Der Zulieferer Bosch ist aus der Anleger-Dieselhaftung raus

VW-Aktionäre unterlagen mit ihrer Schadensersatzklage auf Haftung der Robert Bosch GmbH als Lieferantin der Schummel-Software für VW-Dieselmotoren. Die Aktionäre erhalten von Bosch keine Entschädigung für die Verluste bei VW-Aktien.

Gegen den Autohersteller VW ist wegen der Aktienverluste der Aktionäre im Zusammenhang mit dem Dieselskandal ein Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig mit einem Gesamtvolumen von ca. 9 Milliarden Euro anhängig. Einige der VW-Aktionäre haben den Zulieferer Bosch verklagt mit der Begründung, dieser habe die Schummel-Software geliefert und damit den Dieselskandal erst ermöglicht.

Kläger beschuldigten Bosch der Beihilfe am Dieselabgasskandal

Die Boschkläger werfen dem Zulieferunternehmen vor, die Absichten von VW gekannt und damit dem Unternehmen Beihilfe zur unterbliebenen bzw. nicht rechtzeitigen Information der Kapitalanleger geleistet zu haben. Insgesamt hat der BGH neun Kapitalanlegerklagen zurückgewiesen, auch die weiteren noch nicht entschiedenen Klagen gegen Bosch dürften damit aussichtslos sein.

Die Kläger veräußerten die VW-Aktien mit Verlust

Die von der jetzigen Entscheidung betroffenen Kläger hatten im Dezember 2013 Aktien der Volkswagen-AG erworben. Am 3.9.2015 hat die Volkswagen AG gegenüber US-amerikanischen Behörden eingeräumt, Software zur Erkennung der Situation auf dem Rollen-Prüfstand in ihren Dieselfahrzeugen verbaut und damit einen wesentlich günstigeren Schadstoffausstoßstoß vorgegeben zu haben als er unter realistischen Bedingungen zu erreichen war.

Anschließend veräußerten die neun betroffenen Kläger ihre Aktien mit Verlust. Nach einer Entscheidung des BGH hat VW seine Kunden durch diese digitale Abschaltevorrichtung in sittenwidriger Weise arglistig getäuscht und sich deshalb schadenersatzpflichtig gemacht (BGH, Urteil v. 25.5.2020, IV ZR 252/19).

Ad-Hoc-Meldung von VW 19 Tage nach Eingeständnis gegenüber US-Behörden

In dem vom BGH bekannt gemachten Einzelverfahren hatte der Kläger im Jahr 2013 Aktien für insgesamt 12.234,60 Euro erworben am 21. September 2015 zu einem Preis von 8.474,40 Euro veräußert. Mit Ad-Hoc-Meldungen hatte der Autohersteller VW den Kapitalmarkt am 22. und 23.9.2015 erstmals über die Verwendung der Software informiert.

Kläger fordern Ersatz des Veräußerungsverlustes

Mit seiner Klage forderte der Kläger - wie auch die Kläger in den acht anderen vom BGH entschiedenen Fällen - Ersatz des Unterschiedsbetrages zwischen seinen Aufwendungen für den Erwerb der Aktien und dem erzielten Veräußerungserlös. Infolge der Softwarelieferung durch die Beklagte sei ihm ein Schaden in Form des Verlustes des Aktienwertes entstanden. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Die maßgeblichen Rechtsvorschriften

Die Argumentation des Klägers überzeugten de BGH nicht. Der BGH stellte maßgeblich auf die Vorschrift der §§ 331 HGB, 830, 826 BGB ab.

Gemäß § 331 Ziff. 1 HGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft … unrichtig wiedergibt oder verschleiert.

Gemäß § 830 Abs. 2 BGB ist auch der Gehilfe für einen durch eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB verursachten Schaden verantwortlich.


Keine Gehilfenhaftung der Firma Bosch

Die hiernach von dem Kläger reklamierte Gehilfenhaftung der Firma Bosch kommt nach dem Urteil des BGH gegenüber den VW Aktionären nicht zum Zuge. Dabei hat der BGH die Anlegerhaftung der Volkswagen AG durch nicht rechtzeitige Unterrichtung des Kapitalmarktes über die Verwendung der Motor-Steuersoftware zum Nachteil der Aktionäre gemäß §§ 31, 823 Abs.2, 826 BGB ausdrücklich offen gelassen, eine solche Haftung für das anhängige Verfahren zugunsten der Kläger aber unterstellt.

Nach Ansicht des BGH hätte auch bei einer unterstellten VW-Haftung die Pflicht des Autoherstellers, den Kapitalmarkt über die Vorgänge zu unterrichten, zum Zeitpunkt der Lieferung der Software durch den Zulieferer Bosch noch überhaupt nicht bestanden. Aus dem weiteren Verhalten von VW rückwirkend eine Beihilfe der Firma Bosch zur Schädigung der Aktionäre abzuleiten, sei mit dem Wortsinn des Gesetzes nicht vereinbar.

Begriff der Hilfeleistung darf nicht überdehnt werden

Nach Auffassung des BGH würde die Anknüpfung einer Kapitalmarkthaftung der Firma Bosch das Verständnis des Begriffs der Hilfeleistung deutlich überdehnen und sei auch aus Gründen des Rechtsgüterschutzes nicht geboten. Der Schutz der potentiellen Anleger und Aktionäre der Volkswagen AG vor einer unrichtigen Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft werde nicht schon durch die Softwarelieferung seitens des Zulieferers Bosch, sondern erst durch eine ggflls. pflichtwidrige, nicht rechtzeitige Unterrichtung über die Verwendung der Software zur Abgassteuerung der Dieselmotoren gefährdet.

Bosch ist nicht der richtige Ansprechpartner

Richtiger Ansprechpartner für mögliche Haftungsansprüche sei daher nicht die Firma Bosch, sondern der Autohersteller VW. Hierbei hat der Senat allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, das Urteil enthalte keinerlei irgendwie geartete Vorentscheidung im Hinblick auf das gegen den Autohersteller VW eingeleitete Anleger-Musterklageverfahren.

Keine Haftung der Firma Bosch gegenüber Kapitalanlegern

Im Ergebnis hat der BGH die Revisionen von insgesamt neun Klägern zurückgewiesen und die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Der Autozulieferer Bosch, der im Jahr 2019 im Zusammenhang mit dem Dieselskandal ein Bußgeld in Höhe von immerhin 90 Millionen Euro wegen fahrlässiger Verletzung seiner Aufsichtspflicht zahlen musste, dürfte mit dieser BGH-Entscheidung aus der Anlegerhaftung endgültig raus sein.

(BGH, Urteil v. 20.7.2021, II ZR 152/20).


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