Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 23 WEG, § 25 WEG, § 256 ZPO
Kommentar
1. In der Teilungserklärung war im vorliegenden Fall (wie häufig) u. a. vereinbart:
"Die Wohnungseigentümerversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. Ein Wohnungseigentümer kann sich nur durch den Verwalter; seinen Ehegatten oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen."
In einer Eigentümerversammlung wurde vor Eintritt in die Tagesordnung zur Geschäftsordnung mehrheitlich beschlossen, dass die Ehefrau eines Beteiligten und die Lebensgefährtin eines anderen Beteiligten an der Versammlung teilnehmen dürften. Dies wurde von einem Eigentümer beanstandet, der alle Beschlüsse dieser Versammlung anfocht und gleichzeitig Feststellung beantragte, dass auch bei zukünftigen Versammlungen nur die in vorstehend zitierter Vereinbarung der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Personen teilnehmen dürften, wenn nicht der Wohnungseigentümer, der eine andere Person als Beistand, Berater oder Vertreter teilnehmen lassen wolle, einen in seiner Person liegenden beachtlichen Grund oder ein im Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit eines Tagesordnungspunktes begründetes berechtigtes Interesse für die Teilnahme dieser Person darlege.
Die Anträge wurden zurückgewiesen
2. Formelle Anträge und Beschlüsse zu reinen organisatorischen Geschäftsordnungsfragen und zum Ablauf der Versammlung, wozu insbesondere auch Beschlüsse über Teilnahmeberechtigung außenstehender Dritter gehören, sind als spontane Organisationsentscheidungen zwar nicht isoliert anfechtbar, da sie sich in der Sache sofort erledigen und auch im Falle etwaiger gerichtlicher Ungültigkeitsentscheidungen nicht "rückabgewickelt" werden können; ein nach einem solchen rechtsbeeinträchtigenden Geschäftsordnungsbeschluss ergangener Sachbeschluss kann aber, jedoch auch nur dann mit Erfolg angefochten werden, wenn die fehlerhafte Geschäftsordnungsentscheidung kausal für den Fehler eines Sachbeschlusses geworden ist (vgl. h. M., u. a. auch die Ausführungen zur Organisationsverantwortlichkeit). Es entspricht auch allgemeiner Meinung, dass ein in der Beschneidung von Mitwirkungsrechten liegender Formmangel bei der Durchführung der Versammlung, wozu auch ein Verstoß gegen die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Wohnungseigentümerversammlung gehört, die Anfechtbarkeit der gefassten Sachbeschlüsse gemäß § 23 Abs. 4 S. 1 WEG nur dann begründet, wenn er für die Beschlussfassung im Ergebnis kausal (ursächlich) geworden ist. Im vorliegenden Fall wurde durch die beiden Begleitpersonen die Unbefangenheit der Versammlungsteilnehmernicht gestört und die Versammlung auch in sonstiger Weise nicht beeinträchtigt. Die beiden zugelassenen Personen hatten sich weder zu Wort gemeldet noch gar an der Abstimmung teilgenommen. Auch die anderen Eigentümer waren durch die Gegenwart dieser "stillen Zuhörer" in keiner Weise befangen gewesen, zumal auch die mitgeteilten Tagesordnungspunkte für eine derartige Befürchtung nichts hergegeben hätten. Damit war auch eine Kausalität für den Inhalt der hier gefassten Sachbeschlüsse zu verneinen. Theoretische Kausalitätsüberlegungen möglicher negativer Beeinflussung der Beschlussfassung genügten i. Ü. nicht. Der Antragsteller habe auch nichts dazu vorgetragen, welche Argumente er bei Abwesenheit beider Gäste/stillen Zuhörer zur Diskussion gestellt hätte, was für die Meinungsbildung der übrigen Versammlungsteilnehmer von Bedeutung hätte sein können.
Ob in diesem Zusammenhang das im WEG nicht einmal gesetzlich verankerte Prinzip der Nichtöffentlichkeit einer Versammlung gebiete, Dritte, wie z.B. Mieter, Hausmeister, Handwerker oder Buchprüfer, ggf. sogar die Presse als stille Zuhörer zuzulassen und mehrheitlich ein Anwesenheitsrecht dieser Personen zu beschließen, sofern nicht im Einzelfall Rechtsmissbrauch vorliege, könne vorliegend dahinstehen (bejahend insoweit Weitnauer, 8. Auflage § 23 Rz. 5 und Deckert in ETW, Gruppe 5, Seite 26). Auch die Entscheidung des BGH vom 29. 1. 1993 (WE 93, 165 =NJW 93, 1329) betreffe diese Fragen jedenfalls nicht unmittelbar, sondern habe nur einen Beschlussfall behandelt, den Beistand eines Wohnungseigentümers von der Versammlung auszuschließen. Vorliegend ging es um die Gültigkeit eines Geschäftsordnungs-Mehrheitsbeschlusses über die Zulassung "stiller Teilnehmer" an bzw. in einer konkreten Eigentümerversammlung.
3. Dem gestellten Feststellungsantrag habe i.Ü. das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO analog gefehlt. Der Antrag bezog sich auf eine abstrakte Auslegung der Gemeinschaftsordnung-Vereinbarung und die Anwendung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit einer Wohnungseigentümerversammlung, ohne auf eine aus einem greifbaren Sachverhalt entstandene konkrete Rechtsbeziehung Bezug zu nehmen. Er zielte auf eine allgemeine Gesetzesauslegung für zukünftige Versammlungen ab, betraf also lediglich eine abstrakte Rechtsfrage, was zur Verwerfung dieses Feststellungsantrages als unzulässi...