Pflege-Schwerpunkte bei der Reform richtig setzen
Sechs Milliarden Euro - soviel will die Koalition den Beitragszahlern pro Jahr zusätzlich für bessere Altenpflege und Pflegevorsorge abnehmen.
Zweifel an der Ausgestaltung der Pflegereform
Ausgerechnet die Bundesbank. Seit Wochen verteidigt der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn den geplanten Vorsorgefonds für später steigenden Pflege-Bedarf. Eines seiner Argumente: Da die Bundesbank die Milliardenrücklage verwalten soll, werde sich kaum jemand an das Geld vorzeitig herantrauen. Nun meldet ausgerechnet die Bundesbank selbst Zweifel an.
Es ist ein weiterer Hinweis darauf, dass nicht alle mit den schwarz-roten Pflegeplänen einverstanden sind. Für die kommenden Tage wird ein Entwurf für das Reformgesetz aus dem Haus von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erwartet. Schon jetzt zeichnet sich ab, was genau wieviel kosten wird - und wo die Reformkraft der Regierung an Grenzen stößt.
1,2 Milliarden Euro sollen ab 2015 in den Vorsorgefonds fließen
20 Jahre lang soll angespart werden. Dann sollen mit dem Geld starke Steigerungen des Pflegebeitrags verhindert werden, wenn geburtenstarke Jahrgänge ins Pflegealter kommen. In ihrem aktuellen Monatsbericht gibt die Bundesbank nun zu erkennen, dass sie selbst nicht glaubt, dass das Geld bei ihr sicher ist: Rücklagen bei den Sozialversicherungen weckten offenbar Begehrlichkeiten des Bundes, so ihre Experten. Zudem müssten die Beiträge wohl wieder steigen, wenn die Rücklagen erst aufgebraucht seien.
Doch der Fonds wird wohl kommen. «Wir müssen endlich sparen für die Zeit, wenn wir ab 2035 besonders viele Pflegebedürftige haben», sagt Spahn. Auch die SPD dürfte den Kompromiss mittragen, wenn sie hinter verschlossenen Türen aus ihren Bedenken auch keinen Hehl machen.
Mehr Geld für Betreuung in Heimen und Pflege zu Hause
Auch andere Schwerpunkte stehen fest: Laut Aufstellung der Beamten von Gröhe sind für zusätzlich 21 000 Helfer für mehr Betreuung in den Heimen rund 510 Millionen Euro pro Jahr zu veranschlagen. Mehr Betreuung von zu Hause Gepflegten soll rund 290 Millionen Euro kosten. Bis zu 100 Millionen Euro soll kosten, dass man künftig Lohnersatz bekommen, wenn man das Recht auf zehntägige Job-Auszeit für die Organisation von Pflege wahrnimmt.
Heute ausgezahlte Pflegeleistungen sollen steigen
Festgezurrt ist noch nicht alles. So muss die Koalition auch an eine Erhöhung der heute ausgezahlten Pflegeleistungen gehen - eine vierprozentige Dynamisierung 2015 kostet laut Ministerium 890 Millionen Euro. Aus der Union heißt es, man könne sich auch etwas weniger vorstellen, um mehr Geld für andere direkte Verbesserungen zu haben.
Schwerpunkte der Pflegereform bei begrenzten Mitteln
«Was die Prioritäten angeht, werden wir uns in Kürze einigen», sagt SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Doch man sei nah beieinander. «Ziel aller Maßnahmen ist mehr Zeit für die Pflege, das Geld soll am Bett ankommen», betont Spahn. Unbürokratische Entlastung des Personals ist das Motto für Lauterbach.
Doch wie weit trägt die Reform? Die Mittel sind begrenzt - trotz Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte in dieser Wahlperiode. Rund 6 Milliarden Euro kommen in Folge mehr herein.
Zweite Reformstufe der Pflege Anfang 2017
So will die Koalition in einer zweiten Reformstufe Anfang 2017 einen neuen Pflegebegriff installieren: Auch die immer zahlreicheren Demenzkranken, die heute oft keine oder nur geringe Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen, sollen in die Versicherung aufgenommen werden. Rund 2,4 Milliarden Euro sind dafür eingeplant. Regierungsberater hatten die Kosten voriges Jahr allerdings bereits auf 2 bis 4 Milliarden Euro taxiert.
«Bei der Reform ist darauf zu achten, dass hierfür ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen», sagt Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). In der SPD heißt es, die gesamte Reform stehe und falle mit dem Gelingen der zweiten Stufe.
Koalition will weitere Pfleger ausbilden
Unklar ist indes, wer die Menschen in Zukunft anständig pflegen soll. Zehntausende Fachkräfte fehlen - auch wegen der Arbeitsbedingungen. Rund jeder vierte Altenpfleger gibt innerhalb der ersten fünf Jahre heute im Beruf auf. Die Koalition will nun, dass mehr Pfleger ausgebildet werden - schwierige Gespräche mit den Ländern stehen an.
Klar ist: Ausbau und Verbesserung von Heimpflege haben Grenzen. «Der Prüfmaßstab des Gesetzes muss sein, dass der Grundsatz 'Ambulant vor stationär' gestärkt wird», sagt Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU). Gestärkt werden müsste dabei auch ehrenamtliches Engagement - auch in den Kommunen.
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