Haftung nach § 25 HGB aus Firmenfortführung auch bei Geschäftsbezeichnungen?
Hintergrund
Der Ehemann der Beklagten hatte mit der unter seinem Namen hinzugesetzten Bezeichnung „Hotel Stutenhaus“ einen Steuerberatungsvertrag mit der Klägerin geschlossen.
Nach diesem Vertragsschluss wechselte die Inhaberschaft des Hotels vom Ehemann der Beklagten auf die Beklagte selbst. Beim Inhaberwechsel tauschte die Beklagte den der Geschäftsbezeichnung ursprünglich beigefügten Namen ihres Ehemanns gegen ihren eigenen Namen aus, d.h. änderte den Vornamen.
Die Klägerin macht nun gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aufgrund des Steuerberatungsvertrags geltend.
Das Urteil des OLG Brandenburg vom 24.06.2020, Az. 7 U 44/19
Nach dem OLG Brandenburg haftet die Beklagte nicht für die Zahlungsverpflichtungen nach dem von ihrem Ehemann mit der Klägerin abgeschlossenen Steuerberatungsvertrag. Denn die Beklagte habe keine Firma i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB fortgeführt.
§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB sei weder direkt noch analog auf die Fortführung einer bloßen Geschäfts- bzw. Etablissementbezeichnung anwendbar. Denn der Rechtsverkehr verstehe unter solchen Bezeichnungen gerade bei Hotels/Gaststätten (wie „Hotel Stutenhaus“ im vorliegenden Fall) keine Firma im handelsrechtlichen Sinn, weil nicht auf den Inhaber des Unternehmens, sondern nur auf das Unternehmen selbst hingewiesen werde. Für eine analoge Anwendung fehle es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, unter anderem aufgrund der klaren Regelung des § 25 HGB.
Zudem werde auch die Unternehmenskontinuität insofern in Frage gestellt, als die Beklagte den Vornamen ausgetauscht und damit der Geschäftsbezeichnung ihren eigenen bürgerlichen Namen hinzugefügt hat. Für eine Firmenfortführung sei zumindest Voraussetzung, dass der prägende Teil der alten in der neuen Firma beibehalten wird. Damit würde gewährleistet, dass die neue Firma vom Rechtsverkehr noch mit der alten Firma identifiziert werden könne. Eine Geschäftsbezeichnung habe jedoch nicht ein solch überragendes Gewicht, dass der (veränderte) Name des Inhabers als Teil der firmenähnlichen Bezeichnung seine prägende Stellung verlöre.
Anmerkung
Das Urteil stellt klar, dass aufgrund der klaren Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB zwischen Firma und sonstiger Geschäftsbezeichnung differenziert werden muss und die Fortführungshaftung nur für Firmen im handelsrechtlichen Sinn gilt.
Dennoch sollten Erwerber auch bei sonstigen Geschäftsbezeichnungen genau abwägen, auf welche Weise sie diese Bezeichnungen fortführen wollen. Denn eine Haftung des Erwerbers ist in diesem Zusammenhang nicht gänzlich ausgeschlossen. So ist zumindest in einem Fall des OLG Düsseldorf (Urteil v. 12.07.1990, Az. 6 U 264/89) eine Firmenfortführung mit der Folge der Haftung für Altschulden bejaht worden, weil der prägende Teil einer früheren Firma (einer GmbH) als reine Geschäftsbezeichnung (einer Gaststätte) fortgeführt wurde. Außerdem gelten stets die allgemeinen Rechtsscheingrundsätze (deren Voraussetzungen aber im vorliegenden Fall nicht gegeben waren).
Weitere News zum Thema:
Haftung für Altschulden beim Kauf eines Handelsgeschäfts vom Eigenverwalter?
Risiko der strengen Ausfallhaftung beim Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7762
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.549
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.499
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.435
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.364
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.337
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.190
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.155
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
1.126
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
9861
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024
-
Entscheidung zu drittstaatlichen Subventionen billigt Durchsuchung eines chinesischen Konzerns
15.10.2024
-
Neues zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
15.10.2024
-
Rechtliche Aspekte beim KI-Einsatz in Unternehmen
10.10.2024
-
Doch kein Monster: Ein Jahr Hinweisgeberschutzgesetz
09.10.2024
-
Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste im einstweiligen Rechtsschutz
08.10.2024