Mitwirkung Vorstand bei eigener Bestellung zum Geschäftsführer

Im Konzern sind Vorstände des Mutterunternehmens oft auch Geschäftsführer oder Beiräte der Tochterunternehmen. Da die AG gegenüber dem Vorstand vom Aufsichtsrat vertreten wird, ist jedoch umstritten, welches Organ der AG für eine solche Bestellung zuständig ist.

Hintergrund

Eine AG wird durch ihren Vorstand vertreten. Nur gegenüber dem Vorstand vertritt der Aufsichtsrat die AG. Dies ist zwingend (§ 112 AktG) und kann nicht abweichend geregelt werden. So soll sichergestellt werden, dass die Interessen der AG objektiv wahrgenommen werden. Denn die Mitwirkung ein und derselben Person auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts – einerseits in Vertretung der AG als Vorstandsmitglied andererseits in eigenem Namen – birgt die Gefahr eines Interessenkonflikts.

Welche Auswirkungen diese Situation auf die Bestellung von AG-Vorständen als Geschäftsführer von Tochter-GmbHs hat, ist umstritten:

  • Das Landgericht Berlin hat im Jahr 1996 entschieden, dass in einer solchen Situation entweder der Aufsichtsrat der AG handeln oder dieser zumindest den Vorstand besonders bevollmächtigen müsse.

  • Das OLG Frankfurt hat dagegen in 2006 geurteilt, dass § 112 AktG nicht anwendbar sei, da nicht ein Rechtsverhältnis in der AG, sondern eines in der Tochtergesellschaft betroffen sei.

Die Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 8.5.2012, Az. 31 Wx 69/12

Das OLG München hat sich dem OLG Frankfurt und der in der juristischen Literatur herrschenden Auffassung angeschlossen. Der Vorstand einer Mutter-AG könne bei der eigenen Bestellung zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH mitwirken. Denn dies sei kein Fall des § 112 AktG, der allein auf das Verhältnis von Aktiengesellschaft und Vorstandmitglied anzuwenden sei, während bei der Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH die Beziehung der Aktiengesellschaft zur Tochter-GmbH betroffen sei. Es handelte sich gerade nicht um ein Geschäft der AG mit dem Vorstand selbst.

Allein die allgemeinen Vorschriften fänden Anwendung und diese (konkret § 181 BGB) seien erfüllt, da der Vorstand seitens des Aufsichtsrats von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit worden sei.

Anmerkung

Im Ergebnis ist dem OLG München voll zuzustimmen. Leider ist die Entscheidung rechtskräftig, so dass eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH zu dieser wichtigen Frage fehlt. Es ist daher in der Praxis anzuraten, dass weiterhin der Aufsichtsrat vorsorglich der Bestellung eines Vorstands zum Geschäftsführer oder Beirat einer Tochter-GmbH zustimmt.

Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte es möglichst vermieden werden, dass das zum Geschäftsführer zu bestellende Vorstandsmitglied die AG in der Gesellschafterversammlung der Tochter-GmbH bei der Beschlussfassung zur Geschäftsführerbestellung vertritt. Wenn dies aber nicht möglich ist (z.B. mangels weiterer Vorstände), sollte der Aufsichtsrat vorsorglich den betreffenden Vorstand für diese Beschlussfassung von den Beschränkungen des § 181 1. Alt. BGB (Verbot des Selbstkontrahierens) befreien. Zwar kann – worauf das OLG München leider nicht eingeht – nach herrschender Auffassung angesichts der zwingenden Regelung des § 112 AktG ein Vorstand grundsätzlich nur von den Beschränkungen des § 181 2. Alt. BGB (Verbot der Doppelvertretung) befreit werden. Aber mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung kann nicht ausgeschlossen werden, dass für die Vertretung der AG in der Gesellschafterversammlung der Tochter-GmbH zwar § 112 AktG keine Anwendung findet, jedoch § 181 BGB.

 

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Nils Wurch, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


Schlagworte zum Thema:  Geschäftsführung, Vorstand, Aktiengesellschaft