GWB-Novelle: Änderungen für die Fusionskontrolle
Beträgt dieser Wert mehr als 400 Mio. EUR, ist ein Zusammenschluss künftig auch bei nur geringen Umsätzen der Zielgesellschaft anmeldepflichtig. Damit sollen vor allem auf dem Markt der digitalen Technologien Fälle erfasst werden, in denen ein großes Unternehmen ein (noch) umsatzschwaches Start-Up zu einem hohen Kaufpreis erwirbt.
Umsatzschwellen in Deutschland
Bislang ist im deutschen Kartellrecht eine Anmeldepflicht nur bei Überschreiten der Umsatzschwellen gegeben. Dies ist der Fall, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr zusammen weltweit Umsätze von mehr als 500 Mio. EUR erzielten, ein beteiligtes Unternehmen Umsätze in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR und ein anderes beteiligtes Unternehmen mehr als 5 Mio. EUR in Deutschland erzielte.
Akquisitionen von Start-Ups erreichen trotz hoher Kaufpreise diese Umsatzschwellen in der Regel nicht. Prominentestes Beispiel ist der Erwerb von WhatsApp durch Facebook zu einem Kaufpreis von rund 19 Mrd. USD, der trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung angesichts wertvoller Kundenstämme und Nutzerdaten wegen zu geringer Umsätze von WhatsApp nicht zum Bundeskartellamt angemeldet werden musste.
Neue Aufgreifschwelle: Wert der Gegenleistung
Erstmals wird für die Fusionskontrolle nicht nur auf Umsätze, sondern auch auf den Transaktionswert abgestellt. Eine Anmeldepflicht besteht künftig auch dann, wenn
- die beteiligten Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr zusammen weltweit Umsätze von mehr als 500 Mio. EUR erzielten,
- ein beteiligtes Unternehmen Umsätze in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR erzielte,
- weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsätze in Deutschland von jeweils mehr als 5 Mio. EUR erzielten,
- der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Mio. EUR beträgt und
- das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
Die Gegenleistung definiert das GWB als den Wert aller Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält (Kaufpreis) einschließlich der vom Erwerber übernommenen Verbindlichkeiten. Zu den Vermögensgegenständen zählen alle Geldzahlungen und die Übertragung von Stimmrechten, Wertpapieren, Sacheinlagen sowie immateriellen Vermögensgegenständen. Auch bedingte Gegenleistungen, die z.B. an das Erreichen bestimmter Umsatz- oder Gewinnziele anknüpfen („earn-out“-Klauseln) und Zahlungen für einen vereinbarten Wettbewerbsverzicht des Verkäufers sind zu berücksichtigen.
Wann das Zielunternehmen „in erheblichem Umfang“ im Inland tätig ist, definiert das Gesetz dagegen nicht. Nach der Gesetzesbegründung liegt der für eine nationale Fusionskontrolle erforderliche Inlandsbezug z.B. dann vor, wenn Angebote des Zielunternehmens von Kunden in Deutschland in Anspruch genommen werden oder wenn das Zielunternehmen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in Deutschland durchführt.
Änderungen auch in Österreich
Bereits am 01.05.2017 ist die Novelle des österreichischen Kartellgesetzes – das Pendant zum deutschen GWB – in Kraft getreten. Auch in Österreich wurde eine (mit 200 Mio. EUR deutlich kleinere) transaktionswertbezogene Anmeldeschwelle eingeführt. Eine Anmeldung ist nunmehr auch dann erforderlich, wenn die beteiligten Unternehmen weltweit Umsatzerlöse von insgesamt mehr als 300 Mio. EUR und in Österreich Umsatzerlöse von insgesamt mehr als 15 Mio. EUR erzielen, der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 200 Mio. EUR beträgt und das Zielunternehmen in erheblichem Umfang in Österreich tätig ist. Die neue Anmeldeschwelle gilt für alle Transaktionen, die nach dem 01.11.2017 umgesetzt werden.
Praxishinweis
Deutschland und Österreich nehmen mit der neuen Aufgreifschwelle eine Vorreiterrolle in Europa ein. Allerdings können sowohl die Bestimmung des Werts der Gegenleistung als auch die Beurteilung, ob die Zielgesellschaft in erheblichem Umfang im Inland tätig ist, im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Beide Kriterien müssen die Beteiligten im Wege einer Selbsteinschätzung bestimmen. Kann eine Anmeldepflicht nicht sicher ausgeschlossen werden, sollten die Beteiligten den geplanten Zusammenschluss vorsorglich anmelden. Fusionsanmeldungen verursachen zwar Zeit- und Kostenaufwand, bringen aber notwendige Rechtssicherheit, denn der Vollzug ohne erforderliche Freigabe ist zivilrechtlich unwirksam. Bei Verstoß gegen das Vollzugsverbot droht nicht nur die Rückabwicklung eines längst vollzogenen Zusammenschlusses, sondern auch ein empfindliches Bußgeld.
Rechtsanwältinnen Dr. Barbara Mayer, Stephanie von Riegen, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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