1 Leitsatz
Die Klage auf Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums ist seit dem 1.12.2020 auch dann gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten, wenn eine Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2001 eine "Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer" vorsieht.
2 Normenkette
§ 12 WEG
3 Das Problem
Nach der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2001 bedarf die Veräußerung eines Wohnungseigentums "der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer". In der Wohnungseigentumsanlage gibt es nur die Wohnungseigentümer 1 und 2. Ende 2021 verkauft Wohnungseigentümer 1 sein Wohnungseigentum. Wohnungseigentümer 2 ist auch nach einer Aufforderung nicht bereit, der Veräußerung zuzustimmen. Wohnungseigentümer 1 klagt daher gegen Wohnungseigentümer 2, die Zustimmung zu erteilen. Das AG gibt der Klage statt, da kein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung bestehe. Wohnungseigentümer 1 sei mangels Aufforderung von Wohnungseigentümer 2 nicht gehalten gewesen, Erkundigungen über die Erwerberin einzuholen. Spätestens mit Übersendung der Selbstauskunft in dem Rechtsstreit lägen Wohnungseigentümer 2 die gewünschten Informationen vor. Dagegen wendet sich Wohnungseigentümer 2. Neben den Angaben zur Person der Erwerberin bedürfe es Angaben und Nachweise zu den monatlichen Einnahmen und Ausgaben, ggf. hilfsweise über das Aktiv- und Passivvermögen. Er sei "alarmiert", weil die Erwerberin offensichtlich den Kaufpreis finanzieren müsse.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat Erfolg! Das LG ist der Ansicht, Wohnungseigentümer 2 sei der falsche Beklagte. Wohnungseigentümer 1 hätte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagen müssen. Bei der Zustimmung zu einer Veräußerung des Wohneigentums handele es sich im Zweifel um eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, für das allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuständig sei (§ 18 Abs. 1 WEG). Von der Veräußerung betroffen sei nicht nur das Sondereigentum des veräußerungswilligen Wohnungseigentümers, sondern maßgeblich auch die Gemeinschaft. Durch das Erfordernis der Zustimmung solle daher ein Schutz dagegen erfolgen, dass das Wohnungseigentum in die Hand eines persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerbers gerate. Ferner spreche auch § 12 Abs. 4 WEG für eine Zustimmung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Im Jahr 2001 habe außerdem eine Zustimmung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht vorgesehen werden können. Dass es in der Wohnungseigentumsanlage nur 2 Wohnungseigentümer gebe, ändere nichts.
5 Hinweis
Im Fall geht es um das Verständnis einer Vereinbarung. Zu fragen ist, wer für die Zustimmung zu Veräußerung eines Wohnungseigentums zuständig ist. Nach dem Wortlaut der entsprechenden Vereinbarung sind die anderen Wohnungseigentümer zuständig. Das LG meint, diese Anordnung im Wege der Auslegung umdeuten zu können. Jedenfalls einer Gemeinschaft, in der es nur 2 Wohnungseigentümer gibt, ist diese Klärung wenig einleuchtend. Aber auch im Übrigen kann nach einer historischen Auslegung, nach dem Wortlaut der Vereinbarung und nach ihrem Sinn und Zweck, dem anderen Wohnungseigentümer eine Möglichkeit einzuräumen, zu überprüfen, wer neben ihm der weitere Wohnungseigentümer ist, es keinem Zweifel unterliegen, dass die Zustimmung nicht von der Gemeinschaft, sondern von dem einzigen weiteren Wohnungseigentümer zu erteilen ist. Ich selbst halte die Entscheidung daher nicht nur für falsch, sondern auch für lebensfremd. Es verursacht doch nur unnötige Kosten, wenn Wohnungseigentümer 1 jetzt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagt, vertreten durch Wohnungseigentümer 2, der allein berechtigt ist, den Willen der Gemeinschaft zu bilden. Mit solchen Entscheidungen verschreckt man die Wohnungseigentümer!
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Frage, wie man vor dem 1.12.2020 geschlossene Vereinbarungen im Zusammenhang mit einer Veräußerung verstehen muss, stellt sich in vielen Fällen, aber nicht in Bezug auf die Wohnungseigentümer, sondern auf die Verwaltungen. Denn in der Regel bestimmen die Veräußerungsbeschränkungen die Verwaltung als die Stelle, die einer Veräußerung zuzustimmen hat. Die Verwaltungen sollten daher die Entwicklung für die Frage, wer formal einer Veräußerung zuzustimmen hat, sorgfältig beobachten.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 15.6.2023, 2-13 S 92/22