Unzulässigkeit eines Insichprozesses bei Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers
Zum Sachverhalt
In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall ging es um die Vertretung einer GmbH im gerichtlichen Verfahren über die Abberufung ihres Geschäftsführers.
Die später beklagte GmbH hatte zwei Geschäftsführer, von denen einer zugleich auch Gesellschafter war. Nach internen Auseinandersetzungen wurden in unterschiedlichen Gesellschafterversammlungen sowohl der eine als auch der andere Geschäftsführer von ihrem Amt abberufen. Hiergegen klagte einer der Geschäftsführer vor dem Landgericht Potsdam. Klagegegnerin war die GmbH. Diese hatte zur Wahrnehmung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt bestellt – allerdings war die Prozessvollmacht vom abberufenen Geschäftsführer selbst (und nicht dem anderen Geschäftsführer) unterzeichnet worden.
Der Rechtsanwalt der GmbH erkannte die Unwirksamkeit der Abberufung des Geschäftsführers an. Es erging daraufhin ein Anerkenntnisurteil. Dagegen legte die GmbH – dann vertreten durch einen neuen Rechtsanwalt, der vom anderen Geschäftsführer mandatiert worden war – Berufung ein.
Das Urteil des OLG Brandenburg v. 17.2.2021 (4 U 211/20)
Die Berufung war erfolgreich. Das Gericht stellte klar, dass niemand einen Prozess mit sich selbst führen könne und zwar auch nicht als Vertreter für einen anderen. Dies ergebe sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts ebenso wie aus dem GmbH-Recht. Der Geschäftsführer habe somit nicht als Kläger und zugleich als gesetzlicher Vertreter der GmbH handeln dürfen. Die an den Rechtsanwalt der GmbH erteilte Prozessvollmacht (und damit alle von ihm vorgenommenen prozessualen Handlungen) seien unwirksam.
Praxishinweis
Die GmbH wird im Rechtsverkehr von ihren Geschäftsführern vertreten. Das gilt grundsätzlich auch, wenn die GmbH gerichtliche Prozesse führt – auch dort sind ihre gesetzlichen Vertreter die Geschäftsführer, die folglich u.a. die Rechtsanwälte der GmbH mandatieren und deren Prozessvollmacht unterzeichnen. Besonderheiten gelten immer dann, wenn der Geschäftsführer selbst gegen die GmbH klagt (z.B. bei Klagen gegen seine Abberufung als Geschäftsführer). Wie das OLG Brandenburg zutreffend in Erinnerung gerufen hat, kann der Geschäftsführer nicht auf beiden Seiten des Prozesses stehen. Vielmehr muss die GmbH in diesem Fall entweder durch die verbleibenden Geschäftsführer vertreten werden oder durch einen von der Gesellschafterversammlung – bei Gesellschaften mit einem Aufsichtsrat ggf. auch von diesem – speziell bestellten Prozessvertreter (§ 46 Nr. 8 GmbHG). In Ausnahmefällen, insbesondere wenn keine anderen Geschäftsführer vorhanden sind und auch kein Beschluss zur Bestellung eines Prozessvertreters gefasst wird, kann auch die Bestellung eines Prozesspflegers (§ 57 ZPO) oder Notgeschäftsführers (§ 29 BGB) erforderlich werden.
Es wird noch komplizierter bei wechselseitigen Abberufungsbeschlüssen, die vor allem bei Zwei-Personen-GmbHs häufig vorkommen. Wenn dort Streit entsteht, versuchen die Gesellschafter-Geschäftsführer in vielen Fällen, sich gegenseitig abzuberufen bzw. aus der Gesellschaft auszuschließen. Es besteht dann nicht selten Unklarheit, welcher der Geschäftsführer noch amtiert und welcher wirksam abberufen ist. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ausnahmsweise jeder der Geschäftsführer die GmbH im Prozess gegen den anderen Geschäftsführer vertreten kann, solange über die Wirksamkeit der Abberufungsbeschlüsse nicht wirksam entschieden ist (so hätte auch im vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall der andere Gesellschafter die GmbH wirksam vertreten können). Häufig werden die Klageverfahren der betroffenen Geschäftsführer dann auch gemeinsam verhandelt. Wenn Abberufungsbeschlüsse nicht von einem Versammlungsleiter festgestellt werden und das Beschlussergebnis deswegen unklar ist, ist die Situation ähnlich. Auch in solchen Fällen darf der ggf. abberufene Geschäftsführer noch für die GmbH auftreten, bis über die Wirksamkeit des gegen ihn gerichteten Abberufungsbeschlusses gerichtlich entschieden ist.
Zusammengefasst gilt: Niemand darf in einem Gerichtsverfahren auf Kläger- und Beklagtenseite stehen. Gerade bei Klagen von und gegen Geschäftsführer ist deswegen darauf zu achten, dass kein unzulässiger Insichprozess entsteht. Wenn es keine anderen, vertretungsberechtigten Geschäftsführer gibt, müssen die Gesellschafter und ggf. eingerichtete Aufsichtsorgane aktiv werden und einen Prozessvertreter bestellen, der die GmbH vor Gericht vertreten kann. Nur wenn das nicht möglich ist, kommt die Bestellung eines Prozesspflegers oder Notgeschäftsführers in Betracht. Besonders sorgfältig ist die ordnungsgemäße Vertretung der GmbH bei wechselseitigen oder nicht formell festgestellten Abberufungsbeschlüssen zu prüfen. In Konstellationen, in denen Gesellschafter-Geschäftsführer von den Beschlüssen betroffen sind, spielen auch regelmäßig Stimmverbote eine entscheidende Rolle.
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