" … 1. Gem. § 1 S. 1 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaskoversicherungsvertrag und den AKB der Bekl., steht der Kl. ein Anspruch auf Erstattung des Neupreises abzüglich einer Selbstbeteiligung von 150 EUR und des Restwertes von 1.120 EUR zu. Dabei besteht zunächst ein Anspruch auf Erstattung des Nettobetrages. Mehrwertsteuer wird gem. der zwischen den Parteien unstreitigen vertraglichen Vereinbarung nur erstattet, soweit diese bei der gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist."
2. Vorliegend beträgt der Neupreis für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug 18.000 EUR inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer. Diesen Betrag abzüglich der o.g. Abzüge hätte die Kl. erstattet verlangen können, wenn sie zu diesem oder einem höheren Preis ein Ersatzfahrzeug angeschafft hatte. Hätte sich die Kl. demgegenüber für eine fiktive Schadensabrechnung entschieden und kein Ersatzfahrzeug angeschafft, so dass tatsächlich keine Mehrwertsteuer angefallen wäre, hätte sie lediglich einen Anspruch auf den Nettoneuwert i.H.v. 15.126,05 EUR abzüglich Selbstbeteiligung und Restwert. Dieser Betrag stellt somit den mindestens durch die Bekl. zu erstattenden Betrag dar.
3. Zwar können die Grundsätze des Schadensersatzrechtes auf Kaskofälle grds. übertragen werden. Vorliegend gilt jedoch zu berücksichtigen, dass der Kl. nicht nur ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zusteht, sondern sie einen vertraglichen Anspruch auf Erstattung des Neupreises hat. Wenn sich die Kl. allerdings für die Anschaffung eines billigeren Fahrzeuges entscheidet, so darf ihr daraus kein Nachteil entstehen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Kl. aufgrund der Neupreisklausel ein Anspruch auf Zahlung des Nettoneupreises von 15.126,05 EUR zusteht, sowie aufgrund der vertraglichen Mehrwertsteuerregelung ein Anspruch auf Zahlung der tatsächlich von ihr entrichteten Mehrwertsteuer von 2.642,44 EUR. Hierin liegt auch keine unzulässige Vermischung von fiktiven und tatsächlich aufgewendeten Positionen, da es sich bei der Neupreisklausel und der Mehrwertklausel um zwei unterschiedliche vertragliche Regelungen handelt. Während erstere eine Erstattung des Neupreises unabhängig von einer tatsächlichen Ersatzbeschaffung vorsieht, ist die Mehrwertsteuer nur dann erstattungsfähig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich der vertragliche Erstattungsanspruch der Kl. aus zwei Komponenten zusammensetzt, dem fiktiven Nettoneupreis laut Gutachten und der tatsächlich – allerdings auf einen niedrigeren Nettokaufpreis – angefallenen Mehrwertsteuer. Die Auffassung der Bekl., dass der tatsächlich aufgewendete Kaufpreis von 16.500 EUR brutto die Obergrenze darstelle, würde zu einer Einschränkung des vertraglichen Anspruches der Kl. führen, da dadurch entweder der ermittelte Nettoneupreis oder die tatsächlich entrichtete Mehrwertsteuer gekürzt würde.
Die Urteile des BGH v. 1.3.2005 und v. 15.11.2005, auf die sich die Bekl. beruft, stehen der hier geäußerten Rechtsauffassung nicht entgegen. Beiden Urteilen liegt nämlich die Fallkonstellation zugrunde, dass der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis erwarb, der den vom Sachverständigen ermittelten Bruttowiederbeschaffungswert des Unfallgeschädigten Kfz überstieg. Nicht entschieden wurde dagegen der vorliegende Fall, bei dem der Bruttopreis des Ersatzfahrzeugs zwischen dem Brutto- und dem Nettowiederbeschaffungswert des beschädigten Kfz liegt. Das Urteil des BGH v. 1.3.2005 wird in der Literatur zudem so verstanden, dass der Erstattungsanspruch hinsichtlich des Mehrwertsteuerbetrags zu quoteln ist nach dessen Verhältnis des aufgewandten Kaufpreises für das Ersatzfahrzeug zum kalkulierten Bruttowiederbeschaffungswert laut Gutachten (Heinrich, NJW 2005, 2749, 2750), im Ergebnis also wie hier (ebenso Sterzinger, NJW 2011, 2181 ff.). Die genannten Urteile des BGH betreffen überdies die gesetzlichen Schadenersatzansprüche des Unfallgeschädigten, nicht aber die hier im Streit stehenden vertraglichen Ansprüche des kaskoversicherten Geschädigten. … “
zfs 9/2014, S. 516 - 517