Was ändert sich zum 18.4.2016 mit der Reform des Vergaberechts?
Mit der Reform werden drei grundlegende Richtlinien der EU umgesetzt: die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinie 214/24/EU), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Richtlinie 214/25/EU) sowie die Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (Richtlinie 214/23/EU). Zum 18. 4.2016 soll das neue Gesetz in Kraft treten. Die Modernisierung des Vergaberechts ist das größte vergaberechtliche Gesetzgebungsverfahren der letzten zehn Jahre. Betroffen sind Vergaben oberhalb der EU Schwellenwerte.
Deutliche Straffung des Vergabeverfahrens
Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist in der Bundesrepublik dreistufig regelt. Grundsätzlich will der Gesetzgeber hieran zunächst nichts ändern. Die Vergabe wird allerdings in Zukunft schlanker und straffer erfolgen.
- Auf der ersten Stufe regelt das GWB die grundsätzlichen vergaberechtlichen Vorgänge.
- Auf der zweiten Stufe regeln die Vergabeverordnungen die Einzelheiten der Durchführung des Vergabeverfahrens. Hierzu gehören die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV), die das Kabinett am 20.01.2016 beschlossen hat,
- die Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit und die Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasser- und der Energieversorgung.
- Im Bereich der VgV regeln auf der dritten Stufe die Vergabe- und Vertragsordnungen für Leistungen, freiberufliche Leistungen und Bauleistungen (VOB/A) die Einzelheiten der Verfahren.
GWB Teil 4 wird tiefgreifend reformiert
Im Zentrum der Umsetzung steht die Novellierung von Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Hierin werden die Voraussetzungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen geregelt.
- Nach dem neuen Gesetz erhält der öffentliche Auftraggeber weitgehende Möglichkeiten, bei der Vergabe soziale und ökologische Kriterien zu berücksichtigen. Hierzu gehören arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen und die Regelung zum Mindestentgelt nach der Mindestlohngesetz.
- Auftragnehmer, die gegen geltende umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche Vorschriften verstoßen, sollen künftig vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können.
Im Zentrum der Reform: die Einheitliche Europäische Eigenerklärung
Ein wesentlicher Gesichtspunkt des neuen Gesetzes ist die Vereinfachung und Verschlankung der Prüfungsvorgänge. Mit Art. 59 der Richtlinie 214/24/EU wurde die „Einheitliche Europäische Eigenerklärung“ (EEE) eingeführt, die der Erleichterung und Vorstrukturierung der Eignungsprüfung dient. Die EEE ersetzt in einem vorläufigen Stadium die Eignungsnachweise.
- Der Erklärende hat zu versichern, dass einer Auftragsvergabe an ihn keine Ausschlussgründe entgegenstehen. (Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU);
- der Bewerber muss versichern, dass er die Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers zur Eignung erfüllt und zwar hinsichtlich seiner
- Befähigung zur Berufsausübung,
- seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit
- sowie seiner technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit
Bewerber müssen auf Nachfrage sofort Nachweise liefern können
Nach der Reform muss der Bewerber in der Lage sein, die Nachweise für das Vorliegen der von ihm versicherten Eignungskriterien jederzeit vorzulegen. Darüber hinaus muss er die objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien des öffentlichen Auftraggebers zur Reduzierung der Teilnahme am Wettbewerb erfüllen.
Komplette Digitalisierung der Auftragsvergabe
Die Kommunikation zwischen Bewerber und öffentlichem Auftraggeber soll in Zukunft grundsätzlich nicht mehr mithilfe von Papier sondern komplett elektronisch erfolgen. Nach einer Übergangsfrist kann die EEE nur noch in elektronischer Form übermittelt werden.
Verlagerung vom offenen zum nicht offenen Verfahren
In der Bundesrepublik stand für die Vergabe bisher das Prinzip des offenen Verfahrens im Vordergrund. Künftig wird eine Verlagerung auf das nicht offene Verfahren stattfinden, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen die Chancen der Teilnahme deutlich verbessert. Dies liegt daran, dass die öffentlichen Auftraggeber in nicht offenen Verfahren die Unternehmen erst dann zur Erstellung und Einreichung von aufwändigen Angebotsunterlagen auffordern, wenn deren Eignung feststeht.
Der preiswerteste Anbieter kann bei Missachtung ökologischer Aspekte unterliegen
Bei vertraglichen Änderungen nach Auftragsvergabe ist zukünftig eine neue Ausschreibung erforderlich, wenn die Änderungen wesentlich sind. Wesentlich sind die Änderungen immer dann, wenn das Vorhaben durch die Änderungen auch für andere Bieter interessant und das wirtschaftliche Gleichgewicht der Vergabe deutlich verlagert wird, § 132 GWB-E.
Auch künftig entscheidet das wirtschaftlichste Angebot über den Zuschlag. Die nun wesentlich stärker mögliche Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Aspekte bei der Bewertung kann aber dazu führen, dass der Zuschlag an einen eigentlich teureren Anbieter erfolgt, wenn dieser soziale und umweltbezogene Aspekte nachhaltiger beachtet hat als andere Anbieter § 127 GWB-E.
Die Reform ist nur ein erster Schritt
Obwohl die Reform umfassend ist, ist schon jetzt weiterer Reformbedarf absehbar. Spätestens mit Einführung der geplanten Freihandelszonen, nämlich dem Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), dem Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) und dem Trade in Services Agreement (TiSA) werden weitere Änderungen und insbesondere Vereinfachungen kommen und möglicherweise die von vielen Experten schon jetzt geforderte Abkehr vom Drei-Stufen-Prinzip erforderlich sein.
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