BGH zur Wertersatzpflicht des Käufers beim Widerruf im Fernabsatzverkehr
Hintergrund
Der Kläger bestellte auf der Webseite der Beklagten einen Katalysator mit passendem Montagesatz für seinen PKW und ließ ihn nach Erhalt der Ware in einer Fachwerkstatt einbauen. Anschließend unternahm er eine Probefahrt, wobei er bemerkte, dass der PKW nicht mehr dieselbe Leistung wie zuvor erbrachte. Aus diesem Grund ließ er den Katalysator wieder ausbauen und widerrief den Kaufvertrag. Der Katalysator wies nach dem Ausbau deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren auf. Nach Auffassung der Beklagten war der Katalysator dadurch praktisch wertlos. Dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises hielt sie daher ihren Anspruch auf Wertersatz entgegen.
Entscheidung des BGH vom 12. Oktober 2016, Az. VIII ZR 55/15
Der Bundesgerichtshof entschied im Sinne der Beklagten. Der Verbraucher habe kein Recht, mit der bestellten Sache unbegrenzt umzugehen. Sinn und Zweck der Regelungen im Widerrufsrecht sei lediglich, ihm die Prüfmöglichkeiten zu gewähren, die er auch bei einem Kauf im Ladengeschäft des Verkäufers gehabt hätte. Hierfür dürfe der Verbraucher die Sache nicht nur in Augenschein nehmen, sondern sie auch auf ihre Eigenschaften und Funktionsweise überprüfen ohne befürchten zu müssen, sofort für den Eintritt eines Wertverlustes zu haften.
Soweit der Vergleich mit den Möglichkeiten in einem Ladengeschäft zur Begründung von Rechten des Verbrauchers herangezogen werde, müsse sich hieran jedoch auch die Grenze dieser Rechte messen lassen. Die gesetzlichen Regelungen sollen dem Käufer weder nach nationalem, noch nach dem zugrundeliegenden europäischen Recht weitergehende Rechte gewähren. Der Einbau der Sache und die Durchführung einer Probefahrt stellten keine reine Prüfung mehr dar, sondern seien als Ingebrauchnahme zu werten. Es sei darum nicht unbillig, dem Käufer die Kosten für die Verschlechterung der Sache aufzuerlegen.
Voraussetzung für die Wertersatzpflicht sei aber jedenfalls, dass der Kläger bei Vertragsschluss (wirksam) auf dieses Risiko hingewiesen wurde. Dies muss nun vom Berufungsgericht geprüft werden.
Anmerkung
Für Verkäufer im Fernabsatzgeschäft stellt diese Entscheidung eine wichtige Klarstellung dar. Bisher konnten Käufer die erhaltene Ware oftmals so ausgiebig „testen“, dass es für den Verkäufer nach einem Widerruf fast unmöglich war, die Ware noch einmal zum Verkauf anzubieten. Zu befürchten war immer, dass die Handlung des Käufers durch ein Gericht noch als reine Prüfung angesehen werden könnte. Der BGH hat nun klargestellt, dass der Käufer nur die Möglichkeiten haben solle, die er auch im Ladengeschäft gehabt hätte. Die Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs sollen für eine Gleichstellung, nicht aber für eine Besserstellung der Online-Käufer sorgen.
Dabei zeigt sich auch, dass einer korrekt und rechtswirksam gestalteten Widerrufsbelehrung und der wirksamen Unterrichtung des Verbrauchers erhebliche Bedeutung zukommt. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kommt eine Wertersatzpflicht des Käufers überhaupt in Betracht. Die Entscheidung des BGH ist auch keine Blaupause, um unliebsame Rückabwicklungen durch Verbraucher abzuwehren: der Verkäufer muss im Streitfall nachweisen, dass er den Käufer ordnungsgemäß unterrichtet hat, dass der Umgang des Käufers über den zulässigen Umfang hinausgegangen ist und dass es dadurch zu einem Wertverlust der Ware gekommen ist. Die letzten beiden Punkte werden dabei im Wesentlichen davon abhängen, um was für eine Ware es sich handelt.
Verbraucher sollten sich hingegen vor Augen führen, dass sie mit einer Ware äußerst sorgsam umgehen müssen, wenn sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen wollen. In vielen Fällen wird eine Prüfung der Ware, die über das zulässige Maß hinausgeht, zu einem beträchtlichen Wertverlust führen, der dann vom Käufer zu ersetzen ist.
Rechtsanwälte Dr. Frank Jungfleisch, Sebastian Hoegl, LL.M. (Wellington), Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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