Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Versäumung der 3-Monats-Frist. fehlender Nachweis eines früheren Rechnungseingangs bei Gericht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur auf Antrag. Wiedereinsetzungsgrund. Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast. verfassungskonforme Auslegung. eidesstattliche Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Sachverständige trägt die objektive Beweislast dafür, dass die Rechnung für das von ihm erstellte Gutachten innerhalb der 3 Monats Frist des § 2 Abs 1 S 1 JVEG bei Gericht eingegangen ist. Der Rechnungseingang muss im Vollbeweis nachgewiesen sein.

2. § 2 Abs 2 JVEG sieht nur eine Wiedereinsetzung auf Antrag vor.

3. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs 2 S 1 JVEG gebietet es, von einer Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds im Rahmen der Darlegungslast eines Antragstellers schon dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers bestehen.

4. Die verfassungsrechtlich gebotene weite Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast verlangt ein Korrektiv, um Missbrauch zu vermeiden. Das Gericht hat daher in einem zweiten Schritt die Frage zu prüfen, ob es möglicherweise erst nach weiterer Sachprüfung einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.

5. Zur Glaubhaftmachung durch eine eidesstattliche Versicherung.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 8. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) die Vergütungsforderung für ein von ihm im Auftrag des Gerichts erstelltes Gutachten zu spät geltend gemacht hat und ob ihm für den Fall der Verfristung Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.

In dem beim Sozialgericht Würzburg (SG) unter dem Aktenzeichen S 17 SB 1187/12 geführten schwerbehindertenrechtlichen Klageverfahren erstellte der Beschwerdeführer, der von dortigen Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannt worden war, ein internistisches Gutachten. Das auf den 19.11.2013 datierte Gutachten ging am 02.12.2013 ohne Begleitschreiben beim SG ein. Der Eingang einer Rechnung des Beschwerdeführers ist in diesem Zusammenhang (auf dem Eingangsstempel des Gerichts) nicht vermerkt.

Mit Schreiben vom 21.06.2014 mahnte der Beschwerdeführer die Zahlung der Rechnung für das Gutachten vom 19.11.2013 an. Eine Kopie der für das Gutachten gestellten Rechnung (Datum: 19.11.2013) legte er bei.

Mit Schreiben vom 25.06.2014 teilte der Kostenbeamte des SG dem Beschwerdeführer mit, dass die Rechnung für das am 02.12.2013 eingelaufene Gutachten erst am 24.06.2014 eingegangen sei und daher wegen der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 JVEG der Vergütungsanspruch erloschen sei.

Die Ablehnung der Vergütung hat der Beschwerdeführer mit am 04.07.2014 beim SG eingegangenem Schreiben vom 01.07.2014 beanstandet und die Wiedereinsetzung beantragt. Er habe "zusammen mit dem Gutachten am 19.11.12 die o.g. Honorarrechnung für das Gutachten eingereicht".

Mit Beschluss vom 08.07.2014, dem Beschwerdeführer am 11.07.2014 zugestellt, hat das SG festgestellt, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Vergütung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG erloschen sei und Wiedereinsetzung nicht zu gewähren sei, da kein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Der Nachweis, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten bei Gericht eingegangen sei, sei nicht zu führen. Ein schlichtes Übersehen einer Frist stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 22.07.2014 mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom selben Tag Beschwerde eingelegt. Dem Gutachten - so die Bevollmächtigten - sei die Rechnung beigefügt gewesen. Es sei weder üblich noch verpflichtend, dass sich ein Sachverständiger den Nachweis für den Zugang der Rechnung verschaffe. Die Rechnung sei unzweifelhaft am selben Tag wie das Gutachten angefertigt worden, wie sich aus dem Rechnungsdatum ergebe. Der Wiedereinsetzungsantrag im Schreiben vom 01.07.2014 sei rechtzeitig gestellt worden. Der Beschwerdeführer habe gutgläubig davon ausgehen dürfen, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten bei Gericht eingegangen sei. Er dürfe nicht schlechter gestellt werden als ein Antragsteller, der die Antragsfrist wegen Urlaub oder Krankheit versäumt habe.

Mit Schreiben vom 11.12.2014 haben die Bevollmächtigten des Beschwerdeführers eine eidesstattliche Versicherung des Beschwerdeführers vom 28.11.2014 vorgelegt. Darin hat dieser erklärt, sich sicher zu sein, die Rechnung dem Gutachten beigefügt zu haben, weil er dies immer so mache und sich in seinen Unterlagen die Kopie der Rechnung bei...

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