Einführung
Bei schweren Personenschäden ist für den Geschädigten der angemessene Ausgleich seines materiellen Schadens von besonderer Bedeutung, da es sich dabei zumeist um Schadenspositionen handelt, durch welche in seinem Alltag – anders als beim Schmerzensgeld – eine tatsächliche finanzielle Lücke entsteht. Nach einem Schadensereignis mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen steht der Geschädigte meist vor einem Doppelproblem: es sind finanzielle Mehraufwendungen zu tätigen (Zuzahlungen, Anschaffung von Hilfsmitteln, Fahrtkosten, ggf. Kosten für Betreuung von Kindern oder für die Haushaltsführung, etc.), während in der Regel infolge von Arbeitsunfähigkeit nicht nur die gewohnten Einnahmen wegfallen, sondern es zudem passieren kann, dass durch eine – aus welchen Gründen auch immer – nicht zeitnah erfolgende Schadenregulierung eine echte existenzielle finanzielle Not entsteht. Da es in der Praxis häufig kontrovers bewertete Problemstellungen gibt, besteht Bedarf einige ausgewählte Themen zu betrachten.
A. Beweisanforderungen
Für die Bestimmung der Höhe des zu erstattenden Schadens ist die Frage des heranzuziehenden Beweismaßstabes von zum Teil entscheidender Bedeutung. Während bei der haftungsbegründenden Kausalität der Strengbeweis nach § 286 ZPO zu führen ist, kommt dem Geschädigten im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität durch § 287 ZPO eine erhebliche Beweiserleichterung zugute. Da sich die Frage der Schadenhöhe erst stellt, wenn der Haftungsgrund geklärt ist, gilt grundsätzlich der Beweismaßstab des § 287 ZPO. Bei der Darlegung der materiell-rechtlichen Schadenspositionen ist daher von Seiten des Geschädigten seiner Beweislast genüge getan, wenn lediglich eine "überwiegende Wahrscheinlichkeit" für seinen Vortrag spricht. Der Geschädigte muss danach konkrete Anhaltspunkte für die Prognose dartun, wobei die Anforderungen an diese aber nicht überspannt werden dürfen, da die besonderen Schwierigkeiten für eine Prognose erst durch das von dem Schädiger verursachte Schadensereignis entstanden sind.
Fazit: Der Geschädigte genügt bezüglich der Darlegung der Schadenhöhe voll und ganz seiner Beweislast, wenn er dartut, dass für den behaupteten Schadenverlauf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, d.h. mehr als 50 %.
B. Verdienstausfall
Nach einem schädigenden Ereignis nimmt der Ausgleich des Verdienstausfallschadens für die Geschädigten eine zentrale Rolle ein. Der Verdienst ist schließlich die Grundlage des Lebensunterhaltes und der individuellen Lebensqualität.
I. Renteneintrittsalter
Bekanntermaßen wird aktuell das Renteneintrittsalter schrittweise auf das 67. Lebensjahr angehoben. Für alle Versicherten, die 1964 oder später geboren sind, beträgt ab 2031 das Renteneintrittsalter 67 Jahre. Das bedeutet, dass sich alle Versicherten, die 54 Jahre und älter sind, darauf einstellen müssen, erst ab dem 67. Lebensjahr Altersrente zu beziehen.
Bei der Regulierung von Verdienstausfallschäden kann man deshalb davon ausgehen, dass alle Personen, die früher als 1964 geboren wurden, entsprechend den veröffentlichten Renteneintrittsalter-Tabellen den Zeitpunkt für den Bezug von Altersrente als gesichert ansehen können.
Fraglich wird dies aber für die Zeit nach 2031, d.h. bei den Geschädigten die aktuell jünger als 54 Jahre alt sind. Es sind in der Politik und Wirtschaft starke Tendenzen vorhanden, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre, möglicherweise sogar 72 Jahre anzuheben. Führende Experten gehen davon aus, dass dies spätestens in den 2030er Jahren auch so kommen wird.
In der "Wirtschaftswoche" vom 20.9.2017 wird die aktuelle Situation sehr dezidiert und nachvollziehbar dargestellt. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters sieht der Autor als unabwendbar, weil die Altersstruktur der Arbeitnehmer und der Rentner sich dramatisch verschieben wird. Deutlich mehr Rentnern stehen dann deutlich weniger Beitragszahler gegenüber. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass eine entsprechende Anpassung in den Jahren zwischen 2030 und 2040 unausweichlich ist und kommen wird.
Beim 51. Verkehrsgerichtstag in Goslar 2013 wurde dieses Thema im Arbeitskreis "Erwerbsschadensermittlung bei Verletzung vor oder kurz nach dem Berufseinstieg" diskutiert, allerdings nicht in die Entschließungen aufgenommen. In der Diskussion wurde mehrfach dara...