Rechtsfolge verbotener Einlagenrückgewähr
Hintergrund
Eine Aktiengesellschaft veräußerte im Jahre 1995 sämtliche Geschäftsanteile einer Tochter-GmbH an eine Aktionärin (Holding-GmbH). Nachdem über das Vermögen der AG ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, klagte der Insolvenzverwalter gegen die Holding-GmbH auf Rückgewähr der Geschäftsanteile aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 ff. BGB). Der Kaufvertrag sei wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) gemäß § 134 BGB nichtig, da die Geschäftsanteile damals weit unter Wert veräußert worden seien.
Die Entscheidung des OLG München (Urteil vom 10.5.2012, Az. 14 U 2175/11)
Das OLG München verneinte einen Rückgewähranspruch aus Bereicherungsrecht. Ob die Geschäftsanteile tatsächlich unter Wert an die Aktionärin veräußert wurden und damit eine nach § 57 AktG verbotene Einlagenrückgewähr vorgelegen habe, ließ das Gericht dahinstehen. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führe nach § 134 BGB nur dann zur Nichtigkeit des Geschäfts, wenn sich aus dem Gesetz, gegen das verstoßen wird, nichts anderes ergebe. Im Aktiengesetz sei die Rechtsfolge einer verbotenen Einlagenrückgewähr jedoch in § 62 AktG geregelt. Diese Rechtsfolge sei nicht die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts (die in diesem Fall auch zu einer Nichtigkeit des Übertragungsaktes geführt hätte), sondern lediglich ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft. Damit waren Verkauf und Übertragung der Geschäftsanteile im Jahre 1995 wirksam und unterlagen lediglich einem Rückgewähranspruch der Gesellschaft aus § 62 AktG. Dieser verjährte jedoch gemäß § 62 Abs. 3 a.F. innerhalb von 5 Jahren nach der Veräußerung (heute: 10 Jahre).
Anmerkung
Das Urteil des OLG München betrifft die in der Literatur sehr umstrittene Rechtsfrage, ob ein Rechtsgeschäft, das gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt, nichtig ist. Hintergrund des Meinungsstreits ist eine alte Rechtsprechung des Reichsgerichts aus den Jahren 1911 bis 1935. Das Reichsgericht hielt die der Einlagenrückgewähr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot für nichtig. Damals war der Rückgewähranspruch jedoch noch nicht wie heute in § 62 AktG eigens geregelt. Das Reichsgericht musste daher den Weg über die Nichtigkeit gehen, um zu einem Rückforderungsanspruch der Gesellschaft zu kommen. Das OLG München hält dies nach Einführung des § 62 AktG zu Recht für obsolet. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, die Rechtsfolgen verbotener Einlagenrückgewähr in § 62 AktG zu regeln. Diese – ausführliche und strenge – Regelung ist als abschließend anzuerkennen. Zwei parallele Anspruchsgrundlagen sind nicht erforderlich. Da sich Voraussetzungen und zulässige Einwendungen bei beiden Anspruchsgrundlagen unterscheiden, entstünde Unsicherheit für den Rechtsverkehr. Wurde das betroffene Wirtschaftsgut in der Zwischenzeit weiter veräußert, stellten sich zudem Fragen des gutgläubigen Erwerbs.
Relevant wird die neue Rechtsprechung v.a. bei der Frage der Verjährung. Der Rückgewähranspruch aus § 62 AktG verjährt gemäß § 62 Abs. 3 innerhalb von 10 Jahren nach dem Empfang der Leistung, während die Verjährung bei Bereicherungsansprüchen erst mit Kenntniserlangung vom Nichtigkeitsgrund beginnt. Daher konnten sich insbesondere Insolvenzverwalter auch nach vielen Jahren noch auf die Nichtigkeit berufen. Die Frist von 10 Jahren schafft dem gegenüber klare Verhältnisse und trägt so zum Rechtsfrieden bei. Abzuwarten bleibt, ob sich der Bundesgerichtshof dem Urteil des OLG München anschließt. Weil die Entscheidung grundsätzliche Rechtsfragen betrifft, hat das OLG München die Revision zum BGH zugelassen.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel und Dr. Sven Ufe Tjarks, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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