Fachanwaltstitel erlischt nicht mit dem Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf
Die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung erlischt dann nicht automatisch mit dem Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf. Nach etwaiger Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft braucht der Anwalt nach einer neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Gestattung nicht erneut erwerben, sondern nur nachweisen, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung nachgekommen ist.
Rechtsanwaltskammer lehnt Erteilung einer Zusicherung ab
Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen Entscheidungen, die es der Beschwerdeführerin als früherer Rechtsanwältin verwehren, nach ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die bereits erworbene Fachanwaltsbezeichnung erneut zu führen.
Die Beschwerdeführerin war bis zum Jahr 2010 als Rechtsanwältin zugelassen und hatte die Erlaubnis erhalten, die Fachanwaltsbezeichnung für das Verwaltungsrecht zu führen.
- Nachdem sie eine unbefristete Tätigkeit im öffentlichen Dienst aufgenommen hatte, verzichtete sie auf die Rechte aus ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
- Zugleich beantragte bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer zugleich die Zusicherung, dass sie bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Fachanwaltsbezeichnung erneut führen dürfe, sofern sie ihrer Fortbildungspflicht nach § 15 FAO nachgekommen sei.
Anwaltskammer wollte Fachanwaltstitel nicht "einmotten"
Mit Bescheid vom 7. April 2010 lehnte die Rechtsanwaltskammer die Erteilung einer solchen Zusicherung ab. Die Fachanwaltsordnung sehe keine Rechtsgrundlage für die Wiedererteilung einer Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne neuerlichen Nachweis der praktischen Fähigkeiten nach § 5 FAO vor.
Gerichte stellen sich auf die Seite der Kammer
Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher die Beschwerdeführerin zuletzt die Feststellung beantragte, dass sie im Falle der erneuten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerruflich berechtigt sei, die Bezeichnung „Fachanwältin für Verwaltungsrecht" zu führen, soweit sie in der Zwischenzeit ihrer Fortbildungspflicht gemäß § 15 FAO genügt habe, wies der Anwaltsgerichtshof ab.
Durch das Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlösche auch die Gestattung zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung endgültig.
Auch der BGH wollte den Titel nicht wiederbeleben
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde vom BGH zurückgewiesen
. Mit Erlöschen der Anwaltszulassung habe sich die Befugnis der Beschwerdeführerin zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung gemäß § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) „auf andere Weise" erledigt, weil die Erlaubnis ohne die Rechtsanwaltseigenschaft der Beschwerdeführerin nicht mehr geeignet sei, rechtliche Wirkungen zu entfalten.
- Eine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führe nicht zum Wiederaufleben der erledigten Erlaubnis.
- Jedenfalls lasse sich aus dem Gesamtzusammenhang der die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung normierenden Vorschriften keine Legitimation für ein bloßes Ruhen der Befugnis für die Zeit einer erloschenen Rechtsanwaltszulassung ableiten.
BVerfG sieht Berufsausübungsfreiheit verletzt
Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet, entschieden dagegen die Karlsruher Verfassungsrichter. Die gerichtlichen Entscheidungen, die feststellen, dass die Beschwerdeführerin nicht befugt sei, ihre Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu führen, ohne erneut die Zulassungsvoraussetzungen der §§ 2 ff. FAO nachzuweisen, beschränkten die Beschwerdeführerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit.
Titel ohne gesetzliche Grundlage kassiert
Der Sache nach werde der Beschwerdeführerin untersagt, den einmal erworbenen Spezialisierungs- und Qualifizierungshinweis bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wieder zu nutzen.
- Dass ihr hiermit die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung nicht gestattet wird, stelle einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung dar.
- Der Eingriff ist laut Richterspruch verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt,
- weil er der gebotenen gesetzlichen Grundlage entbehrt.
In die Berufsausübungsfreiheit dürfe nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden, das seinerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genüge.
Diesem Gesetzesvorbehalt könne nicht nur durch Normen des staatlichen Gesetzgebers genügt werden, vielmehr seien Beschränkungen innerhalb gewisser Grenzen auch in Gestalt von Satzungen zulässig.
Nirgends geregelt, dass der Titel mit Rückgabe der Anwaltszulassung über Bord geht
„Obwohl hiernach im Allgemeinen auch die Fachanwaltsordnung als Satzungsrecht hinreichende Eingriffsgrundlage sein kann, haben die Fachgerichte hier mit den angegriffenen Entscheidungen den Vorbehalt des Gesetzes nicht beachtet“, befand das höchste deutsche Gericht.
Im maßgeblichen Gesetzes- und Satzungsrecht finde sich keine ausdrückliche Regelung, nach der die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung mit dem Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf mit der Folge erlischt, dass nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Fachanwaltsbezeichnung gemäß der allgemeinen Regeln für die erste Gestattung erneut erworben werden muss.
(BVerfG , Beschluss v. 22.10.2014, 1 BvR 1815/12).
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