Aufklärungsdefizite bei Geldanlagen führen nicht zwingend zur Bankhaftung
Der Kläger nahm die beklagte Bank auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung und wegen Verschweigens von Rückvergütungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Medienfondsanteils in Anspruch. Der Kläger ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Betriebswirt. Seit 1970 ist er Kunde der Bank und kapitalmarkterfahren.
Kapitalanlage teilweise mit Darlehen finanziert
Im Oktober 2000 erwarb er über die Beklagte einen Anteil an einem Medienfonds im Wert ca. 511.000 EUR. Knapp die Hälfte dieses Betrages finanzierte er mithilfe von Eigenkapital, den Rest durch ein Darlehen der Bank. Mit der Klage begehrt der Kläger unter anderem Rückzahlung seines Eigenkapitals abzüglich geleisteter Ausschüttungen sowie Freistellung von der Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung und von sich ergebenden weiteren Nachteilen.
Wechselbad durch die Instanzen
Der Kläger macht geltend, von der Bank über Rückvergütungen seitens des Medienfonds nicht aufgeklärt worden zu sein.
- Unstreitig hatte er den Bankberater nach Rückvergütungen und Provisionen gefragt.
- Dieser hatte eine Antwort ausdrücklich verweigert.
- Dennoch hatte der Kläger die Anlage gezeichnet.
Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, gab ihr das OLG im wesentlichen statt. Auf die hiergegen eingelegte Revision hob der BGH die Entscheidung des OLG wieder auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurück.
Aufklärungspflicht verletzt
Der BGH betonte in seinem Urteil die grundsätzliche Pflicht der Bank, ungefragt über Rückvergütungen und umsatzabhängige Provisionen aufzuklären. Diese Aufklärungspflicht sei deshalb von grundlegender Bedeutung, weil nur so der Kunde in die Lage versetzt werde, das Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage zu erkennen und seine Anlageentscheidung darauf einzustellen (BGH, Urteil v. 09.03.2011, XI ZR 191/11). Unstreitig hatte die Bank Rückvergütungen erhalten, so dass - so der BGH - eine objektive Verletzung der Aufklärungspflicht vorliege.
Venire contra factum proprium
Nach Auffassung des BGH-Senats konnte der Kläger diese Aufklärungspflichtverletzung aber nicht zu seinen Gunsten geltend machen. Obwohl der Berater der Bank auf seine Frage ausdrücklich die Offenlegung der Rückvergütungen abgelehnt hatte, habe der Kläger dennoch die Beteiligung an dem Medienfonds gezeichnet.
- Wenn der Anlageberater auf ausdrückliche Frage die Höhe der Rückvergütung nicht mitteilt, so verhält sich der Kunde nach Auffassung des BGH widersprüchlich, wenn er das Anlagegeschäft gleichwohl abschließt und später die Bank wegen Schadenersatz wegen fehlender Aufklärung über die Rückvergütung in Anspruch nimmt.
- Ein solches Verhalten verstoße gegen das Verbot des „venire contra factum proprium“, sei rechtsmissbräuchlich und daher nicht zulässig
Keine Schadenskausalität
Der BGH rügte auch die Rechtsauffassung der Vorinstanz, aufgrund der „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ sei die Verletzung der Aufklärungspflicht kausal für den eingetretenen Schaden gewesen. Insoweit hatte es das Berufungsgericht nach Ansicht der BGH-Richter rechtsfehlerhaft unterlassen, den Kläger nach entsprechendem Antrag der Beklagten als Partei zu vernehmen. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens beinhalte nach ständiger Rechtsprechung eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung, dass der Kunde bei fehlerfreier Aufklärung die Anlage nicht gezeichnet hätte (BGH, Urteil v. 08.05.2012, XI ZR 262/10). Da die Beklagte hierzu eine Parteivernehmung des Klägers beantragt hatte, hätte das OLG diese nach Auffassung des BGH zwingend anordnen müssen.
Verjährungsfrist für Ersatzansprüche lief bereits seit Zeichnung der Anlage
Darüber hinaus rügte der BGH eine fehlerhafte Auslegung der Verjährungsvorschriften durch die Vorinstanz. Nach Auffassung des BGH ist der Schadensersatzanspruch des Klägers bereits mit Zeichnung der Fondsbeteiligung im Oktober 2000 entstanden. Bei der notwendigen wertenden Betrachtung habe sich bereits durch Erwerb der Kapitalanlage der Schaden des Klägers realisiert (BGH, Urteil v. 08.03.2005, XI ZR 170/04). Der Kläger habe auch bereits bei Zeichnung der Beteiligung Kenntnis von sämtlichen anspruchsbegründenden Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt, denn bereits zu diesem Zeitpunkt sei die Erhebung einer Schadenersatzklage zumindest dem Grunde nach möglich gewesen.
Ersatzanspruch wäre verjährt
Die Kenntnis der konkreten Höhe der seitens der Bank erhaltenen Rückvergütungen gehöre dagegen nicht zu den den Schadensersatzanspruch begründenden wesentlichen Umständen. Anders sei dies nur dann zu bewerten, wenn die beratende Bank konkrete Angaben zur Rückvergütung gemacht habe, diese aber von der Höhe der tatsächlichen Rückvergütung abwichen. In einem solchen Fall gehe der Anleger fälschlicherweise davon aus, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein und habe daher eine irrige Vorstellung über das Verkaufsinteresse der Bank (BGH, Urteil v. 26.02.2013, XI ZR 498/11). In dieser Situation verdiene der Anleger Schutz. Unter Anwendung dieser Grundsätze wäre ein unterstellter Ersatzanspruch nach Auffassung des BGH daher bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren am 31.12.2004 (Zeichnung der Anlage im Oktober 2000) verjährt gewesen. Die erst im Dezember 2009 eingereichte Klage habe die Verjährung nicht mehr hemmen können.
Wegen weiterer Fragen zurück verwiesen
Im Ergebnis hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben. Wegen weiterer, vom Kläger behaupteter Beratungsfehler, die die Vorinstanzen nicht überprüft hatten, verwies der BGH die Sache an das OLG zurück.
(BGH, Beschluss v. 08.04.2014, XI ZR 341/12).
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