Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers. Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Rückstellungspflicht bei behaupteten Mängeln
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls dann, wenn ein Besteller bereits Klage wegen behaupteter Mängel an der Werkleistung des Unternehmers erhoben hat und ein Sachverständiger diese Mängel - wenn auch teilweise - bestätigt hat, hat der Unternehmer Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 HGB einzustellen. Unterlässt der Geschäftsführer einer GmbH dies, macht er sich gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 1 GmbHG schadensersatzpflichtig, wenn den unterbliebenen Rückstellungen keine ausreichende Aktiva gegenüber gestanden haben und auch die Fortführungsprognose negativ ausgefallen wäre.
Normenkette
GmbHG § 64 Abs. 1, § 71 Abs. 4; InsO § 19 Abs. 2; HGB § 249; BGB § 823 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 29.05.2006; Aktenzeichen 11 O 31/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 29.5.2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an sie als Gesamtgläubiger 1.787,39 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.1.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 64 % und die Beklagten zu 36 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer der Parteien übersteigt 20.000 EUR nicht.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 5.001 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger machen gegen die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Liquidatoren über das Vermögen der Firma M. Schadensersatzansprüche geltend. Die Beklagten wurden mit Beschluss der Gesellschafterversammlung zu Liquidatoren der genannten Firma bestellt. Zuvor waren sie deren alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer.
Die aus Anlass der Liquidation zum 31.8.2000 erstellte Bilanz der Firma M. GmbH weist Forderungen i.H.v. 15.597,17 DM, Rückstellungen i.H.v. 5.000 DM, Verbindlichkeiten von 18.522,07 DM und einen Kassenbestand i.H.v. 7.974,07 DM auf. Wegen der Bilanz wird auf Bd. I Bl. 92 bis 97 d.A. Bezug genommen.
Die Bilanz zum 12.11.2001 weist einen Forderungsbestand von 5.967,72 DM, sonstige Vermögensgegenstände von 420,08 DM und einen Kassenbestand von 2.078,63 DM auf. Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 2.711,78 DM; die Rückstellungen auf 5.000 DM. Wegen der Bilanz wird auf Bd. I Bl. 104 bis 109 d.A. Bezug genommen.
Die Beendigung der Liquidation zum 12.11.2001 wurde am 13.11.2001 ins Handelsregister eingetragen.
Die Kläger leiteten gegen die Firma M. GmbH vor dem LG Magdeburg ein selbständiges Beweisverfahren ein, das unter dem Geschäftszeichen 4 OH 32/98 geführt wurde. In diesem erstattete der gerichtlich bestellte Sachverständige W. G. unter dem 31.8.1999 ein Sachverständigengutachten und unter dem 15.5.2000 eine ergänzende Stellungnahme. Wegen der Inhalte der gutachterlichen Feststellungen wird auf Bd. I Bl. 79 ff. und 183 ff. der beigezogenen Akten Bezug genommen. Sodann erhoben die Kläger Klage gegen die M. GmbH und beantragten, diese zu verurteilen an sie Schadensersatz i.H.v. 46.970,81 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Klageschrift wurde der seinerzeitigen Beklagten unter dem 19.7.2000 zugestellt. Der Rechtsstreit wurde vor dem LG Magdeburg unter dem Geschäftszeichen 9 O 1924/00 geführt.
Mit Urteil vom 6.4.2005 wurde die seinerzeitige Beklagte, die im Rubrum zwischenzeitlich mit dem Kürzel i. L. bezeichnet worden war, verurteilt, an die Kläger 23.489,49 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 11.10.1999 zu zahlen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagten seien gem. § 70 GmbHG verpflichtet, die Schulden der GmbH i. L. zu begleichen. In Ansehung ihrer Klage sei den Beklagten bekannt gewesen, dass eine Forderung gegen die M. GmbH bestanden habe. Gemäß § 73 Abs. 2 S. 2 GmbHG hätten die Beklagten im Rahmen der Liquidation eine Sicherheit in Höhe der Klagesumme leisten müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Beklagten hätten im Rahmen der Liquidation die ausstehende GmbH Stammeinlage nicht eingefordert.
Auch hätten die Beklagten ihre Pflicht zur Bildung einer Rückstellung in der Bilanz verletzt. Bereits nach Vorliegen des ersten Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren seien die Beklagten gehalten gewesen, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i.H.v. rund 50.000 DM bilden müssen.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.001 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, die Stammeinlage entsprechend den Daten in der Bilanz zum 31.12.1992 bis zu diesem Zeitpunkt vollständig eingezahlt zu haben. Der Beklagte zu 1) habe die Stammeinlage i.H.v. 70.000 DM am 2.6.2000 und i.H.v. 35.000 DM ber...