Beratung muss gewährleistet sein: Keine Selbstbedienung bei Arzne

Keine Frage, die Modalitäten der Abgabe von Arzneimitteln haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Auch hier hat das Internet seine Spuren hinterlassen und zu deutlichen Lockerungen geführt. Die Selbstbedienung bleibt aber weiterhin tabu.

Ein Apotheker fühlte sich zu Unrecht vom Gesetzgeber gegängelt.

Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel als Selbstbedienungsware anzubieten

Das Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel als Selbstbedienungsware anzubieten, störte ihn sehr. So bot er munter ca. 150 apothekenpflichtige Medikamente im Selbstbedienungsbereich seiner Apotheke an, bis der Landkreis ihm dies im Mai 2003 untersagte. Der Apotheker fühlte sich durch das Selbstbedienungsverbot zu Unrecht in seiner Berufsausübung eingeengt und klagte fast 10 Jahre lang. Nach seiner Auffassung muss in Zeiten des allgegenwärtigen Versandhandels mit Arzneimitteln auch die Selbstbedienung ermöglicht werden.

Unterlegen in allen Instanzen

Ihre ablehnenden Entscheidungen stützten die Gerichte auf § 17 Abs. 3 ApBetrO. Danach ist es schlicht verboten, apothekenpflichtige Arzneimittel als Selbstbedienungsware anzubieten.

Versandhandel ist an Bedingungen geknüpft

In der gleichen Vorschrift wird die Zulässigkeit des Versandhandels an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die insbesondere die Beratungsmöglichkeiten über den bestimmungsgemäßen Gebrauch und die Wirkungsweise eines Medikaments sowie über die mit der Einnahme verbundenen Gefahren sicher stellen sollen.

Die Gerichte sahen keine Veranlassung, an der Verfassungsmäßigkeit des Selbstbedienungsverbots zu zweifeln. Allerdings hatte das BVerwG auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Apothekers die Revision gegen das Urteil der Vorinstanz wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ausdrücklich zugelassen (BVerwG, Beschluss v. 28.07.2011, 3 B 88.10).

Beratung des Kunden ist hohes Gut

Nach Auffassung der obersten Verwaltungsrichter ist der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung eines der höchsten Güter, um die sich der Gesetzgeber zu bemühen habe. Hierzu gehöre es, eine unkontrollierte Abgabe von Arzneimitteln zu verhindern.

Der Gesetzgeber habe die Rahmenbedingungen für eine sachgerechte Beratung des Kunden zu sorgen. Nur durch intensive Beratungsgespräche oder zumindest die Möglichkeit dazu, könne gewährleistet werden, dass nur die für das Krankheits- und Beschwerdebild des Kunden geeigneten Arzneimittel zur Anwendung kämen. Eine Selbstbedienungssituation schaffe aber eine der Beratung abträgliche Gesamtatmosphäre.

Habe der Kunde die von ihm gewünschten Medikamente erst einmal in seinem Warenkorb, so sei eine beratungslose Abfertigung an der Kasse vorprogrammiert. Dies könne nicht gewollt sein. Die Berufsausübungsregel des § 17 Abs. 3 ApBetrO sei hierdurch ohne weiteres gerechtfertigt.

Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt

Das Selbstbedienungsverbot verletzt nach Auffassung des BVerwG auch nicht das  Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG. Im Versandhandel herrsche eine ganz andere Situation als bei der Selbstbedienung. Keinesfalls sei der Versandhandel beratungslos. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber habe durch eine Vielzahl von an die Zulässigkeit des Versandhandels geknüpfte Voraussetzungen sicher gestellt, dass der Kunde auch dort eine beratungsfreundliche Situation vorfinde und sich über Vorzüge und Risiken der von ihm gewünschten Arzneien umfassend informieren könne.

Die Kontrollfunktion des Apothekers sei dort in einer Weise gewährleistet wie sie bei einer Zulassung der Selbstbedienung nur schwer vorstellbar sei. Das Selbstbedienungsverbot sei im Ergebnis auch verhältnismäßig, weil es die Tätigkeit des Apothekers nur unwesentlich beeinträchtige. Der Apotheker müsse das Verbot daher hinnehmen.

(BVerwG, Urteil v. 18.10.2012, 3 C 25.11)


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