Insolvenz: Befugnisse des Aufsichtsrats in der Eigenverwaltung

Auch bei der Eigenverwaltung behalten Überwachungsorgane einer insolventen Gesellschaft ihre Kompetenzen im „insolvenzfreien Bereich“. Das OLG München hat in diesem Zusammenhang nun auch die Informationsrechte des Aufsichtsrats in der Insolvenz gestärkt.

Zum Sachverhalt der Entscheidung

Die Schuldnerin ist eine insolvente AG in Eigenverwaltung. Im Vorfeld einer geplanten Hauptversammlung verlangte der Aufsichtsrat vom Vorstand Einsicht in Geschäftsunterlagen der Gesellschaft zur Vorbereitung seiner Beschlussvorschläge nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG. Tagesordnungspunkte, über die die Hauptversammlung entscheiden sollte, waren die Bestellung eines Sonderprüfers sowie der Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden.

Der klagende Aktionär wollte dem Aufsichtsrat die Einsichtnahme unter Berufung auf § 276a InsO gerichtlich untersagen. Nach § 276a S. 1 InsO haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der Schuldnerin.

Das LG München I hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Berufung sowie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes weiter.

Die Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 09.08.2018 – 7 U 2697/18)

Das OLG München hat nun zunächst den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen und dabei das Recht des Aufsichtsrats zur Einflussnahme im insolvenzfreien Bereich unterstrichen.

Das Gericht stellt klar, dass § 276a S. 1 InsO  das Auskunftsbegehren des Aufsichtsrats entgegen der Rechtsansicht des Antragsstellers nicht hindert. Der Einfluss des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan auf die Geschäftsführung wird nach Auffassung des Senats durch § 276a S. 1 InsO in demselben Umfang beschränkt wie dies bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters der Fall wäre, sodass eine Einflussnahme im insolvenzfreien Bereich möglich bleibt. Diese auch im Insolvenzfall beim Aufsichtsrat verbleibenden Befugnisse würden nicht nur Maßnahmen der direkten Einflussnahme umfassen, sondern als ein Weniger auch Maßnahmen der nur mittelbaren Einflussnahme, wie bspw. Auskunfts-, Einsichts-, Informations- und vergleichbare Rechte.

Die beabsichtigten Beschlussgegenstände wie die Bestellung eines Sonderprüfers u.a. zur Vergütung des Vorstands oder der Vertrauensentzug gegenüber Vorstandsmitgliedern seien allesamt dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen. Der Aufsichtsrat könne daher hierzu Beschlussvorschläge machen und insoweit auch seine Informationsrechte nach § 90 Abs. 3 AktG gegenüber dem Vorstand ausüben.

Darüber hinaus habe der Aufsichtsrat nach dem Wortlaut des § 276a S. 2 InsO auch im Insolvenzverfahren das Recht zur Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung, das nur dadurch beschränkt werde, dass zuvor eine Zustimmung des Sachwalters erforderlich sei. Zur Ausübung des dem Aufsichtsrat demnach gemäß § 276a S. 2 InsO verbliebenen Rechts könne er unabhängig von der in Aussicht genommenen Hauptversammlung auch weiterhin die ihm eingeräumten Informationsrechte gegenüber der Geschäftsleitung einfordern.

Entscheidend sei dabei, zu welchem Zweck der Aufsichtsrat die Informationserteilung verlange. Begehre er sie zum Zwecke der Erstellung einer Stellungnahme zu einem Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung, der inhaltlich dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen ist, so setze dies nur einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen der verlangten Information und dem Gegenstand der Tagesordnung voraus.

Anmerkung

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht im Regelfall nach § 80 InsO die Befugnis, das Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.  Seit nunmehr 20 Jahren sieht das Insolvenzrecht mit der in §§ 270 ff. InsO geregelten Eigenverwaltung  aber auch ein Verfahren vor, das es dem Schuldner gestattet, das Insolvenzverfahren unter Aufsicht eines Sachwalters eigenverantwortlich zu betreiben. Sinn und Zweck der Eigenverwaltung ist die Nutzung des ggf. vorhandenen unternehmerischen Know-hows im Rahmen der Unternehmenssanierung.

Die Anordnung der Eigenverwaltung ändert nichts am Bestand der Organe einer juristischen Person. § 276a S. 1 InsO schließt die Überwachungsorgane, insbesondere die Gesellschafterversammlung der GmbH, zwar sowohl von unmittelbaren Einwirkungen auf die Geschäftsleitung (Weisungen) als auch mittelbaren Einwirkungen und Vorbereitungshandlungen (Informationsverlangen) aus. Nach Sinn und Zweck der Norm umfasst dieser Ausschluss jedoch nur Maßnahmen, die sich auf die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse beziehen. Maßnahmen, die dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen sind, bleiben weiterhin zulässig. In diesem Bereich sind die Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane unverändert. Möglich bleiben bspw. Anmeldungen zum Handelsregister wie die Eintragung einer Kapitalerhöhung oder die Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung, die die Mitglieder des Aufsichtsrats wählt.

Das OLG München stellt nun zu Recht fest, dass § 276a InsO Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung ist, auch den Aufsichtsrat in der Insolvenz nicht völlig auszuschalten.

Dem Aufsichtsrat ist es grundsätzlich auch in der Eigenverwaltung unbenommen, nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG zu denjenigen Punkten der Tagesordnung der Hauptversammlung Vorschläge zur Beschlussfassung zu unterbreiten, die inhaltlich dem insolvenzfreien Raum zuzuordnen sind. Hierzu zählt namentlich auch die Bestellung von Sonderprüfern.

In der Konsequenz muss es ihm aber zur Vorbereitung dieser Vorschläge – wie der Beschluss bestätigt – auch möglich sein, seine Informationsrechte aus § 90 Abs. 3 AktG gegenüber dem Vorstand auszuüben. Dass der Aufsichtsrat dadurch auch Informationen vom Vorstand verlangen kann, die gleichzeitig in inhaltlichem Zusammenhang mit der Geschäftsführung stehen, von deren Überwachung der Aufsichtsrat in der Insolvenz ausgeschlossen ist, ist gerade Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, dem Aufsichtsrat in der Insolvenz nicht jegliche Kompetenz zu nehmen.

Fazit: Der Aufsichtsrat kann auch im Rahmen der Eigenverwaltung etwa durch den Austausch des Vorstands weiter Einfluss auf die Gesellschaft nehmen und hierzu von seinem Einsichts- und Informationsrecht uneingeschränkt Gebrauch machen.

Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer und Dr. Moritz Jenne, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg


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