Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtsermittlung. Glaubhaftmachung. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Drohende schwere Beeinträchtigung. Folgenabwägung. Notwendige Beiladung. Getrenntleben. Erkennbarer Wille, die eheliche Gemeinschaft aufzugeben. Unterbringung in einem Pflegeheim. Fehlende Sachentscheidung. Zwischenregelung. Ermessen. Prozesskostenhilfe. Rechtsschutzversicherung
Leitsatz (amtlich)
Auch im Eilverfahren ist in Ausnahmefällen eine Zurückverweisung an die 1. Instanz möglich, insbesondere wenn nicht in der Sache entschieden worden und eine notwendige Beiladung unterblieben ist.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2, §§ 103, 159 Abs. 1, § 75 Abs. 2; ZPO § 920 Abs. 2, § 115; GG Art. 19 Abs. 4
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der Zwischenregelung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018, längstens jedoch bis zur erneuten Eilentscheidung des Sozialgerichts Bayreuth, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 350,88 € zu gewähren.
II. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden Punkt I und III des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. Juli 2018 (Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Entscheidung über außergerichtliche Kosten) aufgehoben.
III. Die Sache wird zur erneuten Eilentscheidung an das Sozialgericht Bayreuth zurückverwiesen.
IV. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt der Eilentscheidung des Sozialgerichts Bayreuth vorbehalten.
V. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Im vorliegenden Eilverfahren - Beschwerdeverfahren - geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin - Ag - im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, der Beschwerdeführerin und Antragstellerin - Ast - vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren (Punkt I des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. Juli 2018; vgl. zu Punkt II des Beschlusses des SG - Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Senatsbeschluss vom 08.10.2018, L18 SO 196/18 B PKH).
Die 1944 geborene, verheiratete Ast bewohnt eine 63 m² große Wohnung im Gebiet der Ag. Der Ehemann (E) der Ast ist seit 10.12.2015 bei der M. Altenpflege GmbH, L-Stadt, (M) untergebracht.
Mit Bescheid vom 12.10.2017 lehnte der Bezirk Oberfranken (B) den Antrag des E auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten ab. E verfüge derzeit über Vermögenswerte in Höhe von ca. 165.000 € und ein laufendes monatliches Gesamteinkommen in Höhe von 1755,10 € (Werte jeweils bis 30.06.2017). E und die Ast hätten sich im Falle einer Hilfegewährung in Höhe eines so genannten Kostenbeitrags aus dem gemeinsamen Einkommen an den entstehenden Kosten zu beteiligen. Aufgrund der derzeit vorliegenden Unterlagen errechne sich ein voraussichtlicher Kostenbeitrag aus dem gemeinsamen Einkommen in Höhe von monatlich ca. 750,00 €. Die genaue Berechnung könne erst nach Vorlage der vollständigen Unterlagen erfolgen. Die Ast und E seien verpflichtet, das die Freigrenze von 10.000 € übersteigende Barvermögen / Sparguthaben zur Kostendeckung einzusetzen. Dagegen legten E und die Ast Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 08.01.2018 beantragte die Ast bei der Ag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Im Formblattantrag vom 15.01.2018 gab die Ast an, verheiratet zu sein.
Mit Schreiben vom 31.01.2018 wies die Ag die Ast darauf hin, dass nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens, das gegen den Bescheid des B vom 12.10.2017 laufe, eine abschließende Entscheidung getroffen werden könne.
Mit Schreiben vom 12.02.2018 zeigten die Bevollmächtigten der Ast ihre Vertretung an. Der Ast sei fernmündlich mitgeteilt worden, dass eine Leistungsgewährung ausscheide. Die telefonische Ablehnung der Leistungsgewährung stelle einen Verwaltungsakt dar. Dagegen werde Widerspruch erhoben.
Mit an E und die Ast adressiertem Schreiben vom 13.02.2018 stellte B die darlehensweise Gewährung von Sozialhilfe in Höhe der ungedeckten Pflegeheimkosten in Aussicht. Mit Schreiben vom selben Tage an die Bevollmächtigten der Ast empfahl B, die offenbar (gegenüber M) erteilte Lastschrifteinzugsermächtigung auszusetzen bzw. auf den bereits mitgeteilten abschlägig berechneten Kostenbeitrag aus Einkommen von monatlich ca. 750 € zu reduzieren. Sofern die Ast keinen Zugriff mehr auf die Renteneinkünfte habe, werde empfohlen, die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos zu prüfen. Zum Antrag auf Leistungen durch die Ast sei anzumerken, dass es sich hierbei im Grunde um die gleichen Leistungen handele, die auch Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (betreffend den Bescheid vom 12.10.2017) seien, da E und die Ast als Ehepaar eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 19 SGB XII darstellen würden. Für die Entscheidungen über Leistungen nach dem SGB XII sei die Ag im vorliegenden Fall aufgrund der Bedarfsgemeinschaft nicht zuständ...