Persönliche Haftung kraft Rechtsschein trotz unternehmensbezogenem Geschäft
Hintergrund
Der Inhaber und ein Angestellter eines Reisebüros hatten gemeinsam eine „Auftragsbestätigung“ unterschrieben und darin jeweils auf beide Unterzeichner bezogene Wendungen mit „wir“ und „unser“ gebraucht. Aus dem Schreiben ging nicht hervor, dass der Angestellte nicht (Mit-)Inhaber des Reisebüros war. Der Reisende machte nach Insolvenz des Reisebüros später Schadensansprüche auch gegen den Angestellten persönlich geltend, weil er diesen aufgrund des Schreibens für den Mitinhaber gehalten hatte.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.07.2012, Az. X ZR 154/11
Der Bundesgerichtshof (BGH) verurteilte den Angestellten zum Schadensersatz. Zwar sei der Reisevertrag als sog. unternehmensbezogenes Geschäft nur mit dem wahren Inhaber des Reisebüros zustande gekommen. Dies hindere jedoch nicht die Anwendung der Grundsätze der Rechtsscheinhaftung. Der Angestellte habe durch die gemeinsame Unterschrift unter das Schreiben ohne Kenntlichmachung seiner Angestelltenposition zurechenbar den Rechtsschein gesetzt, selbst als Gesellschafter Mitinhaber des Unternehmens zu sein. Darauf habe der Vertragspartner zu Recht vertraut. Deshalb müsse der (ehemalige) Angestellte nun auch neben dem wahren Inhaber des Unternehmens auf Schadensersatz haften.
Anmerkung
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, im Geschäftsverkehr die Vertretung eines Dritten deutlich zu machen. Dies gilt auch bei einzelkaufmännischen Unternehmen, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen Inhaber persönlich haften. Gerade im Dienstleistungssektor werden Schreiben häufig persönlich formuliert, um den Kunden direkt anzusprechen und an seinen Ansprechpartner zu binden. Hierbei sollten Mitarbeiter darauf achten, einen Vertretungszusatz („i.V.“, „i.A.“) zu verwenden. Die (tatsächlichen) Inhaber des Unternehmens sollten außerdem immer in der Kopf- oder Fußzeile bzw. der E-Mail-Signatur ausgewiesen werden. Ohnehin muss der Hinweis auf die Rechtsform des Unternehmens für Kaufleute und Handelsgesellschaften in allen geschäftlichen Briefen und E- Mails von Gesetzes wegen angegeben werden.
Relevant wird die Haftung als vermeintlicher Inhaber des Unternehmens, wenn der wahre Unternehmensträger später insolvent wird. In diesen Fällen werden Gläubiger sich das neue Urteil des BGH zunutze machen wollen und in der Korrespondenz nach Erklärungen suchen, die eine persönliche Haftung Dritter, z.B. von Mitarbeitern, auslösen können.
Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies und Dr. Sven Ufe Tjarks, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.943
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
2.041
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.654
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.5782
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
1.381
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.380
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.340
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.333
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.169
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.110
-
Rechtsunsicherheit für die Kundenanlage
17.12.2024
-
Die Verordnung über das Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden
11.12.2024
-
Änderungen des Energiewirtschaftsrechts – Was kommt noch nach dem Ampel-Aus?
10.12.2024
-
Anteil der Zahlungen von Cyber-Versicherungen wegen Datenschutzverstößen steigt stetig
06.12.2024
-
Das Scraping-Urteil des BGH zum Facebook-Datenleck
04.12.2024
-
BGH begrenzt Zulässigkeit von Skonti auf verschreibungspflichtige Arzneimittel
03.12.2024
-
Microsoft Advertising haftet bei fehlender Einwilligung automatisch gesetzter Cookies
28.11.2024
-
Rückbeteiligung bei Unternehmensverkäufen: Chancen und Herausforderungen
26.11.2024
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
25.11.2024
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024