Keine Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten nach „Griff in die Kasse“
Hintergrund
Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH, die eine Mühle betrieb. Die Klägerin betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen und bezog einerseits von der GmbH u.a. Saatgut und Dünger und belieferte ihrerseits die GmbH mit Weizen, den diese zunächst einlagerte und später zum jeweiligen Tagespreis verkaufte. Zwischen der Klägerin und der GmbH bestand eine Kontokorrentabrede, nach der die Auszahlung des Differenzguthabens von der GmbH an die Klägerin im Februar des Folgejahres erfolgen sollte.
Zur Auszahlung kam es jedoch nicht, vielmehr stellte der Beklagte einen Insolvenzantrag für die GmbH, der später mangels Masse abgewiesen wurde. Grund für die Zahlungsunfähigkeit war, dass der Beklagte zuvor mehrere hunderttausend Euro aus dem Gesellschaftsvermögen entnommen und für betriebsfremde Zwecke verwendet hatte.
Die Klägerin war der Ansicht, dass der Beklagte ihr wegen der Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten vorsätzlich und sittenwidrig einen Schaden zugefügt habe und daher gemäß § 826 BGB persönlich für den Ausfall ihrer Forderung schadensersatzpflichtig sei. Das LG Konstanz wies die Klage ab, das OLG Karlsruhe bejahte dagegen eine persönliche Haftung des Beklagten. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit der Revision an den BGH.
Das Urteil des BGH vom 07.05.2019, Az. VI ZR 512/17
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Er verneinte einen direkten Schadensersatzanspruch eines Geschäftspartners gegen den Geschäftsführer einer GmbH aus § 826 BGB wegen sittenwidriger Verletzung einer Treuepflicht. Zwar sei der Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG zur ordnungsgemäßen und gesetzestreuen Geschäftsleitung verpflichtet – jedoch nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber Dritten. Für einen Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung genüge es nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletze und dadurch einen Schaden verursache. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen komme es vielmehr darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen treffe, der den Anspruch geltend macht. Dies sei beim Beklagten nicht der Fall gewesen.
Eine Treuepflicht des Beklagten ergebe sich auch nicht aus der Kontokorrentvereinbarung zwischen der GmbH und der Klägerin. Aus vertraglichen Beziehungen erwachsen grundsätzlich nur den jeweiligen Vertragspartnern Pflichten, nicht hingegen Dritten. Dies gelte auch für den GmbH-Geschäftsführer, der bei vertraglichen Beziehungen der von ihm vertretenen GmbH Dritter und aus den für die GmbH geschlossenen Verträgen grundsätzlich nicht persönlich verpflichtet ist. Etwas andere gelte nur dann, wenn er in dem für die GmbH abgeschlossenen Vertrag auch persönliche Pflichten übernommen habe und damit selbst Vertragspartner geworden sei. Im Rahmen der Kontokorrentabrede habe den Beklagten jedoch keine persönliche Pflicht getroffen.
Auch einen Schadensersatzanspruch wegen Untreue des Beklagten verneinte der BGH. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die GmbH die Gelder der Klägerin treuhänderisch zu verwahren gehabt, sie damit eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB getroffen und der Beklagte diese gegenüber der Klägerin bestehende Vermögensbetreuungspflicht der GmbH verletzt hätte.
Anmerkung
Mit dem Urteil setzt der BGH seine bisherige Rechtsprechung fort, dass bei einer GmbH grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen in Anspruch genommen werden kann. Eine gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlage für Dritte gegen den Geschäftsführer gibt es nicht; Gläubiger der GmbH können sich allerdings bei einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers vollstreckungshalber Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer nach den Vorschriften der §§ 829, 835 ff. ZPO pfänden und überweisen lassen. Darüber hinaus ist eine persönliche Inanspruchnahme der Geschäftsführer nur in Ausnahmefällen möglich ist.
Für den Fall, dass eine GmbH ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen, weil sie wirtschaftlich dazu nicht in der Lage ist, kommen vor allem zwei Ausnahmefälle für eine persönliche Haftung des Geschäftsführers in Betracht: eine Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss und wegen Insolvenzverschleppung.
Ersteres setzt voraus, dass der Geschäftsführer bei Vertragsschluss ein besonderes persönliches Vertrauen des Vertragspartners auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen in Anspruch genommen hat. Dafür genügt nicht das Unterlassen, den Vertragspartner über die finanziellen Verhältnisse der GmbH aufzuklären. Der Geschäftsführer haftet aber z.B. dann persönlich, wenn er gegenüber dem Vertragspartner persönlich eine Garantie für die Zahlungsfähigkeit der GmbH übernommen hat. Für eine solche Zusage genügt z.B. die Erklärung, dass der Lieferant in jedem Fall sein Geld bekommen werde und der (Gesellschafter-)Geschäftsführer im Falle einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der GmbH Kapital nachschießen werde (BGH, Urt. v. 18.06.2001 – II ZR 248/99).
Ist dagegen bereits Insolvenzreife eingetreten, ohne dass der Geschäftsführer seiner Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nachgekommen ist, haftet der Geschäftsführer den sog. Neugläubigern, die nach Eintritt der Insolvenzreife ihre Forderung erworben haben, ebenfalls persönlich gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO.
Vor diesem Hintergrund ist es bei der Verhandlung von Verträgen mit einer GmbH zu empfehlen, wenn möglich zusätzlich eine persönliche Haftung der Geschäftsführung oder der Gesellschafter zu vereinbaren. Dies kann z.B. im Wege einer persönlichen Garantie, eines Schuldbeitritts oder einer Bürgschaft des Geschäftsführers erfolgen.
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Seminar: Rechte und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers
Inhalte des Seminars sind u. a. Rechtsgrundlagen
- zu Stellung und Bestellung des Geschäftsführers.
- Arbeitsrecht und die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften auf GmbH-Geschäftsführer (z. B. BUrlG, EntgFZG),
- die Haftung des Geschäftsführers: Risikomanagement, Haftungsbegrenzung, D&O-Versicherungen.
- Der Umgang mit Unternehmenskrisen bis hin zum Insolvenzfall (§ 64 GmbHG),
- die Beendigung der Geschäftsführerstellung und des Vertrags.
- Wettbewerbsverbote.
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