Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Inanspruchnahme von Kirchenasyl. Leistungen für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung durch die Kirche
Leitsatz (amtlich)
1. Die Inanspruchnahme von Kirchenasyl ist ein selbst zu vertretendes Vollzugshindernis für aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach § 1a Abs 3 AsylbLG. Auch wenn keine rechtlichen Hindernisse für den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegeben sind, so besteht aufgrund der politischen Entscheidung zur Respektierung von Kirchenasyl ein faktisch bestehendes Vollzugshindernis.
2. Allein aufgrund der Gewährung von Kirchenasyl besteht keine rechtliche Verpflichtung zur Deckung des Lebensunterhaltes für die Kirche bzw das Kloster, das Kirchenasyl gewährt.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 29. Juli 2016 wird teilweise aufgehoben. Die Beigeladene wird verpflichtet, den Antragstellern ab 09.06.2016 bis zum 31.01.2017 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 135,24 Euro für die Antragsteller zu 1) und zu 2), 109,83 Euro für die Antragstellerinnen zu 3) und zu 4), 141,56 Euro für die Antragstellerin zu 6), sowie für Antragstellerin zu 5) für den Zeitraum 09.06.2016 bis 10.11.2016 Leistungen in Höhe von 92,22 Euro sowie ab 11.11.2016 Leistungen in Höhe von 109,83 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
II. Die Beigeladene trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind eine Familie mit vier Kindern, die zwischen 2002 und 2010 geboren sind. Sie stammen aus dem Kosovo. Sie reisten am 21.01.2005 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seit dem 10.02.2005 bezogen sie Leistungen nach dem AsylbLG.
Zunächst war ihnen eine Privatwohnung im Landkreis M. zugewiesen worden. Am 28.01.2016 erhielten die Antragsteller einen Umverteilungsbescheid, nach dem sie aufgefordert wurden, ihre Wohnung in der ARE I (Aufnahme- und Rückführungseinrichtung) in M-Stadt zu nehmen. Die Klage hiergegen wurde nach Auskunft der Beigeladenen am 07.06.2016 abgewiesen, der Eilantrag mit Beschluss vom 18.04.2016 abgelehnt. Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 01.04.2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Eine Abschiebung in den Kosovo wurde im selben Bescheid angedroht. Über die Klage hiergegen wurde bislang nicht entschieden. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde am 17.05.2016 abgelehnt. Die Antragsteller sind seit dem 18.04.2016 vollziehbar ausreisepflichtig.
Seit dem 27.04.2016 befinden sich die Antragsteller im Kirchenasyl im Kloster St. J. in A-Stadt (Landkreis M.). Die Leistungserbringung wurde daraufhin mit Bescheid vom 12.05.2016 zum 30.04.2016 eingestellt. Durch die Gewährung von Kirchenasyl habe sich das Kloster verpflichtet, sämtliche Kosten zur Sicherung des Lebensunterhalts übernehmen. Ebenso sei es verpflichtet, für Leistungen im Krankheitsfall, bei Behinderung und bei Pflegebedürftigkeit aufzukommen.
Der Widerspruch hiergegen wurde dahingehend begründet, dass das Kloster lediglich die Unterkunft gewähren würde. Weitere Leistungen würden freiwillig im Rahmen der Nothilfe erbracht, soweit Leistungen durch den Sozialleistungsträger verwehrt würden. Die Antragstellerin zu 2) sei schwanger, der Antragsteller zu 1) benötige ärztliche Behandlung. Beigefügt war eine entsprechende Bestätigung des Klosters A-Stadt.
Am 09.06.2016 haben die Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller ab 09.06.2016 vorläufig Leistungen nach dem AsylbLG ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Bescheid vom 12.05.2016 sei rechtswidrig, durch die Gewährung des Kirchenasyls sei das Kloster keine Verpflichtung eingegangen, die Sicherung des Lebensunterhalts für die Antragsteller zu übernehmen. § 8 AsylbLG schließe eine Leistungspflicht des zuständigen Sozialleistungsträgers nur aus, soweit Verpflichtungen Dritter bestünden, den Bedarf zu decken und diese unmittelbar realisiert werden könnten. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die Antragsteller über keine Rücklagen verfügen würden. Die Krankenbehandlung der Antragsteller sei nicht gesichert.
Das SG hat mit Beschluss vom 20.06.2016 die Stadt I. zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene hat erklärt, dass der Antrag bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sei. Die Antragsteller hätten sich durch den Rückzug in das Kirchenasyl bewusst der staatlichen Rechtsordnung entzogen. Sie könnten dann nicht gleichzeitig Rechtsschutz durch staatliche Organe beanspruchen. Dies sei rechtsmissbräuchlich. Der Antrag sei weiterhin unbegründet. Die Beigeladene habe erst am 20.07.2016 durch das Gerichtsschreiben Kenntnis von der Zuweisung der Antragsteller in die Aufnahme- und Rückkehreinrichtung in I. erhalten. Die Antragsteller hätten sich bis heute zu keinem Ze...