BGH stärkt die Bankenseite bei Risikoanlagen
Der Entscheidung des BGH lag ein Fall zu Grunde, bei dem ein in der Aufnahme von Fremdwährungsdarlehen erfahrener Geschäftsmann sich von der Nürnberger Sparkasse einen Swapwährungswerkvertrag vermitteln ließ. Der Geschäftsmann selbst hatte in seinem Anlegerprofil angegeben, dass er zu einem spekulativen Geschäft bereit sei. Die Nürnberger Sparkasse bot ihm entsprechend seinem Wunsch einen Währungsswap über türkische Lira und Schweizer Franken an, bei der die Landesbank Baden-Württemberg als Wettgegner fungierte.
Nicht über negativen Marktwert aufgeklärt?
Nach der Darstellung des Anlegers hatte die Nürnberger Sparkasse ihn bei Abschluss des Geschäftes nicht darüber aufgeklärt, dass der Swap bereits bei Abschluss des Vertrages einen von ihm behaupteten negativen Marktwert aufwies. Die Einzelheiten blieben zwischen den Parteien insoweit strittig. Vertraglich verpflichtete die Landesbank sich, an 12 festgelegten Terminen jeweils Zinsen in Höhe von 15,66 % per anno auf den Festbetrag in türkischen Lira zu zahlen, der Kläger war verpflichtet ebenfalls an 12 festgelegten Terminen jeweils Zinsen in Höhe von 3,6 % per anno auf den Festbetrag in Schweizer Franken zu zahlen. Bei Laufzeitende sollten die jeweiligen Festbeträge wieder zurückgetauscht werden.
Was sind Währungsswaps?
Währungsswaps (= Cross-Currency-Swaps) sind Finanzderivate, bei denen zwei Vertragspartner Zins- und Kapitalzahlungen in unterschiedlichen Währungen tauschen. Die Grundidee des Geschäftes besteht darin, dass durch unterschiedliche Zinsmargen der beiden Währungen Gewinne generiert werden und durch Tausch und späteren Rücktausch der zu Grunde liegenden Kapitalbeträge auf einer Seite infolge der Währungsschwankungen zusätzliche Gewinne entstehen. Letztlich beinhaltet das Geschäft eine Wette über künftige Zinsentwicklungen sowie über die Veränderungen der Währungsparität. Im konkreten Fall hatte der Kläger als Bezugswährungen türkische Lira und Schweizer Franken gewählt
Abwertung des Lira führte zu Verlusten
Bei der Nürnberger Sparkasse hatte der Beklagte ein Fremdwährungskonto eingerichtet, auf dem die Zinsleistungen der Landesbank eingingen. Dieses Konto verpfändete er im Mai 2010 an die Nürnberger Sparkasse als Sicherheit für einen Aval-Kreditrahmen über 150.000 Euro, der als Risikolinie für den Swap-Vertrag genutzt werden sollte. Nach einer Abwertung des türkischen Lira entwickelte sich der Barwert des Swapvertrages zu Ungunsten des Anlegers. Nach mehrfacher Überschreitung der ihm eingeräumten Kreditlinie stellte die Nürnberger Sparkasse im September 2011 den Swap-Vertrag glatt, verwertete das verpfändete Fremdgeldkonto mit einem Guthaben von ca. 108.000 Euro und belastete ein weiteres Konto des Klägers mit dem noch offenen Restbetrag in Höhe von ca. 180.000 Euro. Unter anderem diesen Betrag verlangte der Kläger mit seiner Klage zurück.
Ungleiche Wettchancen nicht offen gelegt
Im Zentrum der Entscheidung des BGH stand der bei Abschluss des Swap-Vertrages nach Behauptung des Anlegers bereits bestehende negative Marktwert des Swaps. Der Anwalt des Klägers wies darauf hin, dass hierdurch von Anfang an eine Risikoverteilung zulasten des Anlegers bestanden habe. Auch wenn der Anleger grundsätzlich zu einer spekulativen Anlage bereit gewesen sei, so habe er doch mit fairen Wettbedingungen rechnen dürfen. Über das tatsächlich bestehende Ungleichgewicht der Wettchancen hätte die Nürnberger Sparkasse nach Auffassung der Revisionsbegründung den Kläger aufklären müssen.
Negativer Marktwert ist nicht unüblich
Diese Auffassung teilte der BGH nicht. Nach Meinung des Senats besteht auch bei anderen Derivatgeschäften häufig zu Beginn ein negativer Marktwert, weil im Kaufpreis die Bruttomarge der Bank einstrukturiert sei, ohne dass ein Risiko-Anleger von der vermittelnden Bank darüber gesondert aufgeklärt werden müsse. Insoweit unterscheide sich das Swapgeschäft nicht von anderen Derivatgeschäften. Die Empfehlung eines speziellen Swapvertrages könne dennoch anlegergerecht sein, wenn das Geschäft nicht nachhaltig durch übermäßige Kosten- und Gewinnsbestandteile beeinträchtigt würde.
Aufklärungspflicht nur für die vermittelnde Bank verneint
Der BGH betonte jedoch, dass diese Wertung nur die Bank betreffe, die – wie hier – bei dem Geschäft als Vermittlerin auftrete. In einem Fall, in dem die beratende Bank gleichzeitig Vertragspartei des Swapvertrages war, hatte der BGH eine Aufklärungspflicht über den negativen Marktwert bejaht, weil in diesem Fall ein offensichtlicher Interessenkonflikt zwischen den Interessen der Banken und dem Interesse des Anlegers als unmittelbare Wettgegner vorgelegen habe (BGH, Urteil v. 22.3.2011, XI ZR 33/10). An einem solchen Interessenkonflikt fehlte es nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall, da die beratende Bank lediglich Vermittler und damit nicht Vertragspartner des Anlegers war.
Anleger geht leer aus
Auch im übrigen konnte der BGH eine Pflichtverletzung der beratenden Bank nicht erkennen. Die Ausführung des Berufungsgerichts wiesen insoweit keine Rechtsfehler auf. Zu Recht sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass angesichts der Risikobereitschaft und der finanziellen Möglichkeiten des Klägers die Anlageempfehlung sachgerecht gewesen sei. Dem Kläger sei das grundsätzliche Risiko des Geschäfts, insbesondere das Fremdwährungsrisiko sowie das Risiko von Kursschwankungen bewusst gewesen. Er selbst habe das Währungspaar Türkische Lira/Schweizer Franken sowie den Einstiegskurs vorgegeben. Das Berufungsgericht sei daher rechtsfehlerfrei von einer objektgerechten Beratung ausgegangen. Der Kläger hatte mit seinem Rückzahlungsverlangen daher keinen Erfolg.
(BGH, Urteil v. 20.1.2015, XI ZR 316/13).
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