Große regionale Unterschiede bei koronarer Herzkrankheit
Der Anteil der KHK-Erkrankten an allen Einwohnerinnen und Einwohnern ab 30 Jahren reicht von 5,5 Prozent in München bis zu 16,1 Prozent im Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Das geht aus dem aktuellen „Gesundheitsatlas KHK“ hervor, den das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) aus Anlass des Weltherztages veröffentlicht hat. Deutlich wird, dass ökonomisch und sozial besonders benachteiligte Regionen sowie Regionen mit einem hohen Anteil von Rauchenden stärker von KHK betroffen sind. Im Gesundheitsatlas wird die Krankheitshäufigkeit auf Basis eines wissenschaftlich entwickelten statistischen Hochrechnungsverfahrens für alle 401 Kreise und kreis-freien Städte in Deutschland dargestellt. Insgesamt leben in Deutschland laut der Analyse des WIdO 4,9 Millionen Menschen mit einer Koronaren Herzkrankheit. Damit sind durchschnittlich 8,3 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ab 30 Jahren betroffen.
KHK: Vergleich der Bundesländer
Im Vergleich der Bundesländer zeigen sich in Hamburg (6,3 Prozent) sowie in Bremen und Baden-Württemberg (jeweils 7,1 Prozent) die geringsten Krankheitshäufigkeiten. Die anteilig meisten Patientinnen und Patienten gibt es in Thüringen (10,8 Prozent) und Sachsen-Anhalt (13,0 Prozent). „Die KHK wird zu Recht als Volkskrankheit bezeichnet, aber die Spanne zwischen den Regionen ist sehr groß. So finden sich in vielen Kreisen im südlichen Baden-Württemberg und südlichen Bayern sehr niedrige KHK-Prävalenzen, während das Saarland und die ostdeutschen Bundesländer mit Ausnahme von Berlin durchweg überdurchschnittlich hohe Werte zu verzeichnen haben“, kommentiert der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder die Ergebnisse. In dünn besiedelten, ländlichen Regionen kommt die KHK zudem mit 9,6 Prozent überdurchschnittlich häufig vor, in Großstädten ab 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt der Wert dagegen nur bei 7,0 Prozent. „Eine maßgebliche Rolle spielt dabei, dass die Bevölkerung in den ländlichen Regionen im Schnitt älter ist und damit ein höheres Erkrankungsrisiko hat“, so Helmut Schröder. In einem ebenfalls durchgeführten „fairen“ Vergleich unter Berücksichtigung der unter-schiedlichen Alters- und Geschlechtsstruktur bleiben die Unterschiede bestehen, die Spanne fällt jedoch wesentlich geringer aus (9,1 Prozent in ländlichen Regionen versus 7,9 Prozent in den Großstädten.
Mehr Herzkranke in Regionen mit vielen Raucherinnen und Rauchern
Der Gesundheitsatlas beleuchtet auch den Einfluss der verschiedenen Risikofaktoren auf das Entstehen der Koronaren Herzkrankheit. So bestätigt die Analyse den aus der wissenschaftlichen Literatur bekannten Zusammenhang mit dem Rauchen: In Regionen mit besonders vielen Raucherinnen und Rauchern liegt der Anteil der KHK-Patientinnen und -Patienten bei 9,3 Prozent, in Regionen mit wenigen Rauchenden dagegen bei nur 7,4 Prozent. Auch der Zusammenhang zwischen KHK und Bluthochdruck sowie KHK und Typ-2-Diabetes spiegelt sich in den regionalen Auswertungen wider. So lag der KHK-Patientenanteil in Regionen mit wenigen Bluthochdruck-Betroffenen bei 6,7 Prozent, in Regionen mit besonders vielen Hypertonie-Patientinnen und -patienten dagegen bei 11,2 Prozent. Bei Diabetes mellitus Typ 2 ist der Zusammenhang ähnlich ausgeprägt: Hier reicht die Spanne von 6,6 Prozent bis zu 11,2 Prozent. „Aus diesen großen regionalen Unterschieden lässt sich ableiten, dass der Prävention der KHK große Bedeutung zukommt“, sagt Helmut Schröder. Zukünftige KHK-Erkrankungen ließen sich vermeiden, indem eine herzgesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung, gesunder Ernährung und Verzicht auf das Rauchen gefördert wird. „Die Verantwortlichen in den Regionen können durch Informationen zur schädigenden Wirkung des Tabakkonsums bereits im Kindes- und Jugendalter präventiv ansetzen, um die Verbreitung der Krankheit in der Zukunft einzudämmen,“ so Schröder.
Der Gesundheitsatlas zeigt zudem, dass materiell und sozial benachteiligte Menschen häufiger an einer KHK erkranken als Menschen mit einem hohen sozialen Status. So liegt der KHK-Patientenanteil in ökonomisch und sozial besonders benachteiligten Regionen laut Gesundheitsatlas bei 10,6 Prozent. In den Regionen mit der besten materiellen und sozialen Ausgangssituation sind unter den Einwohnerinnen und Einwohnern nur 6,8 Prozent KHK-Betroffene zu finden. „In diesem Falle können die regional unterschiedlichen Alters- und Geschlechtsstrukturen nur einen Teil der Unterschiede erklären. Vermutlich spielen hier auch psychosoziale Faktoren und Umgebungsfaktoren wie Arbeits- und Lebensbedingungen eine Rolle“, so Helmut Schröder.
Krankheitshäufigkeit steigt mit dem Alter stark an
Die Auswertungen des Gesundheitsatlas beziehen sich auf Erwachsene ab 30 Jahren, denn die KHK tritt typischerweise erst ab dem mittleren Lebensalter auf. Laut der Analyse des Gesundheitsatlas liegt die Krankheitshäufigkeit bis zu einem Alter von 49 Jahren unter 2 Prozent. Sie steigt dann mit dem Alter stark an und erreicht ihren Gipfel in den Altersgruppen ab 85 Jahren. In dieser Gruppe sind 41 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen von KHK betroffen. Zu diesem deutlichen Geschlechterunterschied tragen neben biologischen Faktoren auch Risikofaktoren wie das unterschiedliche Rauchverhalten bei.
Etabliertes statistisches Verfahren liefert zuverlässige Regionaldaten
Für den Gesundheitsatlas wurde ein Hochrechnungsverfahren verwendet, das das WIdO in Zusammenarbeit mit der Universität Trier entwickelt hat. Es erlaubt auf Basis der Abrechnungsdaten der AOK-Versicherten zuverlässige Aussagen zu Krankheitshäufigkeiten in der Gesamtbevölkerung Deutschlands bis auf die regionale Ebene. Unterschiede zwischen den AOK-Versicherten und der Gesamtbevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht und Krankheitshäufigkeit werden dabei durch ein statistisches Verfahren herausgerechnet. Ziel der Analysen ist es, den Akteuren vor Ort fundierte Informationen über das Krankheitsgeschehen in ihrer Region bereitzustellen. Der Gesundheitsatlas mit seinen Kennzahlen auf Kreisebene kann Landräten und Bürgermeistern helfen, ihre regionale Situation einzuordnen und Ansätze zu entwickeln, um die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern. In die Analyse einbezogen wurden Personen ab 30 Jahren mit einer ärztlich dokumentierten KHK-Diagnose oder einem für die KHK spezifischen Eingriff an den Herzkranzgefäßen. Basis waren die Abrechnungsdaten des Jahres 2020.
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