Gesetzesentwurf zur flächendeckenden Anwaltsfortbildung u. a. berufsrechtlichen Fragen
Die flächendeckende Rechtsanwalts-Fortbildung ist kein neues Thema. Zuletzt hatte die Satzungsversammlung der Rechtsanwälte den Gesetzgeber aufgefordert, der ihr die Kompetenz dazu zu geben.
Grundpflicht zur Fortbildung nach § 43a Abs. 6 BRAO
Der Gesetzgeber solle eine Grundpflicht zur Fortbildung nach § 43a Abs. 6 BRAO regeln und zu diesem Zweck
- in § 59b Abs. 2 Nr. 1 BRAO einen neuen Buchstaben "Fortbildungspflicht" einfügen.
- Zugleich gab es auch EU-rechtlichen Druck, Änderungen am Berufsrecht der Rechtsanwälte vorzunehmen.
Bundesjustizminister Heiko Maas hatte bereits Ende Juli 2014 mitgeteilt, dass er beabsichtigt, die Anregung der Satzungsversammlung zu einer Änderung des § 59b BRAO aufzugreifen und zeitnah einen entsprechenden Regelungsvorschlag vorzulegen. Darauf wartete die Anwaltschaft bis zum 4.5.
Richtlinie 2013/55/EU sollte bereits umgesetzt sein
Die EU-Richtlinie 2005/35/EG über die Anerkennung der Berufsqualifikationen soll die Flexibilität der Arbeitsmärkte erhöhen und die automatische Anerkennung von Qualifikationen erleichtern.
Mit der Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie durch die Richtlinie 2013/55/EU wurden für den Bereich der reglementierten Berufe erleichterte Voraussetzungen für die vorübergehende und gelegentliche grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union eingeführt.
Diese Richtlinie war bis zum 18.2.2016 in nationales Recht umzusetzen. Es gab also Verzug in zwei Richtungen.
Gesetzentwurf vorgelegt - Fortbildungspflicht für alle + umfassende Änderungen im Berufsrecht
Am 4.5. hat der Justizminister den umfangreichen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vorgelegt.
Er kam darin , wenn auch verspätet, seiner Umsetzungspflicht nach. Die bereits bestehenden Regelungen über die Ablegung einer Eignungsprüfung für Rechtsanwälten und Patentanwälten aus anderen Mitgliedstaaten und Vertragsstaaten für die Zulassung zur deutschen Anwaltschaft, werden an die Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie angepasst.
Fortbildungspflicht für Berufsanfänger
Die Weiterbildung wird in zwei schritten gestärkt. Für Berufseinsteiger vorgesehen ist zunächst eine Verpflichtung in § 8 BRAO, im zeitlichen Zusammenhang mit der Zulassung Kenntnisse im Berufsrecht durch die Teilnahme an einer zehnstündigen Lehrveranstaltung nachzuweisen.
Kammerermächtigung für weitere Weiterbildung
Über diese 10 Stunden Berufsrecht hinaus,
wird der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer wie versprochen - durch eine Ergänzung des § 59 b Abs. 2 Nr .1 um ein „h“ - das Recht eingeräumt, weitere Regelungen zur Fortbildungspflicht der Rechtsanwälte nach § 43a Abs. 6 BRAO zu treffen, um die Qualität der anwaltlichen Beratung systematisch zu sichern.
Strafen für Fortbildungsmuffel
Verstöße gegen die Fortbildungspflicht sollen durch eine Rüge nach § 74 BRAO-E, verbunden mit einer Geldbuße von 2000 EUR, geahndet werden können.
Umfangreiche Änderungen des sonstigen Berufsrechts
Im Übrigen war man sehr fleißig im Umgang mit berufsrechtlichen Schwachstellen und zu klärenden Fragen sowie der Umsetzung von Gerichtsentscheidungen.
Es werden eine Vielzahl von Verwaltungs- und Organisationfragen des Rechtsanwaltsberufs angefasst,
- von der Handakte über die Zustellung von Anwalt zu Anwalt hin zur Berufshaftpflicht bei nur gelegentlicher Rechtberatung.
- Behandelt und konkretisiert wird das schon lange zu bestellende Feld der berufsrechtlichen Maßnahmen.
- Änderungen gibt es zum RDG, auch hier werden Konsequenzen aus der EU-Rechtsprechung gezogen.
- Es gibt, die Zeit läuft, Konkretisierungen zur Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs in § 31a BRAO-E.
- Ausführlich behandelt und geändert wird das Recht der Patentanwälte.
In anderen Berufen schon lange Sanktionen für Fortbildungsmuffel
Die Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte ist bisher allgemein und letztlich unverbindlich in § 43a Abs. 6 BRAO geregelt: „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden." Nimmt er die Fortbildung nicht ernst oder unterlässt er sie vollends, hat das auf seine Anwaltszulassung keine Auswirkung. Lediglich bei den Fachanwälten besteht eine Fortbildungspflicht, die zuletzt 2015 von 10 auf 15 Stunden jährlich erhöht wurde, und deren Verletzung den Entzug des Fachanwaltstitels zur Folge haben kann.
Punktsysteme und Strafen bis zum Zulassungsentzug
In anderen Berufen wie etwa bei den Ärzten oder Piloten ist eine derart laxe Handhabung undenkbar. So hat etwa der Gesetzgeber im Gesundheitssystem-Modernisierungs-Gesetz ein Fortbildungszertifikat der Kammern für Kassenärzte und Krankenhausärzte festgelegt. Innerhalb von fünf Jahren müssen sie 250 Punkten aus zertifizierter Fortbildung erzielen und die Bescheinigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Fachärzte im Krankenhaus dem ärztlichen Direktor der Klinik vorlegen. Erweist sich ein GKV-Vertragsarzt als Fortbildungsmuffel, so wird ihm im ersten Jahr nach dem Stichtag 10 Prozent, im zweiten Jahr 30 Prozent vom Budget abgezogen.
Fruchtet das nicht, muss die KV den Entzug der Kassenzulassung beantragen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist aufwändig
Bis es zu einer allgemeinen anwaltlichen Fortbildungspflicht kommt, dürfte allerdings noch etwas Zeit vergehen. Die Schaffung der Ermächtigungsgrundlage durch den Gesetzgeber ist der erste Schritt. Danach muss dann die Satzungsversammlung die Details regeln.
- Was gilt überhaupt als Fortbildung?
- Wie viele Stunden müssen es jährlich sein.
- Zählen nur Präsenzveranstaltungen oder auch Online-Kurse.
Bei derzeit rund 160.000 Anwälten ist auch die Frage der Kontrolle wichtig. Denn die Kammern allein dürften mit der Überwachung jedes einzelnen Anwalts überfordert sein. Hier wird man am Ende wohl mit einer Meldepflicht des Anwalts arbeiten – ganz ähnlich wie es derzeit schon bei den Fachanwälten läuft.
Angst vor Brüssel
Die neuerliche Diskussion um die sanktionierte anwaltliche Fortbildungspflicht, die schon über hundert Jahre alt ist, hat aus Sicht des Berufsstandes einen handfesten Hintergrund. Denn das anwaltliche Beratungsmonopol nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz lässt sich politisch nur halten, wenn die Qualität der anwaltlichen Dienstleistung stimmt und durch Fortbildung aufrechterhalten wird. Ansonsten könnte der europäische Gesetzgeber auf den Gedanken kommen, die Zugangsbarrieren zum deutschen Rechtsberatungsmarkt über ein Vertragsverletzungsverfahren einzureißen.
-
Anwalt darf die anwaltlich vertretene Gegenseite nicht direkt kontaktieren
1.221
-
Angemessene Beileidswünsche beim Tod von Mitarbeitern, Mandanten und Geschäftspartnern
1.1091
-
Fristverlängerung bei Gericht beantragen - Fehlerquellen und Haftungsgefahren
867
-
Abschreibung: Gebrauchter PKW als Geschäftswagen sinnvoll?
736
-
Drohung des Anwalts mit Mandatsniederlegung zur Unzeit
5372
-
Anwalt muss laut BGH auf Mandantenfrage unverzüglich antworten
4381
-
Beziehung gescheitert, Geschenke zurück?
399
-
Wegfall der Geschäftsgrundlage - gelingt selten oder nie
397
-
Wann macht eine Streitwertbeschwerde Sinn?
391
-
Gegenstands-, Streit- und Verfahrenswert als Grundlagen der Wertberechnung
346
-
Krümelmonster mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt
17.11.2024
-
Täglich schreiender Mann vor dem Gericht und keine Abhilfe
10.11.2024
-
Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung
30.10.2024
-
Erhöhte Anwaltsvergütung wegen widersprüchlicher Mandantenangaben
29.10.2024
-
Online-Bewertung „Nicht besonders fähiger Rechtsanwalt“
23.10.2024
-
Nudelkochender Kita-Einbrecher und andere Skurrilitäten
20.10.2024
-
Anwälte dürfen Akten an externe Gutachter herausgeben
10.10.2024
-
Keine Vorabschätzungspflicht bei anwaltlichen Stundensätzen
02.10.2024
-
Anwaltliche Fristenkontrolle im Homeoffice
30.09.2024
-
Sind „Gaming Accounts“ vererbbar?
29.09.2024