Leitsatz

Das OLG Naumburg hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine behauptete mangelhafte Werkleistung eines Unternehmens dazu verpflichtet, gem. § 249 HGB entsprechende Rückstellungen zu bilden. Jedenfalls für den Fall, dass ein Besteller bereits Klage wegen der behaupteten Mängel erhoben und ein Sachverständiger die Mängel teilweise bestätigt hat, bejahte das OLG diese Frage. Dies zog Schadensersatzansprüche gegen die ehemaligen Geschäftsführer der GmbH wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach sich.

Im vorliegenden Falle hatten die Kläger zunächst ein selbständiges Beweisverfahren wegen angeblicher Mängel der Werkleistung der M. GmbH eingeleitet. In diesem war ein Sachverständigengutachten erstellt worden, das das Vorliegen der Mängel teilweise bestätigte. Auf der Basis des Beweisverfahrens hatten die Kläger Klage auf Schadensersatz gegen die M. GmbH erhoben, welcher stattgegeben wurde. Da zu diesem Zeitpunkt bereits die Liquidation der Gesellschaft durchgeführt worden war, verklagten die Kläger sodann die ehemaligen Geschäftsführer und späteren Liquidatoren der M. GmbH wegen der Verletzung von Rückstellungspflichten auf Schadensersatz. Das OLG Naumburg gab ihnen schließlich recht. Die Beklagten hatten nach seiner Ansicht pflichtwidrig die Bildung von Rückstellungen aufgrund der seinerzeit behaupteten Mängel unterlassen. Da den unterbliebenen Rückstellungen keine ausreichenden Aktiva gegenüberstanden und auch die Fortführungsprognose negativ ausgefallen wäre, war die Gesellschaft nach Ansicht des OLG Naumburg bereits zur Zeit der Einleitung des Liquidationsverfahrens zahlungsunfähig und überschuldet im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO. Die Beklagten wären daher nach § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu stellen. Da sie dies unterließen, waren sie gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 64 Abs. 1 GmbHG gegenüber den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet. Als Altgläubiger der Gesellschaft konnten die Kläger den Schaden ersetzt verlangen, um den sich die Masse und damit ihre Quote infolge der Insolvenzverschleppung verringert hatte. Dieser belief sich vorliegend auf die volle Quote, da die Beklagten versäumt hatten, überhaupt Insolvenzantrag zu stellen und die Kläger daher gänzlich unbefriedigt geblieben waren.

 

Hinweis

Gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG trifft den Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Eine zur Stellung des Insolvenzantrages verpflichtende Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wobei für die Bewertung des Vermögens des Schuldners die Fortführung zugrunde zu legen ist, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, § 19 Abs. 2 InsO. Es kommt allein auf das Ergebnis der Überschuldungsbilanz an, das - je nach der Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung - unterschiedlich zu ermitteln ist. Ist bereits das Ergebnis der Überschuldungsbilanz zu Fortführungswerten negativ, besteht Insolvenzantragspflicht trotz positiver Fortbestehensprognose. Die Antragspflicht entfiele dann nur, wenn eine zusätzlich aufgestellte Überschuldungsbilanz zu Liquidationswerten die Deckung aller Verbindlichkeiten ergäbe, denn in einem solchen Fall könnten alle Gläubiger befriedigt werden.

Für den vorliegenden Fall stellte das OLG Naumburg klar, dass die Frage, ob eine Überschuldung anzunehmen sei, ausschließlich davon abhänge, ob auf der Passivseite unter der Position Rückstellung der Gesellschaft ein Betrag für die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung sowie für die voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits über diese Mängel aufzuführen gewesen war.

Gemäß § 249 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Die Verbindlichkeit muss aber hinreichend konkretisiert sein. Ferner muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen oder das Entstehen der Verbindlichkeit vorhanden sein. Die Gefahr einer Inanspruchnahme ist aus einer Prognose zu überprüfen, die sich an den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls nach den Maßstäben eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns orientiert. Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht demnach für die Rückstellungsbildung nicht aus.

All diese Voraussetzungen für die Rückstellungsbildung bejahte das OLG Naumburg im vorliegenden Falle, da die Beklagten aufgrund der Klage gegen die M. GmbH und des Sachverständigengutachtens mit einer Inanspruchnahme aus der - wenn auch noch im Hinblick auf Grund und Höhe ungewissen - Verbindlichkeit bereits ab dem Zeitpunkt der Erstellung der Liquidationsbilanz ernsthaft zu rechnen hatten. Es ...

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