Legal Tech - ein Thema erobert die Medien und die Kanzleien


Legal Tech - ein Thema erobert die Medien und die Kanzleien

Schneller, besser, billiger – so lautet das Versprechen der Digitalisierung für Anwälte und Mandanten. Neue Technologie wird nicht nur den Kanzleialltag effizienter gestalten, sondern der Rechtsdienstleistungsbranche auch neue Akteure und Geschäftsmodelle bescheren. Wo geht die Legal Tech-Reise hin und wer werden die Gewinner und Verlierer sein?

Seinen Dämonen soll man sich stellen. Das ist nur einer der Gründe, sich als Anwalt mit dem Thema Legal Tech auseinander zu setzen.

Kaum ein juristischer Newsletter oder ein großes Nachrichtenportal, das nicht schon darüber spekuliert hat, was die Digitalisierung vom Beruf des Rechtsanwalts übrig lassen wird. Legal Tech-Konferenzen in Berlin, München und Hamburg – und sogar der altehrwürdige Deutsche Anwaltstag steht in diesem Jahr ganz im Schatten von „Innovation und Legal Tech“.

Für Angehörige der Rechtsberatungszunft ist es also gar nicht so leicht, das Thema Digitalisierung zu ignorieren. Daher scheinen auch die meisten von ihnen sich bereits eine Meinung gebildet zu haben.

Von der Mandantenakquise im Netz bis zur automatisierten Fallbearbeitung

Doch worüber überhaupt? Schließlich ist Legal Tech inhaltlich gar nicht so leicht einzufangen. Aus anwaltlicher Sicht sind vor allem folgende Aspekte der Digitalisierung von Interesse:

1.    EDV-gestützte Kanzleiorganisation

2.    Online-Mandatsanbahnung

3.    Automatisierte rechtliche Arbeitsprozesse

Eine scharfe Abgrenzung ist hier weder möglich noch notwendig. Das zeigen die existierenden und sich abzeichnenden Legal Tech-Geschäftsmodelle, die mehrere oder alle dieser Punkte kombinieren und optimieren.

Die auf Informationstechnologie beruhende Kanzleiorganisation gibt es praktisch seitdem in den Anwaltsbüros bzw. den dazugehörigen Vorzimmern die ersten Computer aufgebaut wurden.

Eine leistungsstarke Kanzleisoftware gehört heute zum Standard. Und wer als Anwalt Wert auf Effizienz legt, sitzt an einem Arbeitsplatz mit Doppelbildschirm, arbeitet mit elektronischen Akten, schreibt mit Spracherkennungssoftware und recherchiert online.

Mandantenakquise findet dort statt, wo sich der potentielle Neukunde aufhält. Und das ist zunehmend das Internet. In vielen Segmenten der Rechtsberatung vertrauen Mandanten dem Suchalgorithmus von Google und den Bewertungen auf einschlägigen Portalen schon längst mehr als dem Erfahrungsbericht des Nachbarn („Frag mal den, vielleicht macht der ja auch Scheidungen…“). Der lokale Vorteil des „Anwalts um die Ecke“ wird bei der Mandantengewinnung weiter an Boden verlieren – zu Gunsten von ortsungebunden agierenden Spezialisten.

Der dritte Aspekt von Legal Tech, die Automatisierung des Kerns juristischen Arbeitens, der rechtlichen Prüfung und Gestaltung, ist in den meisten Kanzleien noch kein Thema – abgesehen von Tools zur Berechnung von Steuern, erbrechtlichen Ausgleichsansprüchen etc.

Immer bessere Software mit einer immer größeren Datengrundlage soll dies ändern und künstliche Intelligenz wird die Grenzen der Anwendung von Algorithmen in der Rechtsberatung immer weiter verschieben.  In diesem Bereich positionieren sich auch Großkanzleien, die sich zum Beispiel bei Transaktionen für die Due Diligence Einsparpotential durch die digitale Erfassung und Auswertung von Verträgen versprechen.

Geschäftsmodelle auf die die Welt gewartet hat

Es dürfte weniger eine Frage sein, ob die sich abzeichnenden Entwicklungen eintreten, sondern vielmehr wann sie eintreten. Die bisherigen Legal Tech-Geschäftsmodelle sind deshalb so erfolgversprechend, weil sie Verbrauchern und Unternehmen einen wirklichen Mehrwert im Vergleich zur klassischen Rechtsberatung liefern.

  • Würden Sie bei einem verspäteten Flug einen Rechtsanwalt bemühen – ohne zu wissen, was der kostet und ob er sich mit Fluggastrechten auskennt? Nein? Das müssen Sie auch nicht, weil Sie im Internet innerhalb von Sekunden einen Anbieter finden, der innerhalb von Stunden für Sie Bares aus Ihren etwaigen Entschädigungsansprüchen macht.
  • Viele Harz IV-Empfänger dürften bisher – vor allem in Anbetracht eines möglichen Kostenrisikos – den Gang zum Anwalt gescheut haben, wenn sie den Verdacht hatten vom Jobcenter einen unkorrekten Bescheid bekommen zu haben. Heute fordert ein Legal Tech-Startup im Netz Hartz IV-Bezieher auf, den Bescheid einfach per WhatsApp zu schicken – für eine kostenlose Prüfung durch einen Algorithmus – inklusive formuliertem Widerspruch.
  • Nicht nur Verbrauchern eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Durchsetzung ihrer Rechte. So waren Musik-Produzenten, Filmschaffende oder Programmierer von Computer-Spielen vor 10 Jahren noch hilflos den millionenfachen Urheberrechtsverletzungen in Internet-Tauschbörsen ausgeliefert. Dann kamen die berüchtigten Abmahn-Kanzleien, die sich gemeinsam mit spezialisierten IT-Unternehmen und digitaler Fallbearbeitung dem Problem annahmen.

Wo spielt Legal Tech schon eine Rolle?

Betroffen von Legal Tech sind bisher nur Teilbereiche der Rechtsberatung. Viele anwaltliche Kollegen glauben auch, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung außerhalb des Massengeschäfts beschränkt seien – vor allem bei komplexen Gestaltungen oder Konflikten. Außerdem sei der „menschliche“ Faktor nicht zu unterschätzen, also zum Beispiel der Instinkt sowie die Lebens- und Menschenkenntnis des erfahrenen Anwalts. Manche Angelegenheiten, so eine verbreitete Ansicht, seien zu wichtig, um sie Maschinen zu überlassen.

Aber muss man nicht auch fragen, ob manche Angelegenheiten zu wichtig sind, um sie Menschen zu überlassen? Schließlich ist Irren menschlich und Anwälte sind auch nur Menschen – mit Schwächen, Vorurteilen, Abneigungen etc.

Mehr Fälle für weniger Anwälte?

Wie viel Jobs die Digitalisierung in deutschen Kanzleien mittel- und langfristig kosten wird, ist natürlich noch völlig offen.

  • Einerseits erhöht sich die Gesamtzahl der Mandate bzw. Fälle aufgrund der neuen Geschäftsmodelle dramatisch. Das Angebot an vereinfachten, günstigen Zugang zu Rechtsdienstleistungen wird ohne Frage auf entsprechende Nachfrage stoßen.
  • Andererseits wird der einzelne Fall durch die spezialisierte und effizientere bzw. sogar automatische Bearbeitung immer weniger anwaltliche Mitwirkung erfordern.

Daher wird sich auch nicht jeder Anwalt wegen Legal Tech neu erfinden müssen. Manche werden auch einfach vom Markt verschwinden. Sorgen sollten sich vor allem die Kollegen machen, die bisher haben trotz fehlender Effizient und Transparenz gut im Geschäft sind.