Ein Jahr Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das den Schutz von Mitarbeitern regelt, die Fehlverhalten oder Gesetzesverstöße melden, die in Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stehen, ist am 2.7.2024 ein Jahr alt geworden. Ein guter Zeitpunkt, um auf die Erfahrungen des ersten Jahres zurückzublicken.

HinSchG gilt für alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten

Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG), das in Deutschland am 2.7.2023 nach langen und kontroversen Diskussionen mit erheblicher Verzögerung in Kraft getreten ist, ist die nationale Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie der EU (EU-Richtlinie 2019/1937), die bereits am 23.10.2019 verabschiedet wurde. Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten mussten die Vorgaben des HinSchG direkt zum 02.07.2023 umsetzen, für mittelständische Unternehmen mit 50 bis zu 249 Beschäftigten galt eine Übergangsfrist bis zum 17.12.2023.

Obwohl kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten vom HinSchG nicht betroffen sind, mussten immerhin mehr als 92.000 „Beschäftigungsgeber“, zu denen außer privaten Unternehmen auch Behörden und öffentliche Stellen gehören, die Pflichten des HinSchG erfüllen.

Hintergrund


Das HinSchG sieht die Einrichtung einer internen Meldestelle vor und regelt das Meldeverfahren: Beschäftigungsgeber müssen Meldekanäle für Meldungen in schriftlicher oder mündlicher Form einrichten. Anonyme Meldekanäle werden empfohlen, sind jedoch, anders als im Gesetzesentwurf vorgesehen, keine Pflicht. Was gegeben sein muss, ist die Möglichkeit zur persönlichen Zusammenkunft von Hinweisgebern und zuständigen Personen der internen Meldestelle. Die hinweisgebende Person hat das Recht auf eine Eingangsbestätigung, ein Protokoll zur Meldung und auf einen Bericht über die ergriffenen und geplanten Folgemaßnahmen. Für den Beschäftigungsgeber besteht eine Dokumentationspflicht. Jede Meldung muss dokumentiert, drei Jahre lang aufbewahrt und dann gelöscht werden. Wenn es erforderlich und verhältnismäßig ist, darf die Dokumentation auch länger aufbewahrt werden. 


Die interne Meldestelle kann durch den Beschäftigungsgeber selbst oder durch einen externen Dritten betrieben werden. Datenschutz- und Compliance-Unternehmen, aber auch Rechtsanwälte und -kanzleien bieten die Einrichtung und Führung einer internen Meldestelle als Dienstleistung an.
Hinweisgebende Personen müssen sich nicht unbedingt an die interne Meldestelle ihres Beschäftigungsgebers wenden, sie können ihre Informationen auch an eine externe Meldestelle einer Behörde übermitteln. Ein Beispiel dafür ist die externe Meldestelle des Bundes beim Bundesamt für Justiz, die Meldungen online, telefonisch, per Post oder persönlich entgegennimmt.

Harsche Kritik ist verstummt

Während des Gesetzgebungsverfahrens wurden die Entwürfe für das HinSchG von Unternehmens- und Branchenverbänden harsch kritisiert: Das Gesetz sei viel zu weit gefasst, würde eine Flut falscher Anschuldigungen auslösen, sei in der Praxis kaum umzusetzen und würde für die betroffenen Unternehmen erhebliche Kosten verursachen. So rechnete etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am 28.9.2022 in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des HinSchG vor, dass deutsche Unternehmen für die Bereitstellung der Infrastruktur eines richtlinienkonformen Hinweisgebersystems und dessen Implementierung mehr als 500 Millionen EUR zahlen müssten. Der ITK-Branchenverband Bitkom warnte vor dem „zu erwartenden Schaden durch fälschliche Anschuldigungen“ und plädierte dafür, dass das HinSchG als „Gesetz auf Probe“ beschlossen werden sollte, „damit es im Bedarfsfall angepasst oder auch unkompliziert wieder abgeschafft werden kann“

Nachdem das HinSchG kein Gesetz auf Probe und nun seit über einem Jahr in Kraft ist, lässt sich feststellen, dass sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. Ihrem Jahresbericht 2023 zufolge hat die externe Meldestelle des Bundes im Zeitraum vom 2.7.2023 bis zum 31.12.2023 insgesamt 410 Hinweisgebermeldungen entgegengenommen. Gerechnet wurde mit mehreren Tausend Meldungen. Auch bei den Unternehmen ist die vorhergesagte Meldeschwemme ausgeblieben.

Die internen Meldestellen wurden bisher nur in wenigen Einzelfällen dazu missbraucht, fortwährend Bagatellen zu melden oder missliebige Kollegen anzuschwärzen. Von einer „Förderung des Denunziantentums“ ist daher keine Rede mehr. Und auch sonst ist Kritik am HinSchG weitestgehend verstummt. Im Gegenteil berichten viele, vor allem größere Unternehmen davon, dass die Aufdeckung von Korruption, Veruntreuung, missbräuchlicher Kreditkartennutzung, Mobbing und sexueller Belästigung dank des HinSchG merklich angestiegen ist. Etwa drei Viertel der eingegangenen Meldungen sei so ernst zu nehmen, dass weitere Maßnahmen oder Untersuchungen erforderlich sind, um Hinweise aufzuklären und Verstöße abzustellen. In vielen Fällen konnten mithilfe der internen Meldungen auch Defizite in der internen Organisation oder Kommunikation erkannt und verbessert werden.

Vorteile überwiegen

Nach einem Jahr fällt die Zwischenbilanz durchaus positiv aus: Das HinSchG hat in vielen Unternehmen zur Stärkung der Compliance-Kultur beigetragen. Indem es den Schutz der Hinweisgebenden in den Mittelpunkt rückt, wird eine offene Fehlerkultur gefördert, die es Mitarbeitern einfacher macht, Unregelmäßigkeiten oder Verstöße zu melden, weil sie keine Vergeltungsmaßnahmen befürchten müssen. Dies trägt auch dazu bei, dass Risiken so frühzeitig erkannt werden, dass Abhilfe geschaffen werden kann, bevor größere Schäden für das Unternehmen entstehen.

Das HinSchG hat Unternehmen zudem dazu gezwungen, sich intensiver mit internen Prozessen auseinanderzusetzen. Trotz der anfänglichen Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Implementierungskosten und des Schulungsaufwands, bietet das Gesetz langfristig Vorteile, indem es Transparenz, Sicherheit und das Vertrauen in die Unternehmensführung stärkt.


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