Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG, § 670 BGB, § 683 BGB, §§ 812ff. BGB
Kommentar
1. Ein Verwalter hatte im Juli 1986 ein auf dem Hinterhof eines gemeinschaftlichen Grundstücks befindliches Stallgebäude (Schuppen) sowie Begrenzungsstützmauern zum Nachbargrundstück abreißen lassen und im August 1986 den Auftrag vergeben, in diesem Zusammenhang anfallende Instandsetzungs-, Verputz- und Gartenarbeiten auszuführen. Die Werklohnzahlungen gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft in Höhe von knapp DM 38.000,- wurden in zwei Instanzen zurückgewiesen.
Im Dezember 1986 war noch ein die Auftragsvergabe des Verwalters nachgenehmigender Beschluss gefasst worden (Abriss des einsturzgefährdeten Schuppens sowie der einsturzgefährdeten Begrenzungsmauer zum Nachbargrundstück). Dieser Beschluss wurde von einigen Eigentümern angefochten; eine rechtskräftige Entscheidung ist noch nicht getroffen.
2. Die Werklohnansprüche wurden der Verwaltungsfirma abgetreten. Diese verteidigte ihre Handlungsweise unter Hinweis auf ihre Verpflichtung zur Abwehr akut drohender Gefahren und bezog sich bei unterstelltem Fehlen einer Vollmacht auf Aufwendungsersatzansprüche gemäß § 670 BGB, hilfsweise Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag.
3. Das KG Berlin verneinte eine Dringlichkeit der Auftragsvergabe durch die Verwaltung; Dringlichkeit bedeute, dass eine aus Zufall oder höherer Gewalt notwendig gewordene Instandhaltungsmaßnahme derart unaufschiebbar sei, dass vor der Ausführung kein Beschluss der Eigentümer mehr herbeigeführt werden könne. Es habe sich gezeigt, dass seit der Eigentümerversammlung vom Mai 1986 bis zum Abriss im Juni 1986 an der schlechten Bausubstanz des Stallgebäudes und der durch die Trennmauer verursachten Gefahrenlage keine Veränderungen eingetreten seien. Mit dem Abrissauftrag hätte der Verwalter ohne weiteres bis zur Einberufung einer weiteren Eigentümerversammlung zum Zweck der Beschlussfassung über die vorgeschlagene Abrissmaßnahme abwarten können. Der behaupteten Gefährdung der im Stallgebäude spielenden Kinder hätte durch massives Versperren des Hofzuganges bzw. notfalls durch Vernagelung des Zugangs vorgebeugt werden müssen. Der Verwalter hätte auch ausreichend Zeit gehabt, beschleunigt eine Eigentümerversammlung einzuberufen.
Weiterhin habe die Verwaltung die Werkaufträge nicht mit der Wirkung abgeschlossen, dass die Wohnungseigentümer persönlich auf Zahlung in Anspruch genommen werden könnten, da er vielmehr den Auftrag zwar im Namen der Eigentümer, jedoch mit Beschränkung der Werklohnzahlung aus der Instandhaltungsrücklage erteilt habe. Bei Instandhaltungsaufträgen eines Verwalters sei i. ü. davon auszugehen, dass dieser grundsätzlich Zahlung der Vergütung aus der Rücklage verspreche, weil er gehalten sei, die Finanzierung der im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit durchzuführenden Maßnahmen aus der Rücklage vorzunehmen und, falls diese nicht ausreichend sein sollte, vor Auftragserteilung für eine Auffüllung der Rücklage oder für eine Sonderumlage durch Beschlussfassung zu sorgen habe. Eine solche Zahlungsbeschränkung sei auch Vertragspartnern eines Verwalters erkennbar und liege im Interesse der Vertragspartner. Vorliegend wollte die Verwaltung ausdrücklich die einzelnen Eigentümer bei Auftragserteilung auch nicht uneingeschränkt persönlich zur Zahlung verpflichten. Aus diesem Grund müsse nun der Verwalter im Fall der Begründetheit des Werklohnanspruches Zahlung aus der Rücklage erbringen.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Urteil vom 18.11.1988, 6 U 6900/87)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Ob ein dringender Notfall für sofortiges Einschreiten eines Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG besteht, ist natürlich stets Einzelfalltatfrage. Das KG Berlin kam hier aufgrund der erwähnten Umstände zu dem Ergebnis, dass zumindest die hier erfolgten Auftragsvergaben ohne Beschlussermächtigung nicht als "erforderliche Maßnahmen" im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung anzusehen waren. Allerdings muss man bei einer solchen Entscheidung m.E. auf den Zeitpunkt der Verwalterentscheidung abstellen und darf nicht retrospektiv argumentieren, dass sich ein zu vorschnelles Handeln des Verwalters bereits daraus ersehen lasse, dass sich seit einer Versammlung (hier vom Mai 1986) bis zum Abriss (Juli 1986) die Gefahrenlage nicht verändert habe und eine dringliche Maßnahme wegen akuter Verschlechterung des Bauzustandes nicht geboten war. Kann ein Verwalter zu Recht von einer Gefahrensituation ausgehen (dies ist Tatfrage; Verwalter müssten sich hier Beweise geeignet sichern), ist ein sofortiges Handeln eines Verwalters zulässig, wenn nicht sogar verpflichtend geboten (um mögliche Folgeschäden zu vermeiden).
Vorliegend begründete der Senat seine Auffassung damit, dass eine konkret drohende Gefahr für die anstehenden Abriss- und Verputzarbeiten nicht bestanden hätte, zumal weniger einschneidende Maßnahmen (massives Versperren des Hofzuganges bzw. Vernagelung des Zuganges) die richtigen Gefahr...