BGH zu Gerichtskosten bei nur teilweise begründeter UWG-Abmahnung
Nicht selten werden von der Konkurrenz nach dem Motto, "nicht kleckern, sondern klotzen" mehrere UWG-Verstöße gleichzeitig abgemahnt.
Textilkennzeichnungsverordnung durch zu viele Anglizismen verletzt: Amtssprache ist Deutsch
Die Beschreibung von Jogginghosen war der Stein des Anstoßes für eine Abmahnung. Der Verkäufer bot die Hosen auf „amazon.de“ an. Die Materialzusammensetzung war auf Verpackung und den Etiketten in den Jogginghosen mit „52 % Cotton, 40 % Polyester, 8 % Acrylic“ angegeben. Das missfiel einem Bekleidungshersteller. Die Bezeichnungen „Cotton“ und „Acrylic“ seien keine zulässigen Kennzeichnungen nach der Textilkennzeichnungsverordnung. Danach
- sind die Verbraucher in Deutschland über die Textilfasern in einem Produkt mit mindestens 80 % Textilfaseranteil unter Verwendung der Faserbezeichnungen zu informieren,
- die in der deutschen Fassung des Anhangs I der Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführt sind.
Danach hätten die Stoffe der Jogginghosen mit „Baumwolle“ statt „Cotton“ und „Modacryl“ oder „Polyacryl“ statt „Acrylic“ benannt werden müssen.
Abmahnung von Wettbewerber gerichtlich überprüft
Die entsprechende Abmahnung des Bekleidungsherstellers wurde vor dem Landgericht München I, dem OLG München und zuletzt vom BGH überprüft. OLG und BGH bestätigten die Abmahnung insoweit, als dass die Verwendung von „Acrylic“ einen spürbaren Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darstellt (§§ 3, 3a UWG). Das wird immer dann bejaht, wenn der Verbraucher
- eine wesentliche Information nicht bekommt, die er braucht,
- um eine informierte Entscheidung zu treffen und
- und das Vorenthalten der Information geeignet ist,
- ihn anders als mit der Information zu entscheiden.
Das wurde für „Acrylic“ bejaht. Die englische Bezeichnung „Cotton“ hingegen habe sich im deutschen Sprachbereich so sehr eingebürgert, dass der durchschnittliche Verbraucher weiß, dass es sich um Baumwolle handelt. Deshalb seien seine Interessen diesbezüglich nicht spürbar beeinträchtigt.
Feiner Unterschied zwischen zusammengefassten und gesonderten Beanstandungen
Was aber passiert nun mit den Kosten der Abmahnung? Werden sie geteilt? Trägt sie der Abgemahnte allein? Das OLG München war fürs Teilen, der BGH bürdete sie dem Wettbewerbssünder voll auf. Für diese Entscheidung, die in jedem Einzelfall anders aussehen kann, geben die Bundesrichter folgende Leitsätze mit auf den Weg:
- „Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten, das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch unter einem der genannten Gesichtspunkte als begründet erweist.“
- „Anders kann es zu beurteilen sein, wenn der Gläubiger die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht. So kann es sich etwa verhalten, wenn der Kläger im Hinblick auf verschiedene Werbeaussagen in einer Werbeanzeige gesonderte Unterlassungsansprüche geltend macht. In einem solchen Fall ist die Abmahnung nur insoweit berechtigt und sind die Kosten der Abmahnung einem Mitbewerber nur insoweit zu ersetzen, wie die einzelnen Beanstandungen begründet sind.“
Vorformulierte Unterlassungserklärung hilft bei Auslegung
Zur Auslegung im konkreten Fall hat der BGH die vorformulierte Unterlassungserklärung herangezogen. Darin hatte das abmahnende Unternehmen die gesamte Angabe auf den Etiketten und der Verpackung, sozusagen in einem Atemzug beanstandet. Das führte zur Subsumierung unter den oben als 1. bezeichneten Leitsatz.
Übermaß in vorformulierter Unterlassungserklärung bleibt folgenlos
Der BGH hat in diesem Urteil noch einen wichtigen Punkt im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung bestätigt: Die Abmahnung muss die Aufforderung zu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten.
- Formuliert der Gläubiger – wie so oft – die Erklärung vor
- und fordert hierin mehr als ihm zusteht, ist das unschädlich.
Es ist nämlich ureigene Sache des Schuldners, die Erklärung aufgrund der Abmahnung abzugeben; er muss und sollte in dem Fall den Vorschlag des Gläubigers nicht übernehmen.
(BGH, Urteil v. 31.10.2018, I ZR 73/17).
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