Leitsatz
Eine Geruchsbelästigung der Mitmieter durch Zigarettenrauch kann eine Störung des Hausfriedens und eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten des Mieters darstellen.
Normenkette
§§ 535, 543, 569 BGB; §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3,18 WEG
Das Problem
Der 75-jährige B ist seit 40 Jahren Mieter einer Wohnung der K. K kündigt das Mietverhältnis gestützt auf § 569 Abs. 2 BGB fristlos und hilfsweise fristgemäß.
§ 569 BGB (Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund)
...
(2) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
§ 573 BGB (Ordentliche Kündigung des Vermieters)
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. […]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.
[…]
K bemängelt, dass aus B's Wohnung, der dort täglich 15 Zigaretten raucht, "Zigarettengestank" in das Treppenhaus gelangt. Dies liege daran, dass B seine Wohnung nicht ausreichend über die Fenster lüfte und die Aschenbecher in seiner Wohnung nicht leere.
- Das AG gibt der Räumungsklage statt, das LG weist B's Berufung zurück. Hiergegen richtet sich B's Revision.
Die Entscheidung
- Mit Erfolg! Zwar sei es richtig, dass eine Geruchsbelästigung der Mitmieter durch Zigarettenrauch, die ein Mieter durch einfache und zumutbare Maßnahmen (etwa die Lüftung über die Fenster) verhindern könnte, im Einzelfall eine Störung des Hausfriedens und eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten des Mieters (Gebot der Rücksichtnahme) darstellen könne – insbesondere, wenn die Intensität der Beeinträchtigungen ein "unerträgliches" und "gesundheitsgefährdendes" Ausmaß erreicht.
- Ob eine die fristlose Kündigung gemäß § 569 Abs. 2 BGB rechtfertigende "nachhaltige Störung des Hausfriedens" oder auch nur eine die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigende "schuldhafte nicht unerhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten des Mieters" vorliege, könne aber nicht geprüft werden. Die vom LG Düsseldorf vorgenommene Würdigung beruhe auf einer lückenhaften und unter Verletzung prozessualer Vorschriften erfolgten Tatsachenfeststellung.
Kommentar
Die Entscheidung, die hier aufgrund der Pressemitteilung des BGH vorgestellt wird, klärt zwar Fragen im Verhältnis der Mietvertragsparteien. Die Wertungen sind aber – wie zuvor bei der Entscheidung des BGH v. 16.1.2015, V ZR 110/14 – auf das Wohnungseigentumsrecht übertragbar. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass sich der VIII. Zivilsenat mit den Begriffen "unerträgliche Beeinträchtigung" und "gesundheitsgefährdendes Ausmaß" eng an den V. Zivilsenat anlehnt. Wohnungseigentumsrechtlich gehören sie zu §§ 14 Nr. 1 und 18 Abs. 1 WEG. Ein Wohnungseigentümer, der andere Wohnungseigentümer durch seinen Zigarettenqualm in der Gesundheit gefährdet – ein seltener, aber möglicher Fall – verstößt gegen seine Pflichten als Wohnungseigentümer und ihm droht der Entzug seines Wohnungseigentums.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Verwalter sollten vor allem beobachten, wie sich die Rechtswissenschaft der 2 "Raucherurteile" annimmt und welche Folgerungen sie daraus zieht. Mietrechtlich ist zu überlegen, die Hausordnungen anzupassen und dort – oder noch besser im Mietvertrag – "Pflöcke" einzuschlagen, was erlaubt ist; wobei Sonderfälle, wie etwa Schichtdienst, nicht aus dem Auge verloren werden dürfen. Wohnungseigentumsrechtlich sollten die Wohnungseigentümer gemeinsam mit dem Verwalter über Gebrauchsbeschlüsse nach § 15 Abs. 2 WEG nachdenken, die bestimmen, welches Rauchverhalten grundsätzlich erlaubt ist. Diese Beschlüsse machen aber dort einen Sinn, wo sie "bestimmt" genug gefasst sind. Denn das allgemeine regelt bereits § 14 Nr. 1 WEG.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 18.02.2015, VIII ZR 186/14