BGH: Verwertung des Geschäftsanteils nach Ausschluss

Dem Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters steht es nicht entgegen, dass seine Geschäftsanteile nicht voll eingezahlt sind. Über die Verwertung des Geschäftsanteils kann später entschieden werden.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin war mit 49 % der Geschäftsanteile an einer GmbH beteiligt. Das Stammkapital auf die Geschäftsanteile war zum Teil sofort und im Übrigen auf Aufforderung der GmbH einzuzahlen. Dementsprechend leistete die Klägerin zunächst nur einen Teil der Einlage. Später forderte die Geschäftsführung der GmbH die Klägerin auf, auch die weitere Stammeinlage einzuzahlen. Die Klägerin verweigerte jedoch trotz mehrerer Aufforderungen die Zahlung.

Die Satzung der GmbH sah vor, dass ein Gesellschafter, der mit seiner Einlageverpflichtung mehr als drei Monate im Verzug ist und trotz Zahlungsaufforderung die Einlage nicht leistet, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann und danach die Einziehung seiner Geschäftsanteile oder deren Zwangsabtretung dulden muss. Für den Fall, dass die Einziehung des Anteils zum Verstoß gegen die gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften führen würde, regelte die Satzung außerdem, dass entweder die verbleibenden Gesellschafter die Abfindungslast übernehmen oder – wenn sie dies nicht beschließen – die Gesellschaft aufgelöst wird.

Unter Bezug hierauf beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH, die Klägerin als Gesellschafterin auszuschließen. Über die Verwertung der Geschäftsanteile der Klägerin nach dem Ausschluss (Einziehung / Zwangsabtretung) wurde kein Beschluss gefasst. Gegen den Beschloss erhob die Klägerin Anfechtungsklage, über die zuletzt der BGH entschied.

Die Entscheidung des BGH vom 4.8.2020 (II ZR 171/19)

Der BGH erklärte den Ausschließungsbeschluss für wirksam. Seines Erachtens standen der Wirksamkeit des Beschlusses weder der Umstand entgegen, dass die fällige Einlage auf die Geschäftsanteile der Klägerin noch nicht voll eingezahlt war, noch, dass nur der Beschluss zur Ausschließung gefasst und nicht zugleich eine Entscheidung über die Verwertung der Geschäftsanteile der Klägerin getroffen worden war.

Anmerkung

Verletzt ein GmbH-Gesellschafter grob seine Gesellschafterpflichten (z.B. weil er wie im vom BGH entschiedenen Fall seine Stammeinlage nicht leistet) oder liegt ein anderer Grund vor, aus dem sein Verbleiben in der Gesellschaft unzumutbar wird (z.B. eine Pfändung seiner Geschäftsanteile), ist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft gewünscht und zulässig. Die Ausschließung erfolgt dabei entweder durch eine sog. Ausschließungsklage oder – wenn die Satzung dies zulässt – einen einfachen Gesellschafterbeschluss. Mit dem wirksamen Ausschluss verliert der Gesellschafter seine Gesellschafterrechte (z.B.  Stimm- und Gewinnbezugsrechte). Dies gilt – jedenfalls beim Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss – unabhängig von der Zahlung einer Abfindung.

Auf die Geschäftsanteile des ausgeschlossenen Gesellschafters hat die Ausschließung keine unmittelbare Wirkung. Die Geschäftsanteile müssen vielmehr in Vollzug des Ausschlusses noch verwertet werden. Dafür können sie eingezogen oder zwangsweise an die Gesellschaft selbst, einen Mitgesellschafter oder einen Dritten abgetreten werden. Für die Entscheidung über die Verwertung ist ein separater Gesellschafterbeschluss erforderlich, der – so stellte der BGH nun klar – aber nicht zwingend zusammen mit dem Ausschließungsbeschluss gefasst werden muss. Die Entscheidung, wie die Geschäftsanteile verwertet werden sollen, kann also auch im Nachgang zum Ausschließungsbeschluss getroffen werden. Dies ist sinnvoll, denn gerade wenn der Geschäftsanteil zwangsweise abgetreten werden soll, braucht es gegebenenfalls eine gewisse Zeit, bis ein Abnehmer gefunden und die Finanzierung des Erwerbs sichergestellt ist. Somit vermeidet man überstürzte Entscheidungen, die für keinen der Beteiligten die optimale Lösung sind. Eine Einschränkung macht der BGH allerdings: Der gleichzeitige Verwertungsbeschluss ist nur entbehrlich, wenn die Geschäftsanteile des ausgeschlossenen Gesellschafters bereits voll einbezahlt oder die Einlagen hierauf eingefordert sind (denn nur dann haftet der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden für die Einlageforderung fort). Bei nicht voll eingezahlten Geschäftsanteilen muss vor der Ausschließung daher gegebenenfalls erst noch die Fälligkeit der ausstehenden Einlageforderung herbeigeführt werden.

Ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ist – auch daran erinnert das Urteil – die Berücksichtigung der strengen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften für die GmbH auch beim Ausscheiden von Gesellschaftern von besonderer Bedeutung. Zwar kann man einen Gesellschafter auch ausschließen, wenn seine Geschäftsanteile nicht voll eingezahlt sind. Die nachfolgende Verwertung der Geschäftsanteile ist in diesem Fall aber maßgeblich eingeschränkt, weil weder eine Einziehung (§ 19 Abs. 2 GmbHG) noch eine Zwangsabtretung an die Gesellschaft (§ 33 Abs. 1 GmbHG) möglich sind. Es verbleibt dann nur die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile an einen Mitgesellschafter oder Dritten. Darüber hinaus sind bei einer Einziehung oder Zwangsabtretung an die Gesellschaft die Kapitalerhaltungsvorschriften zu berücksichtigen. Die Abfindungszahlung an den ausscheidenden Gesellschafter darf weder zur Entstehung noch zur Vertiefung einer Unterbilanz führen, andernfalls sind der Verwertungsbeschluss und in bestimmten Konstellationen auch bereits der vorangehende Ausschließungsbeschluss unwirksam. Vermeiden lassen sich Verstöße gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften unter anderem dadurch, dass die Gesellschafter auch bei der Einziehung oder Zwangsabtretung an die Gesellschaft die Abfindungslast übernehmen oder die Zwangsabtretung an einen Mitgesellschafter oder Dritten erfolgt, der dann die Abfindung zahlt.

Zusammengefasst gilt: Beim Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters sind viele Details zu berücksichtigen. So ist der Ausschluss – sei es durch Gesellschafterbeschluss oder Ausschließungsklage – von vornherein nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (z.B. grobe Pflichtverletzung, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, Verlust einer erforderlichen Berufszulassung); eine „Hinauskündigung“ nach dem freien Belieben der Mitgesellschafter ist nicht möglich. Bei der Ausschließung und vielmehr noch bei der Verwertung der Geschäftsanteile sind mit Blick auf die Kapitalaufbringung und -erhaltung auch die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft und Finanzierung der Geschäftsanteile entscheidend. Für ein rechtssicheres Ausschlussverfahren ist daher eine sorgfältige Satzungsgestaltung im Vorfeld ebenso wichtig wie eine gewissenhafte Durchführung der Ausschließungs- und Verwertungsmaßnahmen im konkreten Einzelfall.  


Schlagworte zum Thema:  Bundesgerichtshof (BGH), GmbH-Gesellschafter