Leitsatz
In der Haftpflichtversicherung kann auch der Geschädigte ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren hat.
Normenkette
§ 156 VVG, § 256 Abs. 1 ZPO
Sachverhalt
Die Kl., ein Hoch- und Tiefbauunternehmen aus Österreich, erhielt vom Land X. (Österreich) den Auftrag, eine Richtungsfahrbahn der Westautobahn A 1 grundlegend zu sanieren.
Die Kl. beauftragte ihrerseits im Juli 1991 mit den Fugenschneid- und Fugenvergussarbeiten das Spezialunternehmen E. GmbH in C. (Deutschland). Etwa ein Jahr nach Beendigung der Arbeiten traten in der Betonfahrbahndecke Längsrisse auf, weil die Arbeiten der E. GmbH mangelhaft waren. Da über deren Vermögen im April 1994 das Konkursverfahren eröffnet worden war, musste die Kl. die Schäden durch ein anderes Unternehmen beheben lassen und hierfür Kosten in Höhe von ca. 785.000 DM aufwenden.
Die Kl. verlangte von der Bekl., dem Betriebshaftpflichtversicherer der Grundschuldnerin, Erstattung dieser Kosten in Höhe der Deckungssumme für Sachschäden von 500.000 DM. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass die Bekl. verpflichtet sei, dem Konkursverwalter insoweit Deckungsschutz zu gewähren. Der Konkursverwalter trat seine Ansprüche gegen die Bekl. aus dem Versicherungsfall an die Kl. ab und erhob selbst keine Klage auf Deckungsschutz.
Die Bekl. berief sich auf das Abtretungsverbot nach § 7 Nr. 3 der dem Vertrag zugrunde liegenden AHB sowie darauf, dass ihre Leistungspflicht aufgrund der Erfüllungsklausel in § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB und der Tätigkeitsklausel in § 4 I Nr. 6 b ausgeschlossen sei. Allerdings seien Tätigkeitsschäden aufgrund besonderer Vereinbarung bis zum Betrag von 50.000 DM abzüglich einer Selbstbeteiligung versichert. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil der Haftpflichtprozess noch nicht geführt sei.
Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen. Der Anregung der Kl., wegen des erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung angekündigten Hilfsantrags die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, ist es nicht gefolgt. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen und den im Berufungsverfahren wiederholten Hilfsantrag abgewiesen.
Die Revision der Kl. wurde nur hinsichtlich des Hilfsantrags angenommen. Sie hatte in diesem Umfang Erfolg.
Entscheidung
1. Das Berufungsgericht meine - so der BGH -, für den Feststellungsantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Erst nach Feststellung des Sachverhalts, von dem das Gericht im Haftpflichtprozess ausgehe, könne geprüft werden, ob und in welchem Umfang ein Deckungsanspruch aus der Betriebshaftpflichtversicherung bestehe.
2. Das sei nicht richtig.
a) Das Berufungsgericht habe nicht gesehen, dass nicht nur die nachfolgende, sondern auch die vorweggenommene Deckungsklage zulässig sei. Im vorweggenommenen Deckungsprozess sei grundsätzlich auf die Behauptung des Geschädigten abzustellen und nicht über den Haftpflichtanspruch zu entscheiden.
Zu einem vorweggenommenen Deckungsprozess komme es häufig dann, wenn der Versicherer aus versicherungsrechtlichen Gründen die Leistung verweigere und eine Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG setze, aber auch dann, wenn der Streit zwischen allen drei Beteiligten (VN, Versicherer, Haftpflichtgläubiger) im Wesentlichen um Fragen der Deckungspflicht gehe oder wenn - wie hier - der VN selbst zur Erfüllung des Haftpflichtanspruchs nicht in der Lage sei. Sei dagegen der Haftpflichtanspruch, etwa durch rechtskräftiges Urteil, festgestellt, könne der VN vom Versicherer Freistellung oder Zahlung verlangen (§ 154 Abs. 1 VVG).
b) In der Haftpflichtversicherung könne auch der Geschädigte ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe. Dies habe der BGH in mehreren Entscheidungen angenommen (BGH, Urteil v. 12.12.1963. II ZR 38/61 - VersR 1964, 156 unter I; BGH, Urteil v. 12.3.1975, IV ZR 102/74 - VersR 1975, 655 unter I b und BGH, Urteil v. 9.1.1991, IV ZR 264/89 - VersR 1991, 414). Auch in der Literatur werde ein solches Feststellungsinteresse bejaht, etwa wenn - wie hier - wegen Untätigkeit des VN die Gefahr bestehe, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren gehe (Langscheid in Römer/Langscheid VVG § 156 Rdn.1; Voit aa O § 156 Rdn.1; Johannsen r+s 1997, 309 [313]).
Der Grund dafür, dem Haftpflichtgläubiger ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung des Deckungsschutzes zuzubilligen, ergebe sich aus der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung, wie sie in den §§ 156, Abs. 1, 157 VVG zum Ausdruck gekommen sei. Diese Bestimmungen bezweckten den Schutz des Geschädigten; durch sie solle gewährleistet werden, dass die Versicherungsentschädigung ihm zugute komme (vgl. BGH v. 7.7.1993, IV ZR 131/92 - VersR 1993, 1222 unter 2 b und v. 8.4.1987 - IV a ZR 12/86 - VersR 1987, 655 unter I 3).
3. Da Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Bekl. dem Konkursverwalter Deckungsschutz zu gewähren ...