Voraussetzungen für die Bestellung eines GmbH-Notgeschäftsführers
Ursprünglich waren an einer Komplementär-GmbH (im Folgenden: „Gesellschaft“) einer KG zwei Familienstämme beteiligt, von denen der Vertreter eines Stammes (nach dem Tod seines Bruders, der ebenfalls Geschäftsführer war) den Geschäftsführer stellte.
Auf Antrag des anderen Stammes hatte das Landgericht Düsseldorf dem Geschäftsführer jedoch durch einstweilige Verfügung untersagt, seine Befugnisse als Geschäftsführer auszuüben. Denn das Landgericht war der Auffassung, dass er sich über mehrere Jahre (trotz wesentlicher Beteiligung des anderen Stammes) als Alleininhaber der Gesellschaft gerierte unter bewusster Benachteiligung des anderen Familienstammes. Unzulässigerweise habe er bspw. Entnahmen zur Zahlung von Steuern verweigert oder Streichungen aus der Gesellschafterliste der Gesellschaft vorgenommen, um den anderen Familienstamm zu benachteiligen und aus der Gesellschaft zu drängen.
Auf den anschließenden Antrag des gleichen Stammes hatte das zuständige Registergericht sodann einen Notgeschäftsführer der Gesellschaft bestellt (da sich die Gesellschafter ja nicht auf einen Geschäftsführer einigen konnten). Dagegen legte der von der einstweiligen Verfügung betroffene Geschäftsführer Beschwerde ein.
Der Beschluss des OLG Düsseldorfs vom 10.02.2021, Az. 3 Wx 5/21
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Denn die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführerbestellung lagen nach dem OLG Düsseldorf im vorliegenden Fall vor.
Die Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH richte sich (nach allgemeiner Meinung) nach § 29 BGB. Denn das GmbH-Recht treffe hier – anders als das Aktienrecht (§ 85 AktG) keine Regelung. Hiernach sei zunächst erforderlich, dass
„ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt oder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Geschäftsführerbestellung gehindert ist.“
Überdies müsse die Bestellung eines Notgeschäftsführers dringlich sein. Durch den damit verbundenen wesentlichen Eingriff in das gem. § 46 Nr. 5 GmbHG gewährleistete Recht der Gesellschafter zur Geschäftsführerbestellung seien die Anforderungen aber eng auszulegen.
Aufgrund der (unbefristeten) einstweiligen gerichtlichen Verfügung fehle es vorliegend an einer organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft. Es gehe auch nicht allein um eine Gesellschafterstreitigkeit über die Person des Geschäftsführers. Vielmehr handele es sich nach dem vorliegenden Sachverhalt um umfassende rechtliche und wirtschaftliche Auseinandersetzungen zwischen den beiden Familienstämmen unter den Gesellschaftern. Eine solche Lagerbildung sei vergleichbar mit einem Streit zwischen Gesellschaftergeschäftsführern in einer Zweipersonen GmbH mit wechselseitigen Abberufungs- und Ausschließungsbeschlüssen, und in solch einer Konstellation sei die Bestellung eines Notgeschäftsführers auch zulässig. Darüber hinaus sei die Notbestellung auch dringlich, weil die Gesellschaft stets gegenüber staatlichen Stellen auftreten und auch handelsrechtliche Pflichten erfüllen müsse.
Anmerkung
Das Urteil überzeugt. Denn in extrem gelagerten Konstellationen wie der vorliegenden Lagerbildung zwischen den beiden zerstrittenen Familienstämmen ist anderweitig nicht sichergestellt, dass die Gesellschaft handlungsfähig bleibt.
Der Notgeschäftsführer einer GmbH hat im Grundsatz die gleiche Stellung wie ein ordnungsgemäß durch die Gesellschafter bestellter Geschäftsführer. Es gelten vorbehaltlich des Bestellungsbeschlusses die gleichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse. Der Notgeschäftsführer muss daher insbesondere auch die Weisungen der Gesellschafter beachten (sofern es zu einem entsprechenden Beschluss kommt) und im Rahmen der geltenden Zustimmungserfordernisse einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss für außerordentliche Maßnahmen einholen und andererseits (bei sehr engen Ausnahmefällen) die Maßnahme unterlassen.
Die Bestellung des Notgeschäftsführers endet beispielsweise erst, wenn es der nach wie vor für die Bestellung des Geschäftsführers zuständigen Gesellschafterversammlung zwischenzeitlich gelungen ist, die erforderliche Anzahl an Geschäftsführern zu bestellen. Das kann durch Einvernehmen oder eine entspr. gerichtliche Regelung in Folge eines Streits über die Stimmabgabe der Gesellschafter erfolgen. Durch die Gesellschafterversammlung kann der Notgeschäftsführer aber selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht abberufen werden. Dies obliegt allein dem Registergericht.
Gerade in Gesellschaften mit zwei gleichberechtigten Gesellschaftern sollten die Parteien es aber nicht auf die Bestellung eines Notgeschäftsführers ankommen lassen, sondern (auch) durch entsprechende Regelungen zur Konfliktlösung (Einbindung eines Beirates, Mediation, „Russian Roulette“-Klauseln, Erwerbsoptionen, …) versuchen, dass es gar nicht erst zu einer unlösbaren Patt-Situation kommt.
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