1 gelenkten Pkw ereignete sich nicht “während der Fahrt’ ihres eigenen Pkw. Wie der erkennende Senat entschieden hat, dauert die gem. § 21a Abs. 1 S. 1 StVO “während der Fahrt’ bestehende Anschnallpflicht zwar auch bei kurzzeitigem verkehrsbedingten Anhalten fort (Senatsurt. v. 12.12.2000 – VI ZR 411/99, VersR 2001, 524), doch war nach den vom BG getroffenen Feststellungen die Fahrt vorliegend dadurch beendet worden, dass der Pkw der Kl. unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Kl. mithin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO sogar dazu verpflichtet, nämlich um die Unfallstelle sichern zu können. Bei dieser Sachlage kann ihr nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der Zweitunfall ereignete.
[12] 4. Das angefochtene Urt. kann nach alledem keinen Bestand haben. Da aus den unter Ziffer II. 3. genannten Gründen keine weiteren Feststellungen zur Mitverursachung unter dem Gesichtspunkt des Nichtanlegens des...