Haftung bei Auslandsgesellschaften wegen Nichtabführen von SV-Beiträgen
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen Nichtabführens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung. Der Beklagte war Vorsitzender der Direktion einer schweizerischen AG, die Arbeitnehmer in Deutschland beschäftige. Ihm wurde vorgeworfen, fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgeführt zu haben.
Urteil des BGH v. 11.6.2013, BGH II ZR 389/12
Der BGH stellte zunächst klar, dass gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Recht Anwendung findet, da ein Vermögensschaden in Deutschland entstanden ist. Vorliegend hafte der Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB, § 266a Abs.1 StGB. Der Beklagte hafte zum einen, da die Eintragung der unbeschränkten Vertretungsmacht die Annahme rechtfertige, der Beklagte sei nicht nur vertretungsbefugt, sondern dürfe auch die Geschäfte der Gesellschaft führen (d.h. Steuern zahlen, Arbeitnehmer einstellen etc.). Diese Annahme habe der Beklagte nicht widerlegt. Zum anderen sei vorgetragen, dass der Beklagte die Geschäfte der AG zumindest faktisch auch führe und es insoweit gar nicht auf die tatsächliche Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis ankomme.
Dass sich die Organeigenschaft auf eine ausländische Gesellschaft beziehe, stehe der Einordnung als Täter im Sinne des § 266a Abs.1 StGB nicht entgegen.
Praxistipp
Die Entscheidung des BGH ist für die Organisation und Dokumentation der Geschäftsführung ausländischer Gesellschaften, die in Deutschland tätig sind, äußerst relevant. Durch im Ausland gängige Organisationsstrukturen bspw. in Form eines Verwaltungsrates weichen die Aufgaben der Organmitglieder oftmals von denen einer deutschen GmbH ab. Sofern ein Organ die Geschäfte faktisch führt oder hierzu verpflichtet ist, haftet es wegen Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen. Der BGH hat vorliegend dem Organ die Darlegungslast auferlegt, welche Aufgaben es wahrzunehmen hatte. Dieser Umstand ist haftungsbegründend. Daher sollte jedes Organmitglied seine Aufgabenbeschreibung gut dokumentieren und sich bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeiten an die Zuweisung durch die Gesellschafter bzw. den Verwaltungsrat halten. Dass deutsche Sozialversicherungsvorschriften zu beachten waren, sollte bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern in Deutschland offensichtlich sein.
Die Haftung auch von Organen ausländischer Gesellschaften wegen Nichtabführens von Arbeitnehmerbeiträgen steht in einer Reihe mit der persönlichen Haftung nach bzw. entsprechend § 64 GmbHG oder § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 15a InsO wegen Insolvenzverschleppung. Auch insoweit haben Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften deutsches Recht zu beachten, wenn der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit in Deutschland liegt.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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