Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung: Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Anspruchseinschränkung wegen Weigerung der Mitwirkung an der Wiederbeschaffung fehlender Passdokumente
Leitsatz (amtlich)
1. Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ist über einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu suchen.
2. Art. 1 und 20 GG gebieten keine bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. § 1a AsylbLG sanktioniert u.a. vermeidbares persönliches Fehlverhalten des Leistungsberechtigten, der die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch in seinen Verantwortungsbereich fallendes vorwerfbares Verhalten verhindert.
3. Im Hinblick auf die gegenüber den Leistungssystemen des SGB II und SGB XII abgesenkten Leistungen gebieten aber das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine restriktive Auslegung des § 1a AsylbLG.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen Ziffer 1 und 2 des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut vom 13. April 2016, S 11 AY 39/16 ER, wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und RA S., A-Stadt, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller (es verbleibt bei der Bezeichnung der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Weitergewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ohne Anspruchseinschränkung.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste am 29.05.2012 mit einem gefälschten bulgarischen Pass auf dem Luftwege aus Athen kommend in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27.06.2012 die Anerkennung als Asylberechtigter; seither erhält der Antragsteller Leistungen nach dem AsylbLG. Der Antrag auf Gewährung von Asyl wurde mit Bescheid vom 13.08.2014 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde durch das Verwaltungsgerichts Regensburg abgewiesen. Die Entscheidung ist seit dem 20.05.2015 rechtskräftig. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig und ist derzeit wegen Passlosigkeit geduldet.
Bereits mit Schreiben vom 01.06.2015 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass er verpflichtet sei, seinen Pass oder den Passersatz dem Antragsgegner vorzulegen. Die Nichtvorlage des Passes oder des Passersatzes stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Da er keinen anerkannten oder gültigen Pass oder Passersatz besitze, sei er verpflichtet, sowohl bei Maßnahmen zur Schaffung von Identitätsdokumenten durch die deutschen Behörden mitzuwirken, als auch eigenständige Anstrengungen zur Erlangung von Identitätsnachweisen und gültigen Reisedokumenten zu unternehmen. Der Antragsgegner forderte den Antragsteller dazu auf, sich einen Pass zu beschaffen.
Mit Bescheid vom 02.07.2015 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller dem Grunde nach Geldleistungen nach dem § 2 AsylbLG in Höhe von 335,42 €. Die Unterkunft und Heizung wurden dem Antragsteller gestellt. Die Geldleistungen setzten sich aus dem Bedarf für Nahrungsmittel, für Bekleidung und Schuhe, für Gesundheitspflege sowie dem zusätzlichen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse zusammen. Unter "Hinweise" wurde mitgeteilt, dass die bewilligte Hilfe für jeweils einen Monat gewährt werde. Nach dem umseitig genannten Bewilligungsabschnitt werde die Leistung uneingeschränkt (ohne Antrag) weitergezahlt, solange die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse vorlägen. Dem Bescheid war ein Berechnungsblatt über Leistungen für den Zeitraum 01.07.2015 bis --- beigefügt, in dem die Leistungen für Juli 2015 unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens in Höhe von 27,92 € als Auszahlbetrag errechnet wurden.
Am 03.12.2015 führte der Antragsgegner ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller. Der Antragsteller teilte mit, dass er nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreisen und Aufforderungen zur Vorbereitung und Durchführung seiner Abschiebung nicht Folge leisten werde. Er werde auch keinen Pass beantragen. Sein Anwalt habe ihm empfohlen, den ihm ausgehändigten Antrag nicht auszufüllen. Deshalb werde er dies auch nicht machen. Der Antragsteller wurde von der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Weigerung, bei der Passbeantragung mitzuwirken, eine Kürzung seiner Geldleistung nach § 1a AsylbLG zur Folge haben könne.
Mit Schreiben vom 28.12.2015 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut zur Vorlage eines gültigen Passes oder Passersatzes auf und hörte ihn zur beabsichtigten Anspruchseinschränkung ab 01.02.2006 nach § 1 a AsylbLG an.
Mit Bescheid vom 28.12.2016 (wohl vom 28.01.2016 und als solcher künftig bezeichnet) gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab dem 01.02.2016 Leistungen nach dem AsylbLG nur noch eingeschränkt in Höhe von ...