Sitzverlegung auch bei Liquidation der Gesellschaft
Zum Sachverhalt
In dem vom OLG Celle entschiedenen Fall ging es um die Sitzverlegung einer GmbH in Liquidation (i.L.). Die Gesellschafterversammlung der (zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits in Liquidation befindlichen) GmbH i.L. hatte eine Sitzverlegung beschlossen, die anschließend vom Liquidator auch ordnungsgemäß zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurde. Das Registergericht wies die Anmeldung der Sitzverlegung zurück. Es war der Meinung, die Sitzverlegung widerspräche dem Wesen der Abwicklung der Gesellschaft und sei deswegen im Liquidationsstadium nur in sehr engen Grenzen zulässig. Gegen diese Entscheidung des Registergerichts legte die GmbH Beschwerde ein.
Der Beschluss des OLG Celle v. 26.4.2021 (9 W 51/21)
Die Beschwerde hatte Erfolg und das OLG Celle wies das Registergericht an, den Eintragungsvorgang hinsichtlich der Sitzverlegung fortzusetzen. Das Gericht legte dabei einen weniger strengen Maßstab an als noch das KG Berlin vor einigen Jahren (KG Berlin, Beschluss v. 24.4.2018, 22 W 63/17). Es hielt eine Sitzverlegung in der Liquidation keineswegs für unüblich oder regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Vielmehr wies das Gericht darauf hin, dass gerade in Abwicklungsphasen Geschäftsräume häufig verkleinert und dann teils auch an andere Orte verlegt würden. Aus seiner Sicht spräche nichts dagegen, wenn in diesem Zusammenhang auch der Satzungssitz verlegt werde. Es könne zwar im Einzelfall eine Sitzverlegung rechtsmissbräuchlich sein; hierfür gebe es jedoch im entschiedenen Fall keine Anhaltspunkte.
Praxishinweis
Es kommt immer wieder vor, dass im Liquidationsstadium einer GmbH ihre Satzung geändert werden soll. Neben dem Umzug der Geschäftsräume und einer damit einhergehenden Sitzverlegung (wie im Fall des OLG Celle) können Kapitalmaßnahmen oder die Änderung der Firma oder des Unternehmensgegenstand (z.B. bei einer Veräußerung des in Liquidation befindlichen Unternehmens) der Grund für eine Satzungsänderung sein.
Solche Satzungsänderungen sind bei einer in Liquidation befindlichen GmbH nicht per se unzulässig. Es gelten jedoch Besonderheiten, denn die GmbH i.L. tritt nicht mehr werbend am Markt auf, sondern ist auf eine Auseinandersetzung gerichtet. Im Zuge der Liquidation sind dementsprechend die Interessen der Gesellschaftsgläubiger besonders geschützt, beispielsweise durch das (durch Veröffentlichung der Liquidation im Bundesanzeiger in Lauf gesetzte) Sperrjahr, innerhalb dessen sie ihre Forderungen gegen die GmbH i.L. beim Liquidator anmelden können. Um diesen Gläubigerschutz nicht auszuhöhlen, dürfen Satzungsänderungen bei einer in Liquidation befindlichen GmbH nur erfolgen, wenn sie dem Zweck und Wesen der Liquidationsverteilung nicht widersprechen.
In den vergangenen Jahren war umstritten, wie streng der dafür anzulegende Maßstab ist. Das KG Berlin setzte in seiner oben angesprochenen Entscheidung vom 24.4.2018 hohe Maßstäbe und forderte einen „Vorbehalt der Zweckmäßigkeit“ für Satzungsänderungen in der Liquidationsphase. Die Eintragung der Sitzverlegung, über die es damals zu entscheiden hatte, wies es mit der Begründung zurück, durch die Verlegung des Sitzes werde den Gesellschaftsgläubigern das Auffinden der Gesellschaft erschwert. Das OLG Celle hatte keine solch grundlegenden Bedenken gegen die Sitzverlegung. Im Gegenteil: Gerade für eine Sitzverlegung schien das Gericht ein praktisches Bedürfnis anzuerkennen, jedenfalls wenn zugleich die Geschäftsräume verlegt werden.
Für die Zukunft gilt: Satzungsänderungen sind auch bei einer Liquidation der GmbH möglich. Sie dürfen aber nicht wahllos erfolgen, sondern einen sachlichen Grund sollte (und dürfte es im Regelfall) immer geben. Konkret für den Fall der Sitzverlegung könnte das Urteil des OLG Celle zu einer weniger strengen Praxis führen und diese häufig zulassen. Angesichts des Umstandes, dass Sitzverlegungen im elektronischen Handelsregister nachvollziehbar sind und über die vom OLG Celle auch angesprochene Regelung in § 69 Abs. 2 GmbHG auch der bei Auflösung der GmbH bestehende Gerichtsstand gleich bleibt (und zwar selbst bei einer späteren Sitzverlegung), ist dies einleuchtend und für die Praxis zu begrüßen. Natürlich bleibt es aber dabei: Sitzverlegungen, um sich vor den Gläubigern zu verstecken, oder sonstige Satzungsänderungen, durch die Gläubiger benachteiligt werden (z.B. Kapitalherabsetzungen mit einer Rückzahlung der Einlagen) sind rechtsmissbräuchlich und als solche nicht im Handelsregister eintragungsfähig.
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