Nur für Amtsträger eine Straftat
Der Straftatbestand der Rechtsbeugung ist seit dem 1.1.2000 in § 339 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Mit der Grundsatzentscheidung vom 16.11.1995 hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur Rechtsbeugung geändert.
Verwirklichung des Delikts
Nach dem Gesetzeswortlaut liegt Rechtsbeugung vor, wenn ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft (§ 339 StGB).
Wer kommt als Täter in Betracht?
Rechtsbeugung ist ein Sonderdelikt, d.h. ein Delikt, das nicht jedermann, sondern nur ein bestimmter Personenkreis begehen kann. Dazu gehören:
• Berufsrichter und ehrenamtliche Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB),
• andere Amtsträger, sofern sie eine Rechtssache wie ein Richter zu leiten oder zu entscheiden haben wie Rechtspfleger, Staatsanwälte und Schiedsrichter im Sinne des 10. Buchs der Zivilprozessordnung.
Tathandlung
Tathandlung ist die bewusst falsche Anwendung des Rechts zum Vor- oder Nachteil einer Partei. Vom Begriff „Recht“ im Sinne des § 339 StGB sind erfasst:
• Gesetzesrecht,
• Gewohnheitsrecht und
• das von den Parteien geschaffene Vertragsrecht.
• Nach herrschender Ansicht auch überpositives Recht, wobei Rechtsbeugung nur in Betracht kommt, wenn sich positives Recht so offenkundig als gesetzliches Unrecht erweist, dass es „unter Missachtung der Menschenwürde Gerechtigkeit nicht einmal mehr anstrebt“ .
Der Täter kann neben materiellem Recht auch Verfahrensrecht verletzen.
Als Verfahrensrechtsverletzungen kommen z.B. in Betracht die Nichterhebung von Beweisen, eine Entscheidung trotz Unzuständigkeit oder die Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes. Verfahrensfehler stellen nur dann eine Rechtsbeugung dar, wenn elementare Rechtsverstöße vorliegen, bei denen sich der Täter bewusst und in schwerer Weise von Recht und Gesetz entfernt.
Konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung bei Verfahrensverstößen
Bei Verfahrensfehlern ist notwendig, dass durch den Verstoß die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet wird, ohne dass ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss.
In Spruchkörpern, die aus mehreren Richtern bestehen, begeht ein Richter, der gegen eine rechtsbeugerische Entscheidung stimmt, aber von der Mehrheit überstimmt wird, nach herrschender Meinung keine Rechtsbeugung und leistet auch keine Beihilfe hierzu
Trotz Beratungsgeheimnisses (§ 43 DRiG) kann eine Beweisaufnahme über das Abstimmungsverhalten durchgeführt werden. In einem Ermittlungsverfahren oder in Verfahren bei Verwaltungsbehörden darf das Beratungsgeheimnis nicht preisgegeben werden. Soll ein Richter vor Gericht als Zeuge vernommen werden, so trifft diesen keine Aussagepflicht, ihm steht aber ein Aussagerecht zu. Ob und inwieweit der Richter über den Hergang bei Beratung und Abstimmung aussagt, bestimmt er nach pflichtgemäßem Ermessen selbst.
Subjektiver Tatbestand
Der Vorsatz muss sich darauf richten, das Recht zugunsten oder zuungunsten einer Partei zu verletzten. Einer besonderen Absicht bedarf es nicht. Die Vorstellung „das Richtige zu tun“, steht bei bewusster Entfernung vom Gesetz dem direkten Vorsatz nicht entgegen . Bedingter Vorsatz reicht aus. Dieser soll erst dann vorliegen, wenn der Richter die Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit der Rechtsansicht billigend verinnerlicht .
Bedingter Vorsatz reicht
Die ausdrückliche Anerkennung des bedingten Vorsatzes durch den BGH erfolgte im Jahr 1994. Zuvor wurde der subjektive Tatbestand auf direkten Vorsatz beschränkt und so eng ausgelegt, dass es kaum zu Verurteilungen wegen Rechtsbeugung kam. Der Bundesgerichtshof bedauerte in seinem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1995 selbst, dass auf Grund „folgenschweren Versagens der bundesdeutschen Justiz“ NS-Richter nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sind.
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