Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt („equal pay”)
Orientierungssatz
1. Ein Arbeitnehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat regelmäßig ein schutzwürdiges Eigeninteresse daran, ein zur Insolvenzmasse gehörendes Recht im eigenen Namen geltend zu machen und so seine Verbindlichkeiten zu tilgen. Dies gilt auch, wenn Restschuldbefreiung beantragt ist und der Arbeitnehmer wegen der Abtretung der pfändbaren Dienstbezüge (§ 287 Abs. 2 InsO) nicht mehr Inhaber der Forderung ist.
2. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses Entgeltschema abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Falle das Arbeitsentgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre.
3. Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG ist national zu bestimmen und weit auszulegen. Zu ihm zählt nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt werden muss. Deshalb sind alle vom Verleiher geleisteten Bruttovergütungen in den Gesamtvergleich einzubeziehen. Hierzu rechnen auch Zulagen und Zuschläge, vermögenswirksame Leistungen sowie die steuerpflichtigen geldwerten Vorteile eines zur privaten Nutzung überlassenen Firmenwagens.
4. Die Auskunft nach § 13 AÜG ist eine Wissenserklärung. Der Auskunftspflichtige kann zu ihrer Erstellung und Bekanntgabe Hilfspersonen hinzuziehen. Insbesondere können konzernverbundene Unternehmen oder ein Arbeitgeberverband eingeschaltet werden.
5. Beschäftigt der Entleiher keine eigenen mit dem Leiharbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer, ist er verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer Auskunft darüber zu erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er im Zeitpunkt der Überlassung direkt beim Entleiher eingestellt worden wäre.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4, § 13; BGB § 307 Abs. 1 Sätze 1-2; InsO §§ 35-36, 80, 287 Abs. 2, § 292 Abs. 1 S. 3; ZPO § 850 ff.; Manteltarifvertrag der Tarifgruppe RWE vom 27. März 2006 (MTV RWE) § 4 Nr. 1.1, § 5 Nr. 5, § 16 Nrn. 1-3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. September 2012 – 6 Sa 113/12 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.
Der 1960 geborene Kläger, der über Ausbildungen zum Facharbeiter für Warenbewegung und zum Berufskraftfahrer verfügt, ist seit dem 27. Oktober 2003 bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt. Er wurde der R GmbH, einem Unternehmen des R-Konzerns, als Mitarbeiter im sog. Kombi-Außendienst überlassen.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein Formularbeitsvertrag vom 21. Februar 2005, der auszugsweise lautet:
„1. Gegenstand und Bezugnahme auf Tarifvertrag
…
Der Mitarbeiter ist eingestellt als
kaufmännische Angestellte /-r,
Der Mitarbeiter wird aufgrund der notwendigen Qualifikation für die im Kundeneinsatz ausgeübte Tätigkeit entsprechend des nachfolgend genannten Entgeltrahmentarifvertrages wie folgt eingruppiert:
Entgeltgruppe: AWE 5+
Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach dem zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).
Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.
…
5. Arbeitszeit
Als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich Pausen werden 35,00 Stunden vereinbart.
…
Lage, Beginn, Ende und Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Lage und Dauer der Pausen richten sich nach den in dem Betrieb des jeweiligen Kunden geltenden betrieblichen Regelungen, im Übrigen nach den Bestimmungen der in 1. genannten Tarifverträge. Der jeweilige Arbeitszeitbeginn ist als Beginn der Verpflichtung zur Arbeitsleistung selbst zu verstehen und nicht als Eintreffen im Kundenbetrieb bzw. am Arbeitsplatz.
…
6.4 Zahlung
Die Vergütung wird nach Abzug der gesetzlichen Beiträge, wie Steuern und Sozialversicherung, monatlich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter anzugebendes Konto überwiesen.
…
14. Ausschluss von Ansprüchen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.
Unberührt hiervon bleiben Ansprüche aus unerlaubter Handlung.
Lehnt die Gegenpartei die Erfüllung des Anspruchs schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.”
Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab dem 1. Januar 2010 fänden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Unter dem 3. Juni 2011 informierte sie den Kläger darüber, dass ab dem 1. Mai 2011 die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung kämen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2011 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung zum 31. August 2011 aus, mit der sie diese Tarifverträge ab dem 1. September 2011 zur Anwendung bringen wollte. Dagegen wehrte sich der Kläger mit einer Änderungskündigungsschutzklage erfolgreich.
Auf Anfrage des Klägers erteilte ihm die R AG mit Schreiben vom 4. Juli 2011 folgende Auskunft:
„Auskunftserteilung gem. § 13 AÜG
Sehr geehrter Herr V,
in Erfüllung unserer Auskunftsverpflichtung gem. § 13 AÜG übersenden wir Ihnen nachfolgende Informationen.
Wenn wir die Aufgabe hätten, sie einzugruppieren, entspräche Ihre aktuelle Tätigkeit der Eingruppierung B2 / Basis nach MTV.
Tarifgruppe |
Grundvergütung |
Sonderzahlung |
B2 / Basis |
2.609,00 EUR |
353,00 EUR |
Die Grundvergütung wird 13-mal je Jahr gezahlt, zudem gibt es eine Sonderzahlung einmalig je Jahr.
Die Spesen und Fahrtkosten werden entsprechend der individuellen Aufwendungen nach der gültigen Reisekostenregelung der RWE vergütet.
Zur Einsicht haben wir eine Abschrift des MTV der Tarifgruppe RWE vom 27. März 2006 sowie den aktuellen Vergütungstarifvertrag und die Reisekostenordnung der RWE als Anlage beigefügt.
…”
Des Weiteren übersandte die R AG dem Kläger ein Aufgabenprofil seiner Tätigkeit bei der Entleiherin. Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 korrigierte sie die Höhe der Grundvergütung auf 2.831,00 Euro und bestätigte, den Kläger als AÜG-Kraft für 40 Stunden in der Woche anzufordern.
Der Manteltarifvertrag der Tarifgruppe RWE vom 27. März 2006 (fortan:MTV RWE) sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden im Durchschnitt vor und bestimmt zur Vergütung ua.:
1. |
Alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des MTV fallen, werden nach einer einheitlichen Vergütungsordnung, die 16 Vergütungsgruppen umfasst, entlohnt. |
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Dabei sind die: |
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- VG A 1 bis A 4 für Tätigkeiten im un- und angelernten Bereich;
- VG B 1 bis B 4 für Tätigkeiten, die in der Regel eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzen;
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… |
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Die Verweildauer in der Basisvergütung der jeweiligen Vergütungsgruppe beträgt max. 36 volle Kalendermonate für die VG Gruppen A und B und max. 48 volle Kalendermonate für die VG Gruppen C und D. |
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… |
2. |
Jeder Vergütungsgruppe wird eine Starteingruppierung mit einer Absenkung von 8 % der Basisvergütung zugeordnet. Neu eingestellte Arbeitnehmer und übernommene Ausgebildete werden nach der Startvergütung der jeweils maßgeblichen Vergütungsgruppe für die Verweildauer von max. 24 vollen Kalendermonaten vergütet. Die Starteingruppierung findet keine Anwendung bei Umgruppierungen. |
3. |
Jeder Vergütungsgruppe sind vier Erfahrungsstufen, die jeweils 4 % Steigerung für die VG-Gruppen A und B und jeweils 3,5 % für die VG-Gruppen C und D der Basisvergütung betragen, zugeordnet. |
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Die Verweildauer je Erfahrungsstufe beträgt max. 36 volle Kalendermonate für die VG-Gruppen A und B und max. 48 volle Kalendermonate für die VG-Gruppen C und D.” |
Die Vergütungsgruppe B 2 ist in der Anlage 1 zum MTV RWE wie folgt definiert:
„Tätigkeiten, für die neben einer abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf in einer einschlägigen Fachrichtung ein höheres Maß an einschlägigen Kenntnissen und Fertigkeiten erforderlich ist oder Tätigkeiten, die eine fachliche Anleitung von Mitarbeitern beinhalten.”
Über das Vermögen des Klägers wurde am 22. Juni 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Treuhänderin erklärte mit Schreiben vom 14. September 2012:
„Es bestehen seitens der Unterzeichnerin keine Bedenken, dass die Ansprüche in den Verfahren 6 Sa 1063/11 und 6 Sa 113/12 weiterhin durch Herrn V im eigenen Namen geltend gemacht werden.
Bei beiden Verfahren handelt es sich zwar um Lohnansprüche aus Zeiträumen, die grundsätzlich in die Laufzeit der Abtretungserklärung des § 286 InsO fallen (Ende der Laufzeit ab der Abtretungserklärung ist bekanntlich erst der 08.03.2012).
Da zugunsten der Insolvenzmasse allerdings lediglich etwaige sich aus den Nachzahlungen ergebende Pfändungsbeträge beansprucht werden können, ist die Unterzeichnerin damit einverstanden, dass die Ansprüche in Gänze durch Herrn V im eigenen Namen geltend gemacht werden und er insoweit auch Zahlung an sich selbst verlangen kann.
Die bisherige Vorgehensweise, dass die Zahlung ausgeurteilter Beträge zunächst auf ein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgt, ist allerdings beizubehalten, damit gewährleistet ist, dass aus etwaigen Nachzahlungen resultierende Pfändungsbeträge, die dem Zeitraum der Laufzeit der Abtretungserklärung bis zum 08.03.2012 zuzuordnen sind, letztlich auf das hier für das Verfahren geführte Treuhandkonto abgeführt werden.”
Der Kläger fordert unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG für den Zeitraum Januar bis August 2011 die Differenz zwischen der ihm gezahlten Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll. Er hat geltend gemacht, seine Tätigkeit im KombiAußendienst unterfalle entsprechend den Auskünften der R AG der Vergütungsgruppe B 2 MTV RWE. Da er diese Tätigkeit bereits seit Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ausübe, könne er für den Streitzeitraum eine Vergütung nach der Erfahrungsstufe 1 verlangen.
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 8.830,82 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung auf das Konto der Treuhänderin bei der Sparkasse M zu überweisen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zumindest seit dem 1. Januar 2010 habe sie aufgrund der Inbezugnahme des mehrgliedrigen Tarifvertrags zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) und Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbunds vom 15. März 2010 von dem Gebot der Gleichbehandlung abweichen dürfen. Seit dem 1. Mai 2011 fänden die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Ein Anspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Entleiherin keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftige. Außerdem habe der Kläger die Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht schlüssig dargelegt. Auf die von der R AG erteilten Auskünfte könne er sich nicht stützen, weil diese nicht Entleiherin sei. Im Übrigen sei der Kläger wegen des über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens nicht aktivlegitimiert. Jedenfalls sei ein etwaiger Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage in dem noch anhängigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist zwar zulässig und mit dem noch anhängigen Leistungsbegehren dem Grunde nach begründet, doch ist die dem Kläger zustehende Differenzvergütung vom Landesarbeitsgericht neu zu berechnen. Dazu ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
A. Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist trotz des über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens hinsichtlich der gesamten Klageforderung prozessführungsbefugt.
I. Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht, einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen. Sie ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen (BAG 1. September 2010 – 5 AZR 700/09 – Rn. 10, BAGE 135, 255; BGH 7. Juli 2008 – II ZR 26/07 – Rn. 12).
II. Als am 22. Juni 2006 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet wurde, ging die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Klägers auf die Treuhänderin über (§ 80 Abs. 1, § 304 Abs. 1 Satz 1, § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zur Insolvenzmasse gehört gemäß §§ 35, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO das nach den §§ 850 ff. ZPO pfändbare Arbeitseinkommen (vgl. BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 789/11 – Rn. 18 f.). Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte der Kläger, wie sich aus dem Schreiben der Treuhänderin vom 14. September 2012 ergibt, auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und trat demgemäß seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Dauer von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Treuhänderin ab (vgl. § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Der Umfang dieser Abtretung, die gemäß § 313 Abs. 1 Satz 2, § 291 Abs. 2 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam wurde, bestimmt sich nach den Pfändungsschutzbestimmungen der ZPO, § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO (vgl. BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 789/11 – Rn. 19).
„Arbeitseinkommen” iSd. § 850 Abs. 4 ZPO ist ua. die Vergütung, die der Arbeitgeber als Gegenleistung für vom Arbeitnehmer geleistete Dienste zu zahlen hat (BAG 6. Mai 2009 – 10 AZR 834/08 – Rn. 22 mwN, BAGE 131, 9). Auch bei dem Anspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG handelt es sich um einen solchen – die vertragliche Vergütungsabrede korrigierenden gesetzlichen – Entgeltanspruch (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 24).
III. Soweit es sich bei der Klageforderung um unpfändbares Arbeitseinkommen handelt, ist der Kläger prozessführungsbefugt, weil er insoweit mit der Klage ein behauptetes eigenes Recht geltend macht.
IV. Soweit die Klageforderung pfändbares Arbeitseinkommen betrifft, macht der Kläger kein eigenes, sondern ein behauptetes fremdes Recht geltend. Aus der von ihm vorgelegten Erklärung der Treuhänderin und seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 17. September 2012 wird deutlich, dass er insoweit Ansprüche der Treuhänderin mit ihrer Ermächtigung im eigenen Namen geltend macht. Dieses Vorgehen des Klägers ist prozessual zulässig. Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft liegen vor.
1. Die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen ist ein anerkanntes Institut des Prozessrechts. Neben der gesetzlichen Prozessstandschaft wird von der ständigen Rechtsprechung auch die Prozessstandschaft kraft Ermächtigung, die sog. gewillkürte Prozessstandschaft, anerkannt. Sie setzt neben der wirksamen Ermächtigung durch den Berechtigten ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Klägers voraus. Wirksamkeit und Bestand einer Prozessführungsermächtigung richten sich nach dem materiellen Recht. Die Prozessführungsermächtigung kann nach Klageerhebung erteilt werden und wirkt bei offengelegter Prozessstandschaft auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück. Ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die Entscheidung des Prozesses die eigene Rechtslage des Prozessführenden günstig beeinflusst (BAG 23. September 2009 – 5 AZR 518/08 – Rn. 14 mwN).
2. Der Kläger hat ein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse an der Geltendmachung der an die Treuhänderin abgetretenen Ansprüche.
Eine natürliche Person, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat regelmäßig ein schutzwürdiges Eigeninteresse daran, ein zur Insolvenzmasse gehörendes Recht im eigenen Namen geltend zu machen und so ihre Verbindlichkeiten zu tilgen (vgl. BGH 19. März 1987 – III ZR 2/86 – zu II 3 der Gründe, BGHZ 100, 217; 11. März 1999 – III ZR 205/97 – zuII 2 der Gründe). Das gilt nicht nur, wenn der Insolvenzschuldner nach § 80 Abs. 1 InsO lediglich die Verfügungsbefugnis verloren hat und daher nach wie vor Inhaber der betreffenden Ansprüche ist (vgl. BGH 19. März 1987 – III ZR 2/86 – zu II 3 a der Gründe, aaO), sondern auch, wenn er zusätzlich Restschuldbefreiung beantragt und daher wegen Abtretung der pfändbaren Dienstbezüge (§ 287 Abs. 2 InsO) nicht mehr Inhaber der betreffenden Forderungen ist (vgl. zum Eigeninteresse bei der Geltendmachung abgetretener Forderungen: BGH 11. März 1999 – III ZR 205/97 – zu II 2 der Gründe). Auch die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO lässt das Eigeninteresse des Insolvenzschuldners in diesen Fällen nicht entfallen, weil während der sechsjährigen Wohlverhaltensphase noch offen ist, ob die Restschuldbefreiung nach ihrem Ablauf tatsächlich erfolgen wird (vgl. Mohn NZA-RR 2008, 617, 621).
3. Die Treuhänderin hat den Kläger wirksam zur Geltendmachung ermächtigt. Sie hat ihm mit Schreiben vom 14. September 2012 gestattet, den streitgegenständlichen Anspruch in vollem Umfang im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Diese Ermächtigung hat sie mit der Maßgabe verbunden, die Zahlung ausgeurteilter Beträge zunächst auf das bei ihr für das Insolvenzverfahren des Klägers geführte Treuhandkonto zu veranlassen. Das Schreiben beinhaltet zwar entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts keine sog. „modifizierte Freigabe”, weil die Treuhänderin offene Vergütungsansprüche des Klägers zu keiner Zeit aus der Masse freigegeben hat, ermächtigt ihn aber, die Realisierung dieser Forderungen im eigenen Namen zu betreiben. Die in der Wohlverhaltensphase entstandenen und fällig gewordenen pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens fallen bei Nichterfüllung nicht an den insolventen Arbeitnehmer zurück, sondern sind bei verspäteter Erfüllung zugunsten der Insolvenzgläubiger zu verwenden. Dementsprechend ist der Kläger berechtigt, die Überweisung restlichen Entgelts auf das bezeichnete Treuhänderkonto gerichtlich geltend zu machen.
B. In welchem Umfang die Klage begründet ist, steht noch nicht fest. Die Beklagte ist nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Kläger für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des R-Konzerns das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährte (I.). Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen einzuhalten (II.). In welcher Höhe dem Kläger Differenzvergütung zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (III.).
I. Der Kläger hat für die streitgegenständliche Zeit der Überlassung an ein Unternehmen des R-Konzerns Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.
1. Nr. 1 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP unwirksame Tarifverträge (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 –Rn. 12 ff.).
2. Nr. 1 Arbeitsvertrag erfasst nicht die Geltung der vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) und – neben der CGZP – einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Tarifverträge vom 15. März 2010 (im Folgenden: AMP-TV 2010). Unbeschadet der Frage, ob ein einseitiger „Austausch” der für das Leiharbeitsverhältnis maßgeblich sein sollenden Tarifwerke eine Vereinbarung tariflicher Regelungen iSv. § 9 Nr. 2 AÜG sein kann, berechtigt die Klausel allenfalls zu einem Tarifwechsel bei Wechsel des Arbeitgeberverbands. Sie ermöglicht es aber der Beklagten nicht, von anderen Arbeitnehmervereinigungen abgeschlossene Tarifverträge einseitig zur Anwendung zu bringen (zur Funktion der Tarifwechselklausel vgl. BAG 22. Oktober 2008 – 4 AZR 784/07 – Rn. 21 ff., BAGE 128, 165). Im Übrigen wäre die Klausel mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 26 ff.).
3. Ob die Geltung der Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e. V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit (fortan: BZA/DGB-TV) die Beklagte vom Gebot der Gleichbehandlung entbinden würde, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Anwendung dieser Tarifverträge haben die Parteien im Streitzeitraum weder vereinbart, noch ist es der Beklagten gelungen, die Bezugnahmeklausel durch Änderungskündigung entsprechend zu gestalten.
II. Der Anspruch des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht verfallen.
1. Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP oder aus dem nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen AMP-TV 2010 einzuhalten. Derartige „tarifliche” Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 21 f.). Etwas anderes ergibt sich nicht aus Nr. 14 Arbeitsvertrag. Diese Klausel regelt lediglich eine mögliche Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfrist (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 40; 25. September 2013 – 5 AZR 778/12 – Rn. 14 ff.; 23. Oktober 2013 – 5 AZR 556/12 – Rn. 14).
2. Ob Nr. 14 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge” oder bei einer unwirksamen Bezugnahme auf Tarifverträge zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer AGBKontrolle nicht standhalten. Die Kürze der Fristen auf beiden Stufen benachteiligte den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BAG 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19; 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66).
III. In welcher Höhe dem Kläger Differenzvergütung zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:
1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass es uner heblich ist, ob die Entleiherin tatsächlich vergleichbare Stammarbeitnehmer be schäftigt. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltsche ma an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses Entgeltschema abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Falle das Arbeitsent gelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. Das gebietet schon die unionsrechts- konforme Auslegung des § 10 Abs. 4 AÜG im Lichte des Art. 5 Abs. 1 RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (fortan: RL). Es fehlt zudem jeder Anhalts punkt, dass nach nationalem Recht der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt entfallen soll, wenn der Entleiher für eine bestimmte Tätigkeit nur noch Leih-, aber keine Stammarbeitnehmer mehr beschäftigt (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 24 mwN).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass – entsprechend der von der R AG erteilten Auskünfte – im R-Konzern ein allgemeines Entgeltschema, nämlich die Tarifverträge der Tarifgruppe RWE, Anwendung findet. Maßgeblich ist damit das Entgelt, das der Kläger nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei der Entleiherin eingestellt worden wäre.
2. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen (BAG 23. März 2011 – 5 AZR 7/10 – Rn. 35 f., BAGE 137, 249). Der Begriff des Arbeitsentgelts in § 10 Abs. 4 AÜG ist national zu bestimmen und, wie die beispielhafte Aufzählung in der Ge setzesbegründung (BT-Drucks. 15/25 S. 38) belegt, weit auszulegen. Zu ihm zählt nicht nur das laufende Arbeitsentgelt, sondern jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 27 mwN).
Zutreffend hat deshalb das Landesarbeitsgericht in den von ihm angestellten Gesamtvergleich nicht nur die vom Kläger einbezogenen Vergütungsbestandteile (Lohn für geleistete Stunden, Urlaubsvergütung sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und an Feiertagen) berücksichtigt, sondern alle von der Beklagten geleisteten Bruttovergütungen wie Zulagen und Zuschläge, vermögenswirksame Leistungen sowie (steuerpflichtige) geldwerte Vorteile eines zur privaten Nutzung überlassenen Firmenwagens in die Gesamtberechnung einbezogen.
3. Hinsichtlich der Höhe des Vergleichsentgelts ist das Landesarbeitsgericht zu Recht von einer – fiktiven – Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe B 2 MTV RWE ausgegangen.
a) Der Leiharbeitnehmer genügt zunächst der ihm obliegenden Darlegungslast für die Höhe des Anspruchs, wenn er sich auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Denn die – ordnungsgemäße – Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen. Es obliegt sodann im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast dem Verleiher, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Leiharbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 146/12 –Rn. 22).
b) Nach den vom Kläger vorgelegten Schreiben der R AG vom 4., 20. und 28. Juli 2011 wäre der Kläger bei einer Einstellung unmittelbar bei der Entleiherin nach der Vergütungsgruppe B 2 MTV RWE vergütet worden. Den Schreiben beigefügt war das entsprechende allgemeine Entgeltschema – die Eingruppierungssystematik nach dem MTV RWE – und ein Aufgabenprofil der Tätigkeit des Klägers. Diese Schreiben sind ordnungsgemäße Auskünfte iSv. § 13 AÜG.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger der R GmbH zur Arbeitsleistung überlassen war, die Auskünfte aber von der R AG erteilt wurden.
Die Auskunft nach § 13 AÜG ist eine Wissenserklärung. Die Auskunftspflicht trifft zunächst den Entleiher selbst, also diejenige natürliche oder juristische Person, in deren Betrieb der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Das Gesetz hindert den Entleiher aber nicht, zur Erstellung und Bekanntgabe der Auskunft Hilfspersonen hinzuzuziehen, sofern diese über das für eine ordnungsgemäße Auskunft erforderliche Wissen verfügen (vgl. allgemein BGH 28. November 2007 – XII ZB 225/05 – Rn. 15). Insbesondere können – wie im Streitfall – konzernverbundene Unternehmen, die die Personalverwaltung für die Entleiherin wahrnehmen, mit der Auskunftserteilung betraut oder ein Arbeitgeberverband eingeschaltet werden (vgl. BAG 23. März 2011 – 5 AZR 7/10 – Rn. 36, BAGE 137, 249).
bb) Die Rechtswirkungen einer Auskunft nach § 13 AÜG hängen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon ab, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt.
Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, muss er dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung Auskunft darüber erteilen, welche Arbeitsbedingungen für ihn gölten, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre (Boemke/ Lembke AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 11; Lorenz in Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath Arbeitsrecht 3. Aufl. § 13 AÜG Rn. 4; wohl auch Ulber/Ulber AÜG 4. Aufl. § 13 Rn. 2 [Anwendung in allen Fällen, in denen ein Anspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG besteht]; einschränkend Pelzner/Kock in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 7 [lediglich Verpflichtung zum Zugänglichmachen des einschlägigen Tarifvertrags]; aA Urban-Crell in Urban-Crell/Germakowski AÜG 2. Aufl. § 13 Rn. 5). Dies gebietet die unionsrechtskonforme Auslegung des § 13 AÜG im Lichte des Art. 5 Abs. 1 RL. Wenn ein Anspruch gemäß § 10 Abs. 4 AÜG unabhängig davon besteht, ob der Entleiher vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 24), muss dem Leiharbeitnehmer auch bei Fehlen vergleichbarer Stammarbeitnehmer Auskunft über ein vom Entleiher angewandtes allgemeines Entgeltschema erteilt werden. Das erfordert der Zweck des § 13 AÜG, es dem Leiharbeitnehmer zu ermöglichen, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 146/12 – Rn. 22).
c) Die Beklagte hat die vom Kläger in den Prozess eingeführte Auskunft nach § 13 AÜG nicht erschüttert.
aa) Sie hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben würde, das der Auskunft zugrunde gelegte Aufgabenprofil sei fehlerhaft und entspräche nicht der vom Kläger im Streitzeitraum ausgeübten Tätigkeit. Ebenso wenig hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass und aus welchen Gründen die im Aufgabenprofil festgehaltenen Tätigkeiten eine Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe B 2 MTV RWE nicht rechtfertigen können. Der Einwand der Beklagten, der Kläger verfüge über keine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf in einer einschlägigen Fachrichtung, ist unerheblich. Die Protokollnotiz zu § 16 Nr. 1 MTV RWE erläutert, dass die in den Voraussetzungen aufgeführten Berufs- und Ausbildungsabschlüsse keine unabdingbaren Voraussetzungen für die Eingruppierung sind und die entsprechenden Qualifikationen auch auf anderen Wegen – wie zB externen oder betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen, einschlägigen Berufserfahrungen – erworben werden können (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12 – Rn. 32). Dass es dem Kläger daran mangelte, hat die Beklagte nicht behauptet. Sie hat vielmehr selbst im Arbeitsvertrag den Kläger einer Entgeltgruppe zugeordnet („AWE5+”), die eine einschlägige Berufsausbildung mit Berufserfahrung oder eine spezielle Berufsfortbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung verlangt.
bb) Die Auskunft bezieht sich zwar auf die aktuell ausgeübte Tätigkeit des Klägers. Der Kläger hat jedoch – von der Beklagten unwidersprochen – vorgetragen, dass er seit Beginn seiner Beschäftigung bei der Beklagten am 27. Oktober 2003 durchgängig als Kombi-Außendienstmitarbeiter eingesetzt worden sei. Irgendwelche inhaltlichen Veränderungen der Arbeitsleistung im Laufe des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte nicht dargelegt. Hierauf hat bereits das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen.
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch unerheblich, dass die Auskünfte keine Aussage dazu enthalten, mit welchen Mitarbeitern der Kläger vergleichbar sei. Aufgrund der Geltung eines allgemeinen Entgeltschemas im Entleiherbetrieb bedarf es keiner näheren Darlegung bestimmter mit dem Kläger vergleichbarer Mitarbeiter.
dd) Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger erfülle die Anforderungen des von ihm vorgelegten Richtbeispiels für Mitarbeiter im KombiAußendienst nicht, kann dem nicht gefolgt werden. Mit der im Richtbeispiel verwendeten Formulierung „Kassieren, Abrechnen und Einzahlen von Beträgen” wird offensichtlich eine Inkassotätigkeit beschrieben, die auch nach dem vorgelegten Aufgabenprofil zu den Aufgaben des Klägers gehört („Inkasso”, „Anmahnen von Forderungen”, „Ratenzahlungsvereinbarungen … gewähren”, „Buchung von Sperr- und Inkassokosten”). Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Die weiteren im Richtbeispiel genannten Tätigkeiten finden sich ebenfalls im Aufgabenprofil wieder.
4. Bei der fiktiven Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe B 2 MTV RWE hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die Absenkung nach § 16 Nr. 2 MTV RWE und die jeweilige Verweildauer in der Starteingruppierung (24 Monate), der Basisvergütung (36 Monate) und den Erfahrungsstufen (je 36 Monate), § 16 Nr. 1 bis Nr. 3 MTV RWE, berücksichtigt. Danach hätte der Kläger, ausgehend von einer fiktiven Betriebszugehörigkeit seit Beginn der Überlassung, im Streitzeitraum die Erfahrungsstufe 1 erreicht.
5. Der Einwand der Beklagten, der Kläger könne eine höhere Vergütung allenfalls auf der Grundlage der arbeitsvertraglich vereinbarten 35-Stunden-Woche verlangen, greift nicht durch. Gemäß Nr. 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag richtet sich die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit während der Überlassung nach den im Entleiherbetrieb geltenden Regelungen. Nach § 4 Nr. 1.1 MTV RWE beträgt die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt 38 Stunden. Zudem hat die R AG mit Schreiben vom 28. Juli 2011 bestätigt, dass der Kläger sogar für 40 Stunden in der Woche angefordert wurde. Dementsprechend hat die Beklagte den Kläger ausweislich der Lohnabrechnungen auch während der gesamten Dauer der Überlassung für acht Stunden pro Arbeitstag vergütet. Lediglich für Urlaubs- und Feiertage hat sie – möglicherweise unzutreffend – einen niedrigeren Wert angesetzt.
6. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Unrecht die Differenzvergütung auf der Basis eines Stundenlohns ermittelt.
a) Stammarbeitnehmer erhalten auf der Grundlage ihrer Eingruppierung nach § 16 MTV RWE iVm. dem Vergütungstarifvertrag ein Monatsgehalt. Hiervon ist auch der Kläger ausgegangen. Die Formel zur Berechnung der Stundenvergütung (§ 22 Nr. 12 MTV RWE) dient lediglich der Ermittlung von Zeitzuschlägen (§ 6 Nr. 1 MTV RWE) und der Vergütung von Mehrarbeitsstunden (§ 5 Nr. 5 MTV RWE). Sie wird aber nicht eingesetzt, um die tarifliche Monatsvergütung in einen Stundenlohn umzuwandeln. Ein solches Vorgehen würde dem tariflichen Ziel einer gleichbleibenden monatlichen Vergütung widersprechen, weil Arbeitnehmer dann abhängig von der Anzahl der Arbeitstage im jeweiligen Monat unterschiedlich vergütet würden.
b) Weil Stammarbeitnehmer ein Monatsgehalt erhalten, richtet sich der Anspruch des Klägers aus § 10 Abs. 4 AÜG auf ein Monatsgehalt und verbietet sich dessen „Herunterrechnen” auf einen – fiktiven – Stundenlohn (vgl. BAG 23. Oktober 2013 – 5 AZR 135/12 – Rn. 32).
c) Ein höheres, über die Monatsvergütung hinausgehendes Vergleichsentgelt kann der Kläger nur verlangen, soweit er in einem Monat Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Hierfür hat er darzulegen, dass und in welchem Umfang er Überstunden geleistet hat und dass die tariflichen Voraussetzungen für die Vergütung dieser Stunden vorlagen. Gemäß § 5 Nr. 3 MTV RWE darf Mehrarbeit nur auf Anordnung geleistet werden und eine gelegentliche Überschreitung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bis zu 15 Minuten gilt nicht als Mehrarbeit.
Vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Kläger von vornherein für 40 Stunden pro Woche angefordert wurde, obwohl die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei der Entleiherin nur 38 Stunden beträgt (§ 4 Nr. 1.1 MTV RWE), und während der gesamten Dauer der Überlassung auf der Grundlage einer 40-Stunden-Woche entlohnt wurde. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, alle auf den Lohnabrechnungen ausgewiesenen, über eine 38-Stunden-Woche hinausgehenden Stunden als vergütungspflichtige Mehrarbeit anzusehen. Die Anordnung dieser Überstunden liegt in der generellen Anforderung des Klägers für eine 40-Stunden-Woche. Gemäß § 5 Nr. 5 MTV RWE ist für diese Überstunden die maßgebliche Stundenvergütung zu zahlen.
7. Bislang steht nicht fest, in welchem Umfang der Kläger im Juli 2011 arbeitete. Nach der von ihm vorgelegten Berechnungstabelle sollen für diesen Monat 152 Normal- sowie 23,91 Feiertagsstunden zu vergüten sein. Dieser Vortrag ist zumindest widersprüchlich, weil er nicht mit den vorgelegten Lohnabrechnungen übereinstimmt. Nach diesen hat der Kläger im Juli 2011 überhaupt nicht gearbeitet. Der Widerspruch wird zudem daran deutlich, dass der Kläger für die Monate Juni und Juli 2011 exakt die gleiche Anzahl von Normal- und Feiertagsstunden in Ansatz gebracht hat. Im Übrigen gab es im Juli 2011 keinen gesetzlichen Feiertag.
8. Der Vortrag des Klägers zu den Feiertagszuschlägen ist nicht schlüssig.
Einen Feiertagszuschlag iHv. 150 % erhalten gemäß § 6 Nr. 1.2 MTV RWE nur Mitarbeiter, die an dem betreffenden gesetzlichen Feiertag gearbeitet haben. Fällt hingegen die Arbeitszeit aufgrund des Feiertags aus, erhält der Mitarbeiter lediglich die ihm auch sonst zu zahlende Monatsvergütung (§ 2 Abs. 1 EFZG). Dass er an den Feiertagen im April und Juni 2011 gearbeitet habe, hat der Kläger nicht behauptet. Dagegen spricht zudem, dass auf seinen Lohnabrechnungen keine Feiertagszuschläge ausgewiesen sind, obwohl auch die von der Beklagten im Streitzeitraum angewendeten Tarifverträge (AMP-TV 2010, BZA/DGB-TV) einen Zuschlag für Feiertagsarbeit vorsehen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Biebl, Weber, Reinders, Busch
Fundstellen
Haufe-Index 6758310 |
BB 2014, 1331 |
BB 2014, 1658 |
DStR 2014, 12 |
FA 2014, 212 |
NZA 2014, 915 |
AP 2014 |
EzA-SD 2014, 10 |
EzA 2014 |
NZI 2014, 9 |
VuR 2014, 396 |
ArbR 2014, 288 |