Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld. Ermessen. Begründung. Anordnung des persönlichen Erscheinens. Vertreter. Höchstpersönliche Kenntnis des Klägers. Amtsermittlung. Parteivernehmung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Prozessbevollmächtigte kann sachkundiger Vertreter im Sinne des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO sein.
2. Der sachkundige Vertreter wird in der Regel keine ausreichende Kenntnis haben, wenn es um eine höchstpersönliche Kenntnis geht.
3. Das Gericht muss zum Ausdruck bringen, dass die Aussagen des Vertreters zur Aufklärung des Tatbestandes nicht ausreichend sind.
4. Die Ladung zu einer Parteivernehmung ist nach dem Sozialgerichtsgesetz nicht möglich.
Normenkette
ZPO § 141 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, § 142 Abs. 2 S. 1, §§ 380-381; SGG §§ 103, 202; EGStGB Art. 6 Abs. 1
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (ursprüngliches Az.: S 36 AL 27/07) wendet sich der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) gegen die Ablehnung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 21. September 2006 bis 13. Dezember 2006 durch die Beklagte und begehrt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2006. Mit Beschluss vom 17. Juli 2007 hat das Sozialgericht das Verfahren bis zum Abschluss eines Strafverfahrens wegen Urkundenfälschung ausgesetzt.
Der Bf. hat am 11. Februar 2009 die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Er sei sich weiterhin keiner Schuld bewusst.
Das Sozialgericht hat den Bf., der anwaltlich vertreten ist, zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11. Februar 2011 geladen und das persönliche Erscheinen des Bf. angeordnet. Die Ladung war mit dem Hinweis versehen, dass gegen den Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000 EUR festgesetzt werden kann, falls er ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint. Die Ladung ist dem Bf. am 30. Januar 2011 mit Zustellungsurkunde zugestellt worden.
Zum Termin am 11. Februar 2011 ist der Bf. nicht erschienen. Der erschienene Prozessbevollmächtigte hat jedoch eine "Vollmacht gemäß § 141 Abs. 3 ZPO" vom 5. Februar 2011 vorgelegt. Die Kammervorsitzende hat die ordnungsgemäße Ladung festgestellt und im Anschluss das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten erörtert. Nach geheimer Beratung hat die Kammer die mündliche Verhandlung vertagt und dem Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.- EUR auferlegt. In dem von der Kammervorsitzenden aufgrund der mündlichen Verhandlung gefertigten Beschluss hat das Sozialgericht zur Begründung ausgeführt, dass das Nichterscheinen vom Bf. nicht entschuldigt sei. Die dem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht gemäß § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) entbinde diesen nicht von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen, da die Aussagen des Bevollmächtigten in diesem Verfahren zur Aufklärung des Tatbestandes nicht ausreichend seien. Es sei deshalb gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 141 Abs. 3 ZPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 EUR festzusetzen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat der Bf. vorgebracht, er sei im Termin aufgrund der übergebenen Vollmacht ordnungsgemäß gemäß § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO vertreten gewesen. Zumindest sei er hinreichend entschuldigt gewesen. Sollte das Sozialgericht auf einen persönlichen Eindruck Wert legen, komme die Anordnung einer Parteieinvernahme in Betracht.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber unbegründet.
Der Beschluss über die Verhängung von Ordnungsgeld nach §§ 111, 202 SGG in Verbindung mit § 141 ZPO ist gemäß § 142 Abs. 2 S. 1 SGG zu begründen, da hiergegen das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet ist. Das Fehlen der Begründung ist ein wesentlicher Verfahrensmangel (so z.B. auch LSG Rheinland-Pfalz, Breith. 1983, 840; Bayer. LSG, Beschluss vom 8. Juli 2010, Az.: L 2 SG 29/10 B), der zur Aufhebung des Beschlusses führt. Dies gilt hier um so mehr als es sich bei der Verhängung von Ordnungsgeld bereits hinsichtlich des "Ob" um eine Ermessensentscheidung handelt. Die Begründung muss deshalb Ausführungen zum Grund der Festsetzung und zur Höhe des Ordnungsgeldes enthalten (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, a.a.O., § 111 Rdnr. 6 b m.w.N.). Vorliegend enthält der in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift ergangene Beschluss zwar keine Begründung. Es ist jedoch ausreichend, wenn diese erst in einer auf die mündliche Verhandlung Bezug nehmenden, schriftlichen Beschlussfassung im Bürowege nachgeholt wird, auch wenn dieser Beschluss nicht Gegenstand der versandten Niederschrift ist. Dabei ist die Unterschrift nur der Vorsitzenden gemäß §§ 142 Abs. 1, 134 Abs. 1 SGG ausreichend.
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anord...